Eine Wiese in der Ortsgemeinde Dieblich. Hier soll der größte Solarpark im nördlichen Rheinland-Pfalz entstehen. Aber bürokratische Hürden verzögern den Bau seit Jahren.

Langwierige Prozesse, aufwendige Gutachten, komplizierte Anträge

Bürgermeister in Dieblich frustriert: Bürokratie verzögert geplanten Solarpark seit Jahren

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Jessica Pfeiffer
Bild von SWR Multimediareadakteurin Jessica Pfeiffer aus dem SWR-Aktuell- Studio in Koblenz
Sarah Mauer

Die Gemeinde Dieblich plant einen Solarpark, der mehrere Tausend Haushalte mit Strom versorgen soll. Er könnte schon längst stehen, aber bürokratische Prozesse verzögern den Bau.

Dieblich könnte eigentlich schon längst klimaneutral sein, erklärt Bürgermeister Christoph Jung (CDU). Denn der geplante Solarpark auf einer Fläche von 60 Hektar soll künftig Strom für rund 27.000 Haushalte liefern - Dieblich hat 2.680 Einwohner. "Es ist ein tolles Projekt, von dem ich dachte, das sei doch einfach umzusetzen", sagt Jung. "Aber da habe ich mich geirrt."

Bau des Solarparks in Dieblich verzögert sich seit Jahren

Christoph Jung ist seit 2021 Bürgermeister in Dieblich und hat das Großprojekt von seinem Vorgänger geerbt. Daran beteiligt sind auch der Nachbarort Waldesch, die zuständige Verbandsgemeinde Rhein-Mosel und der Energieversorger EVM. „Wir haben die Flächen", sagt Jung. "Jetzt dauert das Ganze schon vier Jahre. Vor zwei Jahren wollten wir schon bauen.“

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Seit Jahren werden Gutachten erstellt, Anträge formuliert und Akten zwischen den Behörden hin- und hergeschoben. Nun steht die Gemeinde vor einem neuen Herausforderung: Der Solarpark soll auf einer Fläche entstehen, die bislang landwirtschaftlich genutzt wurde. Diese muss umgewidmet werden. Doch die zuständige Behörde will erst alle Interessensgruppen anhören, bevor sie dafür eine Genehmigung erteilt. Nach Ansicht von Bürgermeister Jung ein weiteres Verfahren, das das Großprojekt nur noch mehr verzögert: "Bei dieser Geschwindigkeit schaffen wir die Energiewende nicht."

Zahl der Bürgermeister für Kommunalwahl 2024 nimmt stark ab

So wie Christoph Jung geht es vielen Ortschefs. Das zeigt eine Umfrage des SWR unter Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern aus ganz Rheinland-Pfalz. 185 Bürgermeister aus dem nördlichen Landesteil haben teilgenommen, 56 von ihnen (30 Prozent) wollen bei der Kommunalwahl 2024 nicht mehr antreten, 14 unter anderem wegen bürokratischer Hürden. Außerdem gaben 56 (30 Prozent) der 185 Bürgermeister an, die Verwaltungsprozesse seien eine der größten kommunalpolitischen Herausforderungen, die sie derzeit zu bewältigen hätten.

Um Fördermittel zu beantragen, braucht man fast schon eine Qualifikation.

Die Umfrage zeigt: Langwierige Verwaltungsprozesse, aufwendige Gutachten und komplizierte Anträge sorgen für Frust und Ärger bei viele Bürgermeistern. Bernadette Jourdant (CDU), Bürgermeisterin aus Rheinböllen, erklärte in der Umfrage: "Um Fördermittel zu beantragen, braucht man fast schon eine Qualifikation. Man überlegt schon, ob das Verhältnis von Aufwand und Ertrag in einem guten Verhältnis steht." Bürgermeister Markus Thome (parteilos) aus Heilberscheid im Westerwald meint: "Früher haben die Menschen angepackt und was umgesetzt. Will ich heute einen Fahrradweg bauen, dauert das mindestens drei Jahre. Auch nur, wenn es gut läuft..."

Bürokratie verlangsamt viele Projekte in den Kommunen

Wie viel Arbeit Bürokratie den Ortschefs schon bei kleinsten Projekten macht, zeigt auch ein Beispiel aus der Gemeinde Bell in der Eifel. Dort wird mit einer Pumpe Wasser aus einem Bach abgeleitet und dann - einige Meter weiter - über einen Brunnen dem Bach wieder zugeführt. Die zuständige Behörde stufte das als Wasserentnahme ein und forderte eine Genehmigung von der Gemeinde.

Berge von Akten häufen sich auf dem Schreibtisch von Bürgermeister Christoph Jung in Dieblich. Komplizierte Förderanträge und zahlreiche Gutachten - die ausufernde Bürokratie erschwert ihm und vielen anderen ehrenamtlichen Bürgermeistern die Arbeit.
Berge von Akten häufen sich auf dem Schreibtisch von Bürgermeister Christoph Jung in Dieblich. Komplizierte Förderanträge und zahlreiche Gutachten - die ausufernde Bürokratie erschwert ihm und vielen anderen ehrenamtlichen Bürgermeistern die Arbeit.

Laut Bürgermeister Stefan Zepp (parteilos) wird dem Bach aber gar kein Wasser entnommen, sondern eins zu eins umgeleitet. Trotzdem musste die Gemeinde für die Genehmigung ein Gutachten erstellen lassen. Kosten: 3.000 Euro. "Da fühle ich mir schon an den Kopf", sagt Stefan Zepp dem SWR. Seiner Ansicht nach hätte ein Mitarbeiter der Behörde die Entscheidung auch ohne Gutachten, "mit klarem Menschenverstand", treffen können.

In Thür im Kreis Mayen-Koblenz versucht die Gemeinde seit Jahren Drehkreuze an einem Fußweg, der über eine Bahnstrecke führt, entfernen lassen. Der Weg werde seit Jahren nicht mehr genutzt, sagt Bürgermeister Lukas Ellerich (CDU). Trotzdem müssten durchfahrende Züge an dieser Stelle hupen, um Fußgänger zu warnen. Die Anwohner fühlten sich von dem Lärm belästigt. Darum habe bereits sein Vorgänger vor vier Jahren einen Antrag gestellt, um die Drehkreuze abbauen zu dürfen, so Ellerich. Bis heute sei nichts passiert. Der Antrag werde zwischen verschiedenen Behörden und der Deutschen Bahn hin- und hergeschoben. Ellerich hat den Eindruck, niemand sei bereit, eine Entscheidung zu treffen - und er müsse die Bürger immer wieder vertrösten. Er wünscht sich mehr Pragmatismus in den Behörden.

Bürgermeister wünschen sich mehr Eigenverantwortung

Im Gespräch mit dem SWR betonen die Bürgermeister immer wieder, die Verwaltungen der Verbandsgemeinden gäben ihr Bestes, sie zu unterstützen. Aber der bürokratische Aufwand sei trotz allem riesig. Wer keinen beruflichen Hintergrund in einer Verwaltung habe, für den seien Anträge oftmals sehr kompliziert. Hinzukommt, dass vielen Ehrenamtlern neben dem Beruf häufig die Zeit fehlt: "Gerade bei ehrenamtlichen Ortsbürgermeistern, die hauptsächlich noch einem anderen Beruf nachgehen, machen diese teilweise ermüdenden Prozesse einem das kommunalpolitische Hobby mürbe", sagt Bürgermeister Stefan Zepp.

Gerade bei ehrenamtlichen Ortsbürgermeistern, die hauptsächlich noch einem anderen Beruf nachgehen, machen diese teilweise ermüdenden Prozesse einem das kommunalpolitische Hobby mürbe.

Viele Bürgermeister wünschen sich eine pragmatischere Herangehensweise, mehr Eigenverantwortung für kleinere Projekte in ihren Gemeinden. „Wir wissen, was in unseren Gemeinden gerade am meisten drängt. Das können wir selbst entscheiden“, sagt Berno Neuhoff (CDU), Bürgermeister der Stadt Wissen und der Verbandsgemeinde. Früher sei er selbst Kommunalbeamter gewesen und kenne sich daher mit Verwaltungsvorschriften bestens aus. In den letzten Jahren habe die Bürokratie stark zugenommen, sagt Neuhoff. Auch für ihn sei das nicht immer leicht zu überblicken.

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Er schlägt vor anstelle eines Antrags für jede einzelne Fördermaßnahme festgelegte Geldbeträge einzuführen. Mit denen könnten die Gemeinden kleinere Ausgaben eigenverantwortlich decken. So mache es auch der sächsische Landtag. "Das Konzept der Regionalbudgets im ländlichen Raum ist sinnvoll", findet Neuhoff. Er ist der Meinung, dass Kommunen damit deutlich schneller und flexibler handeln könnten.

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