Die entschärfte Fliegerbombe in Winterspelt (Quelle: Verbandsgemeinde Prüm) (Foto: VG Prüm)

Einsatz gegen Blindgänger

So funktioniert eine Bombenentschärfung

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Michael Claus

Weltkriegsbomben liegen oft jahrzehntelang unbemerkt und völlig intakt in Flüssen, unter Autobahnen oder in Wohngebieten. Wenn sie gefunden werden, muss der Kampfmittelräumdienst anrücken. Doch was macht dieser dann eigentlich genau?

Experten schätzen, dass etwa 100.000 Bomben, die im Zweiten Weltkrieg über Deutschland abgeworfen wurden, nicht explodiert sind. Oft werden sie zufällig bei Bauarbeiten entdeckt, vor allem in Großstädten. In Rheinland-Pfalz wurden im Jahr 2019 laut Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) rund 35 Tonnen Munition und Munitionsteile geborgen, darunter 52 Blindgänger und 279 Stabbrandbomben.

Nach jedem Bombenfund entscheidet der Kampfmittelräumdienst, ob der Zünder eines Blindgängers entschärft werden kann oder ob die Bombe kontrolliert gesprengt werden muss. Bei einer Entschärfung wird erst der Zünder entfernt und dann der Sprengstoff zerstört.

Den Blindgänger finden

Wer Kampfmittel wie Bomben, Granaten oder sonstige Munition findet, muss sofort das zuständige Ordnungsamt oder die Polizei rufen. Die Behörden ziehen dann den Kampfmittelräumdienst hinzu. Die Zuständigkeit liegt bei den Bundesländern.

Nach Blindgängern kann aber auch gezielt gesucht werden, z. B. schon im Vorfeld von Bauarbeiten. Dabei kommen Luftbilder der Alliierten zum Einsatz, die während des Zweiten Weltkrieges immer kurz nach den Bombenabwürfen gemacht wurden. Experten erkennen darauf, ob sich im Baugebiet von heute Blindgänger von damals befinden. Mit hochempfindlichen Metalldetektoren spürt der Kampfmittelräumdienst die Bomben dann vor Ort auf. Systematisch präventiv wird nach den tödlichen Geschossen hingegen nur selten gesucht. Dafür fehlt das Geld.

Die eigentliche Entschärfung

Vor der eigentlichen Entschärfung muss die Bombe aber erstmal mit Baggern und Schaufeln freigelegt werden. Damit der Blindgänger nicht plötzlich explodiert, darf er nicht bewegt werden. Im nächsten Schritt stellen die Experten fest, über welchen Zündmechanismus die Bombe verfügt – einen Aufschlag- oder einen Langzeitzünder.

Der Langzeitzünder Typ 54 einer englischen Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg nach einer Bombenentschärfung (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance / David Young/dpa)
Der Langzeitzünder Typ 54 einer englischen Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg

Aufschlagzünder und Langzeitzünder

Ein Aufschlagzünder bringt eine Sprengladung beim Aufschlag auf den Boden oder auf ein Zielobjekt zur Detonation. Er funktioniert rein mechanisch, meistens mit Zündnadeln. 

Bomben mit chemisch-mechanischem Langzeitzünder sind hingegen so konzipiert, dass sie erst Stunden nach dem Aufschlag detonieren. Mit ihnen sollten im Krieg Lösch- und Bergungsarbeiten verhindert werden. Durch die plötzliche Detonation sollten außerdem noch lange nach Ende eines Luftangriffs Personen getroffen werden, die ihre Schutzräume verlassen hatten. 

Die Langzeitzünder sind im Heck der Bombe eingebaut, damit sie beim Aufschlag nicht beschädigt werden. Nach dem Abwurf wird Aceton freigesetzt. Dieses löst Kunststoffplättchen auf, die den Schlagbolzen halten. Je nach Anzahl bzw. Dicke der Plättchen wird nach zwei Stunden bis sechs Tagen der Schlagbolzen ausgelöst. Dieser schlägt auf den Detonator mit dem Initialsprengstoff und bringt die Hauptladung zur Detonation.

Hindernis Ausbausperre

Langzeitzünder haben im Krieg häufig versagt. Ihr Anteil an den Blindgängern ist deshalb besonders hoch. Kam die Bombe zum Beispiel verkehrt herum auf, tropfte das Aceton nicht wie vorgesehen direkt auf die Kunststoffhalterung. Deshalb darf die Bombe bei der Entschärfung auch nicht bewegt werden.

Finden die Experten vom Kampfmittelräumdienst einen Langzeitzünder vor, stoßen sie häufig auf eine weitere Hürde: eine Ausbausperre, die den Zünder sofort auslöst, wenn er herausgedreht wird. Bei der Entschärfung wird dann ein Wasserstrahl-Schneidegerät eingesetzt, mit dem die Hülle zwischen Schlagbolzen und Sprengstoff getrennt wird.

Diesen Männern vom Kampfmittelräumdienst ist die Bombenentschärfung ohne Zwischenfall geglückt (Foto: Pressestelle, BASF)
Erleichterte Mienen bei Mitarbeitern des Kampfmittelräumdienstes, wenn die Entschärfung geglückt ist

Den Sprengstoff zerstören

Ist der Zünder erst einmal aus den Blindgängern ausgebaut, wird der Sprengstoff vernichtet. Da dies aber nur nach und nach geschehen kann, werden entschärfte Kampfmittel erstmal in einem Lager bei Koblenz aufbewahrt, bevor sie ins niedersächsische Munster zur Vernichtung kommen. Die Granaten und Patronen landen in einem berstsicheren Ofen, in dem der Sprengstoff mit lautem Knallen verbrennt.

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