Wissings Drohung mit Fahrverbot: "Popanz", sagt Grünen-Verkehrspolitiker Gelbhaar

Stand
Autor/in
Marie Gediehn

Nachdem Verkehrsminister Wissing mit Fahrverboten gedroht und das mit dem Klimaschutz begründet hat, widersprechen die Koalitionspartner dem FDP-Politiker. SPD-Fraktionsvize Detlef Müller sagte der „Rheinischen Post“ wörtlich, Panikmache durch abwegige Vorschläge helfen dem Klimaschutz im Verkehrsbereich überhaupt nicht, im Gegenteil. Stefan Gelbhaar, verkehrspolitischer Sprecher von Bündnis 90/ Die Grünen, erklärt im SWR-Aktuell-Interview mit Marie Gediehn, dass er nicht mit Fahrverboten rechnet.

SWR Aktuell: Entweder die Novelle des Klimaschutzgesetzes, schreibt der Verkehrsminister bis Mitte Juli, oder es drohen möglicherweise Fahrverbote. Werden Sie jetzt innerhalb der Koalition erpresst?

Stefan Gelbhaar: Es gibt ein laufendes Gerichtsverfahren, - ich glaube, darauf nimmt Wissing Bezug - wo die Bundesregierung und damit auch explizit der Verkehrsminister gerichtlich mitgeteilt bekommt, dass Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen sind. Das Gericht wird allerdings nicht irgendwie Fahrverbot erwägen, sondern es wird den Minister, das Ministerium, die Bundesregierung verpflichten, das Klimaschutzgesetz einzuhalten. Das heißt, ein Maßnahmenbündel vorzulegen, um auch im Verkehrsbereich die CO2-Emissionen herunterzubekommen. Ich sage mal so: Das ist jetzt keine Debatte, die diesem Jahr oder im letzten Jahr entstanden ist, die gibt es ja schon ein bisschen länger. Und deswegen ist es ein bisschen verwunderlicher, dass es jetzt da solche Reaktionen gibt. Eine „Tempolimit Null“- Forderung, wenn man so will, von einem FDP-Verkehrsminister. Die Wahrheit ist ja, in den letzten Jahren ist ein bisschen was gemacht worden, aber eben nicht genug. Und viele Maßnahmen liegen auf dem Tisch, die man ergreifen kann. Einige sind bekannt und bewährt, die man einfach mal durchsetzen muss.

SWR Aktuell: Ich höre, Sie machen sich da nicht so recht ein Reim drauf und frage mal was anderes, was Herrn Wissing beschäftigt. Woran hakt es denn aus Ihrer Sicht? Warum kommt die ja bereits verabredete Novelle das Klimaschutzgesetz nicht?

Gelbhaar: Vielleicht müssen wir da mal einen halben Schritt zurückgehen. Wir haben im März letzten Jahres ein Koalitionsausschuss gehabt. Bei diesem Koalitionsausschuss wurde gesagt: Wir, die Regierung, schlagen einen Entwurf für ein Klimaschutzgesetz, einen Neuentwurf vor, und der Punkt ist erledigt worden. Das Verfahren wurde dort nicht beschrieben. Es wurde aber wahrscheinlich intendiert, dass man da im parlamentarischen Verfahren auch zu einer Änderung kommt. Allerdings stand in diesem Koalitionsausschuss-Beschluss noch einiges andere. Da stand nämlich eine Radverkehrsoffensive, 45 Milliarden für die Bahn, die Lkw-Maut -die haben wir in der Tat - eine Förderung von Bus und Bahn und so weiter. Ein Klimaschutzpaket. Das heißt der Deal war, dass ernsthaft vom Verkehrsmiinisterium Klimaschutzmaßnahmen kommen, die tatsächlich und nachweisbar CO2-Emissionen senken, und zwar auf das, was im Klimaschutzgesetz drinsteht. Und dann wäre quasi gedanklich die Notwendigkeit einer sektorscharfen Bemessung. Dann hätte man das entfallen lassen können, weil wieder auf dem Weg sind. Die Schritte des Verkehrsministeriums sind aber nicht getan.

SWR Aktuell: Nochmal nachgefragt - ich verstehe Sie so: Die Novelle, auf die Herr Wissing jetzt drängt, verhindert er selbst?

Gelbhaar: So ist es! Man bräuchte ja kein Klimaschutzgesetz, wenn alle Regierungen davor oder auch diese in jedem Ressort ordentlich Klimaschutz machen würden. Am Ende des Tages ist es ja so, dass wir 2023, und das war ein großer Erfolg, zum ersten Mal die Vorgaben des Klimaschutzgesetzes dergestalt erfüllt haben, dass wir in Summe über alle Ressorts hinweg die CO2-Einsparungen hinbekommen haben, weil das Ressort von Robert Habeck so gut gearbeitet hat. Das funktioniert ja aber nicht für alle Jahren in der Zukunft. So viel Energiewende kannst Du gar nicht machen, dass wir die Verkehrswende ausfallen lassen können.

SWR Aktuell: Trotzdem hat auch der Wirtschaftsminister ja durchaus die Verabredung mitgetragen, dass man künftig in die Zukunft gerichtet auf die verschiedenen Sektoren schaut, mehrjährig und übergreifend…

Gelbhaar: Er hat nur unter der Prämisse zugestimmt, dass aus dem Verkehrsressort bis zu der Änderung des Klimaschutzgesetzes ein Maßnahmenpaket nicht nur vorgelegt, sondern auch umgesetzt oder zumindest bei der Umsetzung begonnen wird – weil er die sichere Erwartung hatte: Wir kriegen das bis 2030 eben auch hin mit den CO2-Reduktionen.

SWR Aktuell: Jetzt noch einmal kurz mit Blick auf diesen Brief von Herrn Wissing an die Grünen und die SPD: Geht das jetzt so weiter, schreiben Sie zurück oder verständigen Sie sich da irgendwie noch ein bisschen konstruktiver?

Gelbhaar: Ich habe Herrn Wissing bislang nur einen einzigen Brief geschrieben, wo ich gebeten haben zu prüfen, ob man Andreas Scheuer nicht doch verklagen sollte wegen der Pkw-Maut. Ansonsten, glaube ich, ist das Wort schon ein gewichtiges Mitteln in der Politik. Und man muss reden und nicht sich Briefe schreiben, wo man sich eh jede Woche sieht. Jetzt hat Volker Wissing dieses Mittel gewählt. Das steht jetzt so. Ob man ihn da offiziell antwortet oder das jetzt gar bewertet, auch in der Presse, das weiß ich jetzt nicht.

SWR Aktuell: Volker Wissing hat heute Morgen noch mal im Gespräch über diesen Brief im Deutschlandfunk argumentiert, es sei unseriös, den Menschen zu verschweigen, dass sie tatsächlich gemeint sind mit Sektoren. Dass also nicht ein Ministerium, ein Minister gemeint ist, sondern in der Tat alle, die beispielsweise Auto führen oder eben im Supermarkt noch mit dem Lkw gelieferte Lebensmittel einkaufen. Hat er damit einen Punkt, dass wir auch vielleicht ein bisschen in der Kommunikation nachschärfen müssen?

Gelbhaar: Er hat da keinen Punkt. Da lohnt immer der Blick ins Gesetz. Das Klimaschutzgesetz adressiert explizit die Bundesregierung, die dort tätig werden soll. Und es ist ja nun mal so, dass man zum Beispiel, wenn man Elektromobilität fördert, indem man Ladeinfrastruktur ausbaut und indem man über Elektroautos mit der Pkw-Industrie redet und sagt, stellt bitte auch mal elektrische Kleinwagen her. Man muss den Herstellern auch in Deutschland immer ein bisschen Stoff geben, das ist Aufgabe eines Ministers, eines Ministeriums. Und das adressiert die Menschen natürlich insoweit, als dass ihnen dann Alternativen, umweltfreundliche, klimafreundliche luftfreundliche Alternativen zur Verfügung gestellt werden. Dann werden die Menschen der Lage sein, sich dafür zu entscheiden. Und das werden viele dann auch tun. Und insofern, in dieser indirekten Weise, adressiert das natürlich auch die Menschen. Aber die Handlungsaufforderung des Klimaschutzgesetzes ist sehr klar, sehr eindeutig und sehr scharf. Das wurde einst vom Parlament beschlossen unter Schwarz-Rot – an die Bundesregierung, egal welcher Couleur.

SWR Aktuell: Trotzdem die Frage an den verkehrspolitischen Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Es stehen Fahrverbote im Raum. Drohen die, kommen die?

Gelbhaar: Nein, das ist ja ein Popanz. Volker Wissing hat in den letzten zwei Jahren immer gesagt, dass man quasi mit Bordmitteln den Klimaschutz hinbekommt, dass man die 15 Millionen E-PKW irgendwie schon bekommen werde und so weiter. Das hat der Expertenrat der Bundesregierung immer kritisiert und andere Vorschläge gemacht. Die sind aber eben nur teils, oder halbherzig, oder noch nicht in ausreichendem Maße aufgegriffen worden. Jetzt wird quasi gleich über eine eher absurde Maßnahme gesprochen. Wir sollten mal anfangen, die Maßnahmen, die auf dem Tisch liegen, eins zu eins abzuarbeiten und nicht die Bevölkerung zu verunsichern mit Punkten, die so nicht kommen werden.

Stand
Autor/in
Marie Gediehn