Wirtschaftshilfe und Klimaschutz: Deutschland und die Landwirtschaft in Afrika

Stand
AUTOR/IN
Sebastian Felser

Die berüchtigten „hungernden Kinder in Afrika“, dieses fadenscheinige Argument benutzen heutige Eltern wohl kaum noch, wenn sie ihren Nachwuchs zum Essen bewegen wollen. Was immer noch stimmt, ist, dass Unterernährung gerade in Afrika ein Riesenproblem ist. Reiche Länder wie Deutschland helfen afrikanischen Staaten und afrikanischen Bäuerinnen und Bauern seit Jahrzehnten, nicht immer mit Erfolg. Wie Entwicklungszusammenarbeit im Jahr 2023 aussehen soll, darum geht es heute beim deutsch-afrikanischen Landwirtschaftsforum- und SWR-Aktuell-Moderator Sebastian Felser hat darüber mit Ophelia Nick gesprochen, sie ist Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium.

Audio herunterladen (7,8 MB | MP3)

SWR Aktuell: Die Probleme in der Landwirtschaft sind extrem groß, welches Problem ist denn größte?

Ophelia Nick: Das ist die Gleichzeitigkeit der Krisen, die wir in der Welt haben und die wir auch gleichzeitig bekämpfen müssen. Es ist nicht so, dass man sagen kann, wir würden uns nur einer Krise zuwenden. Es müssen die Klimakrise, die Biodiversitätskrise und eben auch Hunger in der Welt bekämpft werden. Und beim Hunger muss das dann oft auch schnell und unbürokratisch passieren, weil so viele Menschen -fast 800 Millionen- auf unserem Planeten hungern, und 2 Milliarden sind sogar „ernährungsunsicher“. Das sind große Zahlen. Auf der anderen Seite: Es gab noch nie so viele Menschen auf dieser Welt, und unser Planet ernährt uns - und kann das auch, wenn wir vieles besser machen. Sicherlich sind die Hähnchen, die wir hier aus Überproduktion verschicken, ein kleines Problem, und nicht das Hauptproblem. Das Hauptproblem sind -wir haben ja schon viel die ganze Woche mit afrikanischen Staaten gesprochen- tatsächlich die strukturellen Probleme. Wie kann man die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, die den Großteil der Lebensmittel in Afrika erzeugen, unterstützen? Wie kann man durch Bildung, oder auch durch Sortenzüchtung, dort die Landwirtschaft produktiver und klimaangepasster machen? Da müssen wir viel mehr zusammenarbeiten. Das haben wir jetzt auch in den letzte Tagen uns auch so vorgenommen und auch beschlossen.

SWR Aktuell: Sie haben jetzt eine ganze Reihe von Problemen und Ansätzen genannt. Gehen wir das mal ein bisschen durch. Sie haben zum Beispiel gesagt, dass das Problem, das Überexporte aus der Europäischen Union der Märkte in Afrika kaputtmachen, nicht mehr so ein großes Problem sei. Können Sie das belegen? Haben Sie da Zahlen zum Beispiel für Deutschland, wie wichtig da afrikanischen Länder noch als Absatzmarkt sind?

Ophelia Nick: Der afrikanische Absatzmarkt spielt keine große Rolle. Das kann man wirklich als eher untergeordnet bezeichnen. Es wird auch nicht subventioniert - früher hat man das ja noch gemacht. Da ist wirklich ganz wichtig, dass wir versuchen, zu fairem Handel zu kommen. Es gibt ja Produkte, wo wir begünstigt sind. Wir haben ja viel Wasser zum Beispiel. Und es gibt natürlich Produkte, Kaffee oder Schokolade oder exotische Früchte, afrikanische Länder können das einfacher anbauen. Und da muss es eben einen guten Handel geben auf Augenhöhe, dass es keine Ausbeutung gibt, oder es zu einer Schieflage kommt, dass wir durch Billigprodukte da Märkte kaputtmachen. Da schauen wir jetzt auch noch mal gezielt hin, haben aber schon festgestellt, dass das nicht das größte Problem ist. Das größte Problem ist tatsächlich, dass wir gucken, dass wir zu einem fairen Handel gegenseitig kommen.

SWR Aktuell: Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir hat vergangene Woche schon gesagt, man müsse vor allem die kleinbäuerliche Landschaft stärken. Das haben sie eben auch erwähnt, die ja schon die Hälfte der Menschheit jetzt ernähre. Was haben Sie da konkret für Ansätze?

Ophelia Nick: Es gibt zum Beispiel viel die Probleme, dass Ernten gar nicht haltbar gemacht werden, dass viele Lebensmittel dann verrotten nach der Ernte. Da gibt es zum Beispiel gute Möglichkeiten. Wie können sich Kooperativen bilden, die dann auch ihre Lebensmittel auf dem Markt verkaufen? Wie kann man Themen von Hygiene auch mit Afrika gegenseitig überlegen, wie können wir da die Lebensmittel besser behandeln? Also wir haben einen großen Werkzeugkasten, um Kleinbäuerinnen und Kleinbauern zu unterstützen, sicherlich auch in Bezug auf die Herausforderungen des Klimawandels. Auch da ist viel zu tun. Ob das Bewässerungstechnik ist, aber eben auch bestimmte Anbaumethoden, um die Wasserhaltefähigkeit der Böden zu verbessern. Da freuen wir uns, wenn wir da wirklich näher und intensiver mit afrikanischen Staaten zusammenarbeiten können.

SWR Aktuell: Wir sind jetzt schon mehrfach auf den Klimawandel und die Erderwärmung gekommen, und dass das natürlich ein enormer Stress ist für die ökologischen Systeme, die uns ja auch ernähren. Ist es in ihren Augen da auch eine Option, dass man zum Beispiel auf genetisch veränderte, resilientere Pflanzen zurückgreift, gerade in Afrika?

Ophelia Nick: Was der Klimawandel mit uns macht, und dass es schlimmer wird, das wissen wir alle. Das heißt das, was wir gerade als ein Katastrophenjahr empfinden, können wir davon ausgehen, dass das immer wieder auf uns zukommt. Und da sind das eben entweder Starkregenereignisse, also Überschwemmungen - oder eben Trockenzeiten. Und deswegen muss man vor allen Dingen den Boden gut schützen, dass eben, wenn Starkregenereignisse sind, nicht alles weggeschwemmt wird. Oder dass in Trockenzeiten der Boden eben schon so ist, dass, wenn es mal regnet, der Boden gut Wasser aufnimmt. Das sind die entscheidenden Faktoren. Und natürlich sind Züchtungserfolge auch wichtig. Aber gentechnisch veränderte Pflanzen helfen nicht, denn jedes Land braucht Wasser. Das heißt die Wasserhaltefähigkeit und eben dass Boden überhaupt geschützt wird, ist einer der Hauptpunkte, die wir angehen müssen, und wo es übrigens sehr gute Möglichkeiten gibt, da sich zu verbessern, die auch gesamtheitlich sind. Ich warne davor, auf ein technisches Instrument zu setzen, was bisher überhaupt keine Erfolge in der Welt gebracht hat, das eher für Absatzmöglichkeiten von Großindustrien sorgt. Und wir haben ja gerade gesagt, es geht um Kleinbäuerinnen und Kleinbauern - und denen ist sicherlich damit nicht geholfen.

SWR Aktuell: Es wäre natürlich viel einfacher, ein großen Betrieb anzuschauen zu zertifizieren und zu sagen: so macht ihr das jetzt. Viele, viele kleine Betriebe anzugehen, denen Know-how zu bringen und das Ganze auch noch nachzuverfolgen, ob es denn klappt – das ist ja wahnsinnig viel Arbeit und ein viel höherer Aufwand. Arbeiten Sie da auch mit anderen Ministerien, anderen Partnern zusammen? Also ich denke da zum Beispiel an das Entwicklungsministerium oder andere..

Ophelia Nick: Genau das haben wir gemerkt, wie wichtig das ist, dass wir da eng zusammenarbeiten – also mit dem Auswärtigen Amt und dem Entwicklungsministerium. Wir haben eine Taskforce gegründet nach dem russischen Angriffskrieg, um auch schnell auf Not in der Welt reagieren zu können, um den Menschen Hilfe zu bringen. Und bei den kurzfristigen Hilfen wir unsere Instrumente auch verbessern, dass wir die einmal bringen, aber eben auch die mittel- und langfristigen Ziele. Und da geht es um eine gute Kreislauf-Landwirtschaft. Man muss immer wissen: Die Natur ist ja die Landwirtschaft, die uns ernährt. Deren Überlebensmöglichkeit ist ja die Vielfalt. Vielfalt ist ganz wichtig, wenn wir uns über Lebensmittel unterhalten. Und sie hatten ja gerade gefragt: ist es denn viel einfacher, einen großen Konzern zu beraten, einen großen landwirtschaftlichen Betrieb oder viele kleine. Es geht auch sehr gut mit vielen kleinen, denn viele kleine könnten auch viel schneller auf gewisse Dinge reagieren. Sie haben eben die Vielfalt, die wir ja auch immer in industrielleren Ländern verlieren. Deswegen sorgen wir auch hier in der Bundesregierung dafür, dass wir Höfe erhalten, dass wir die Vielfalt erhalten. Das ist ja auch ein Reichtum nicht nur der Natur, sondern auch der Menschen, die da arbeiten. Deswegen warne ich davor, hier in größeren Strukturen zu denken -die ich jetzt gar nicht schlecht machen will. Aber die Vielfalt, die sorgt dafür, dass wir uns gut und gesund ernähren können. Und das weiß ja auch jeder, wenn er dann isst.

Stand
AUTOR/IN
Sebastian Felser