Weiter offene Fragen in der Wehrpflicht-Diskussion

Generalinspekteur: Wehrpflicht dient nicht dazu, Personalproblem zu lösen.

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AUTOR/IN
Uli Hauck

Der Generalinspekteur der Bundeswehr ist in der Wehrpflicht-Diskussion nicht festgelegt. Sollte es zu einer Entscheidung für ein neues "Wehrpflicht-Modell" kommen, muss aber der Personalbedarf der Bundeswehr und der NATO berücksichtigt werden.

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Seit Monaten diskutiert die Politik wahlweise über eine allgemeine Dienstpflicht für junge Menschen oder über die Wiedereinführung der 2011 ausgesetzten Wehrpflicht – häufig, ohne in die Detailfragen zu gehen. Bis Mitte April erwartet Verteidigungsminister Pistorius eine Liste mit Wehrpflichtmodellen aus anderen Ländern. Dann will er sich mehrere Monate Zeit für eine Entscheidung nehmen. Für seinen ranghöchsten militärischen Berater, Generalinspekteur Carsten Breuer ist die Wiedereinführung der Wehrpflicht eine Abwägungsfrage, die man aus seiner Sicht nicht einfach mit Ja oder Nein beantworten kann.

Denn mehr Grundwehrdienstleistende bräuchten beispielsweise mehr Ausbilder, die dann an anderer Stelle in der Bundeswehr fehlen würden. Auf der anderen Seite würde Deutschland mit einer Wehrpflicht aber "ein sehr starkes sicherheitspolitisches Zeichen nach außen setzen.", findet der Generalinspekteur. "Das alles gilt es abzuwägen, um dann zu sagen, ja, eine Wehrpflicht ist sinnvoll", sagt General Breuer im SWR-Interview. "Es ist nicht so einfach zu sagen ich bin dafür und ich bin dagegen."

Noch fehlen belastbare Personalzahlen

General Breuer blickt vor allem auf die militärischen Notwendigkeiten und weniger auf gesellschaftspolitische Gründe für eine Wehrpflicht oder eine allgemeine Dienstpflicht. Das heißt, Breuer sieht die Aufgaben, die im Kriegsfall von der Bundeswehr innerhalb der NATO übernommen werden müssen. Und daran sollte sich aus seiner Sicht auch die Zahl möglicher Wehrpflichtiger ausrichten. Allerdings fehlen hier noch die konkreten Personalzahlen für den Ernstfall.

Was die sogenannte "Aufwuchsfähigkeit" der Bundeswehr angeht, "da sind wir noch nicht so weit", sagt General Breuer. Er rechnet damit, dass sich in den nächsten "drei bis vier Monaten" die neuen NATO-Pläne auch für Deutschland "langsam, aber sicher herauskristallisieren". "Dann können wir eine Aussage treffen, wie viel Personal wir brauchen, um aufzuwachsen.", sagt Breuer. Und "dann kann man sich darüber unterhalten, welches das richtige Wehrpflicht-Modell ist."

Carsten Breuer Generalinspekteur der Bundeswehr und Uli Hauck ARD-Hauptstadtkorrespondent (Foto: SWR)
Carsten Breuer und Uli Hauck

Das schwedische Wehrpflicht-Modell

Auch wenn sich Generalinspekteur Breuer nicht festlegt, äußert er im Moment Sympathie für das flexible schwedische Wehrpflicht-Modell. In Schweden werden ganze Jahrgänge registriert und angeschrieben. Dann wird ein Teil gemustert und am Ende leistet davon wiederum nur ein Teil den Militärdienst. Je nach Bedarf könnte die Bundeswehr die Zahl der jährlichen Wehrpflichtigen also anheben oder senken. Und weil ein Teil der Wehrpflichtigen sich dann erfahrungsgemäß auch länger verpflichtet, könnte dann zumindest mittelfristig der Personalbedarf gelindert werden.

Denn nach Angaben von Generalinspekteur Breuer hat die Bundeswehr "im Moment knapp unter 184.000 Soldatinnen und Soldaten als aktive Truppe". Die Zielgröße bis 2031 ist aber 203.300 Soldatinnen und Soldaten. Generalinspekteur Breuer rückt davon nicht ab: "Das muss also weiterhin eine Zielgröße bleiben. Wichtig scheint mir aber zu sein, dass wir auf die Fähigkeiten gucken und nicht nur auf die Personalzahl." Ein weiterer Aspekt, der in der komplexen Wehrpflicht-Diskussion eine Rolle spielen dürfte.

Putins Russland als möglicher Gegner

Militärbeobachter rechnen damit, dass Russland in fünf bis acht Jahren in der Lage sein wird, ein NATO-Land anzugreifen. Auf diesen Zeitraum kommen sie aufgrund unterschiedlicher Entwicklungen. Generalinspekteur Breuer verweist auf die russische "Kriegswirtschaft" und darauf, dass "Rüstungsgüter aktuell in großer Stückzahl produziert" werden. Breuer stellt fest: "Dass diese Rüstungsgüter eben nicht alle an die ukrainische Front gehen, sondern auch in Depots, das heißt man produziert mehr als man benötigt."

Hinzu komme, "wie Putin sich gegenüber dem Westen einlässt". Bringt man diese Punkte zusammen, dann sieht man, dass "zumindest die Möglichkeit besteht, dass diese Waffen dann auch zum Einsatz gebracht werden."

"Und diese Möglichkeit, diesen Worst Case in fünf bis acht Jahren, die muss ich als Militär mitaufnehmen."

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Uli Hauck