Unpünktliche S-Bahnen: "Problem ist, dass es kein eigenes Netz gibt“

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Ulrike Alex
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Stefan Eich

Über Fernzüge, die zu spät kommen, beklagen sich fast täglich Fahrgäste öffentlich – und nun ist auch amtlich, dass die von der Bahn betriebenen S-Bahnen nicht viel pünktlicher fahren. So steht es nämlich in der Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine Anfrage der Grünen. Warum das Problem auch in Stuttgart und bei der S-Bahn Rhein-Neckar auftritt - und warum es ohne unabhängiges S-Bahn-Netz kaum zu lösen ist, erklärt Detlef Neuß, Bundesvorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn, im Gespräch mit SWR-Aktuell-Moderatorin Ulrike Alex.

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SWR Aktuell: Bei den S-Bahnen Rhein-Neckar sind 86 Prozent der „DB-S-Bahnen“ pünktlich. Das ist weniger als in den Jahren zuvor. Wundert Sie das?

Detlef Neuß: Nein, das wundert mich überhaupt nicht. Die Schieneninfrastruktur wird immer mehr auf Verschleiß gefahren, wird immer schlechter. Wir hinken mit der Sanierung hinterher. Und da die Bahnen ja auch im Regelfall, wenn sie die gleichen Schienenwege benutzen, dem Fernverkehr und - ich sage einmal- „höherwertigen“ Regionalverkehr hinterherfahren, wird natürlich auch der Betrieb immer unpünktlicher,

Stuttgart21 ist ein Problem für die Pünktlichkeit, aber nicht das einzige

SWR Aktuell: Auch in Stuttgart ging die Quote um vier Prozentpunkte runter, was die Pünktlichkeit anbelangt. Liegt das zum größten Teil an der Mega-Baustelle Stuttgart 21, oder hat das noch andere Gründe?

Neuß: Das hat natürlich auch andere Gründe. Zum Beispiel, dass Fernverkehrszüge verspätet ankommen und die S-Bahn dann hinter denen warten muss. Aber es liegt natürlich auch an den großen Baustellen im Raum Stuttgart in Zusammenhang mit Stuttgart 21. Das führt natürlich immer zu Verspätungen - aber nicht nur in Stuttgart. Das ist eigentlich typisch überall dort, wo Baumaßnahmen durchgeführt werden. Da ist dann der Zugverkehr fast immer verspätet - und natürlich auch die S-Bahn.

Kürzungen im Bundeshaushalt verschärfen das Problem

SWR Aktuell: Wenn man bei der Bahn nachfragt, dann wird man immer vertröstet, „ja die Digitalisierung, wir sind dran. Und wenn dann mal alles digitalisiert ist, dann klappt es“. Ist das so?

Neuß: Das ist ohne Zweifel so. Da sollte man sich allerdings keine großen Hoffnungen machen, dass man das in diesem Jahrzehnt schon vollständig korrigiert bekommt. Da werden wir sicherlich noch bis Mitte der 30er Jahre warten müssen. Auf einigen Strecken wird das auch noch bis 2040 dauern, wenn wir nicht mehr Geld in die Bahn stecken. Auch da haben wir ja gerade das Problem mit dem Bundeshaushalt, der jetzt deutlich wieder reduziert wurde. Wenn wir uns da also nicht dazu entscheiden, mehr Geld in die Bahn zu stecken, dann wird sicherlich auch dieses Horrorszenario eintreten mit dem Deutschlandtakt erst 2040, wie Herr Theurer das prophezeit hat - natürlich auch in Zusammenhang mit zu wenig Geld - vermutlich Wahrheit werden. Und das können wir uns eigentlich hinsichtlich der Mobilitätswende überhaupt nicht leisten.

SWR Aktuell: Es ist ja nicht so, dass die Bahn das Problem Unpünktlichkeit und Infrastrukturschwäche nicht erkannt hätte. Es gibt seit Jahresbeginn das Tochterunternehmen DB InfraGO, das laut Eigenaussage die Zukunft der Eisenbahninfrastruktur gestalten soll. Wird das was werden?

Neuß: Wir hoffen, dass es etwas wird. Aber auch die DB InfraGO ist eine Aktiengesellschaft, und wir hätten uns da eher eine andere Rechtsform gewünscht, ähnlich wie bei der Autobahn. Die Autobahn GmbH hat ganz andere Möglichkeiten, auch finanziell umzugehen mit dem Geld. Aber die Satzung von InfraGO sagt zumindest, dass das Geld, das dort eingenommen wird, auch wieder in das Netz gesteckt wird. Und wenn das tatsächlich alles so passiert, dann kann daraus durchaus etwas werden. Aber es ist eigentlich immer noch viel zu wenig Geld, um jetzt schnell etwas zu verbessern. Dazu fehlen uns aber auch die Planer und die ausführenden Firmen. Es liegt nicht ausschließlich an Geld.

Wirklich pünktliche S-Bahnen, wenn sie ein eigenes Netz haben

SWR Aktuell: Lassen Sie uns auch mal davon reden, was klappt. In Hamburg und Berlin sind die S-Bahnen der Deutschen Bahn zu 97 Prozent pünktlich. Was wird dort richtig gemacht?

Neuß: In Berlin hat die S-Bahn ihr eigenes Netz, da ist auch die Stromzufuhr zur S-Bahn anders als das zum Beispiel im Fern- und Regionalverkehr ist. Und sie muss sich die Schienen nicht mit Fernverkehr, Regionalverkehr oder eventuell sogar auch mit Güterverkehr teilen. Das macht selbstverständlich so ein Bahnsystem deutlich pünktlicher. Und das ist das, was anderswo fehlt: Da, wo man sich die Schienenwege nicht mit anderen Eisenbahnunternehmen oder mit Regionalverkehr teilen muss, da hat die S-Bahn natürlich ganz andere Möglichkeiten und kann da auch eigenständig pünktlicher fahren, ohne auf irgendjemand anderen Rücksicht nehmen zu müssen.

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