Politischer Aschermittwoch: BW-Grünen-Chefin Schwelling will „eigenen Stil finden“

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AUTOR/IN
Andreas Böhnisch

Viel Bier, viele deftige Sprüche, vor allem zu Lasten des politischen Gegners. Dieses sehr laute Ritual heißt „Politischer Aschermittwoch“. Die CSU hat damit angefangen, und längst machen alle anderen Parteien mit. Nach zwei Jahren Pause wegen der Corona-Pandemie 2021 und wegen des Ukraine-Kriegs im vergangenen Jahr veranstalten alle großen Parteien wieder das politische Schenkelklopfen.
Was die baden-württembergischen Grünen-Chefin Lena Schwelling heute in der Stadthalle von Biberach sagen will, das hat sie im Gespräch mit SWR-Aktuell-Moderator Andreas Böhnisch erklärt.

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SWR Aktuell: Es ist ja für Sie der erste politischer Aschermittwoch in dieser Funktion. Werden sie dabei verbal ordentlich auf den Putz hauen?

Lena Schwelling: Nein, ich werde tatsächlich versuchen, einen eigenen Stil zu finden, diese Holzerei gegen den politischen Gegner ist ja auch irgendwie zu plump. Ich werde versuchen, ein paar Spitzen durchaus mit Selbstkritik zu verbinden - und hoffentlich mit so viel Humor, dass es mir am Ende niemand übelnimmt.

SWR: Und das Sprücheklopfen, das überlassen Sie dann Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir? Die beiden sind ja auch mit dabei.

Schwelling: Genau! Aber ehrlicherweise, wenn man Winfrieds Aschermittwochsreden kennt: So ein richtiger Sprücheklopfer im Sinne von Markus Söder ist er auch nicht.

SWR: Sie haben von einem paar politischen Spitzen gesprochen, vielleicht auch gegen die eigene Partei. Also werden die neu formierten Werte-Realos um Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer bei Ihnen vorkommen in der Rede?

Schwelling: Das bin ich schon viel gefragt worden. Aber tatsächlich habe ich für die Armen nur einen Halbsatz vorgesehen. Also ich hoffe, da ist auch niemand enttäuscht am Ende.

SWR: Was für ein Halbsatz denn, verraten Sie uns den?

Schwelling: Noch nicht!

SWR: Was sagen Sie denn zu der Forderung der Grünen Werte-Realos nach einer neuen Migrationspolitik?

Schwelling: Ich finde sie ein bisschen simpel, ehrlich gesagt. Natürlich haben wir große Herausforderungen. Ich bin ja auch Kommunalpolitikerin. Deshalb bin ich da hautnah mit dabei hier in Ulm und kriegt das genau mit. Aber für die Herausforderung gibt mir das Papier zu wenig Antworten. Es sagt nicht, wie wir mehr Kita-Plätze schaffen können, wie wir es hinkriegen, die Unterbringung besser zu organisieren. Und im Unterschied dazu gibt es ja aber auch viele Beispiele vor Ort, wo trotz all der Schwierigkeiten das relativ gut gelingt. Und das ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die wir gemeinsam anpacken können. Ich weiß nicht, ob öffentliche Memoranden da einen wahnsinnig wertvollen Beitrag dazu leisten.

SWR: Jetzt haben Sie das in gutem Politikerinnen-Deutsch gesagt. Da freuen wir uns nachher dann auf die politische Spitze, mit der Sie vielleicht Boris Palmer ein wenig ins Visier nehmen werden, bei Ihrer Rede auf dem politischen Aschermittwoch in Biberach. Welche Politiker, welche Politikerin wollen Sie sich sonst noch vornehmen von der Opposition?

 Schwelling: Tatsächlich werde ich mich ein bisschen mit der Verkehrspolitik beschäftigen. Da wird vielleicht der ein oder andere Seitenhieb in Richtung Koalitionspartner im Bund nicht ganz unvermeidlich sein.

SWR: Volker Wissing?

Schwelling: (lacht) Ja, auch!

SWR: Auf was darf der sich dann einstellen?

Schwelling: Ich setze mich mit den Ticketsubventionen auseinander, und an der Stelle ist wieder Selbstkritik. Das 49-Euro- oder Deutschland-Ticket ist ja nicht nur seine Idee gewesen, da hängen die Grünen im Bund natürlich schon auch mit drin. Ob das wirklich die allerbeste verkehrspolitische Idee war, und ob man nicht vielleicht kleine Gemeinden im ländlichen Raum, gerade in Oberschwaben, mit dem Geld nicht besser hätte an den Nahverkehr anbinden können. Und da habe ich auch ein ganz nettes Beispiel mitgebracht.

SWR: Frau Schwelling, den politischen Aschermittwoch gibt es seit mehr als 100 Jahren. Sie haben zu Beginn unseres Gesprächs gesagt, sie wollen ihren eigenen Stil finden für diese Veranstaltung. Sie sind junge Politikerin, Anfang 30. Welche Bedeutung hat dieser politische Aschermittwoch überhaupt noch für Sie?

Schwelling: Ich bin tatsächlich, seit ich bei den Grünen dabei bin – das ist schon eine Weile - auch immer in Biberach beim politischen Aschermittwoch. Und ich finde es schön, dieses Format, weil man mal ein bisschen aus sich rausgehen kann. Man erlebt die Politiker*innen anders, eben nicht in diesem üblichen Politikersprech, wo man niemandem zu sehr auf die Füße tritt, sondern mal ein bisschen mutiger. Man kann auch herausfinden, ob die Humor haben. Und das ist tatsächlich etwas, was den Aschermittwoch wirklich gelungen macht, und auch zu einer wertvollen Veranstaltung, finde ich.

SWR: Also dieses Bild, dass dort „alte weiße Männer“ zusammensitzen und viel Bier trinken, das würden sie nicht teilen?

Schwelling: Das sieht man tatsächlich auch eher in Bayern als in Baden-Württemberg. Vielleicht liegt es daran, dass wir die Fastenzeit hier sehr ernst nehmen. Aber es fließt gar nicht so furchtbar viel Bier in Biberach, meiner Erinnerung nach.

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Andreas Böhnisch