Heftige Grippewelle in Australien: Wie schlimm wird es im Herbst und Winter bei uns?

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Andreas Herrler
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Andreas Böhnisch

In Australien herrscht zurzeit eine heftige Grippewelle. Was das für uns im kommenden Herbst und Winter bedeutet, sagt der Arzt und Journalist Lothar Zimmermann im Gespräch mit SWR Aktuell-Moderator Andreas Herrler.

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In Australien geht der Winter zu Ende. Die Menschen dort leiden gerade unter einer heftigen Grippewelle. Worauf wir uns in Deutschland im bevorstehenden Herbst und Winter einstellen müssen, erläutert der Arzt und Journalist Lothar Zimmermann im Gespräch mit SWR Aktuell-Moderator Andreas Herrler.

SWR Aktuell: Wenn die Grippewelle auf der Südhalbkugel in Australien heftig war, wird es bei uns dann auch schlimm?

Lothar Zimmermann: Das ist ein guter Indikator. Man muss sich vorstellen, dass die Viren um die Erde herumfliegen. Dort wo Winter ist, greifen sie die Menschen an. Aber das Grippevirus verändert sich konstant und dann kommt es darauf an, wie gut eine Bevölkerung gegen dieses Virus geschützt ist. Das hängt zum einen davon ab, wie gut die Impfstoffe sind - zum anderen aber auch davon, wie fit ich bin, also wie schnell mein Immunsystem ein Virus zerstören kann. Man weiß, dass in Australien besonders viele Kinder und Jugendliche erkrankt sind.

SWR Aktuell: Im vergangenen Jahr hatten wir eine ungewöhnlich heftige Grippewelle, die im Oktober begonnen hatte - also früher als sonst. Müssen wir in diesem Jahr wieder damit rechnen?

Zimmermann: Ja, das hat sich verändert. Früher hat man gesagt, dass die Grippe Ende Januar und im Februar so richtig zuschlägt. Letztes Jahr hatten wir schon im Herbst den Beginn der Grippewelle. Und dann gab es ein erneutes Aufflackern der Grippe Anfang des Jahres. Deshalb muss man davon ausgehen, dass die Grippeviren auch dieses Jahr wieder früher zuschlagen.

Ein Impfstoff gegen die Grippe braucht ungefähr 14 Tage, bis er unser Immunsystem so aktiviert hat, dass wir gegen die Viren geschützt sind. Das heißt: wenn man davon ausgeht, dass vielleicht schon Ende Oktober die Grippeviren bei uns zirkulieren, sollte man sich rechtzeitig impfen lassen - also Mitte Oktober bis spätestens Anfang November, damit man dann tatsächlich auch einen Impfschutz hat.

SWR Aktuell: Sollte sich jeder impfen lassen oder nur die klassischen Risikogruppen?

Zimmermann: Das Robert Koch-Institut empfiehlt die Grippeimpfung für Menschen mit "Grundkrankheiten" - also an Lunge und Herz, für Menschen über 60 und für Menschen, die sehr viel Kontakte mit anderen haben. Generell hängt es auch davon ab, wie viele sich impfen lassen. Bei einer hohen Impfquote können die Viren durch einen guten Impfstoff relativ schnell vom menschlichen Immunsystem zerstört werden. Allerdings bietet eine Grippeimpfung keine Garantie dafür, dass ich nicht erkranke. Die Grippe verläuft in der Regel allerdings schwächer.

Man sollte dieses Jahr auch mit dem Kinderarzt sprechen, ob eine Grippeimpfung für Kinder oder Jugendliche sinnvoll ist. In der Regel geht man davon aus, dass deren Immunsystem so fit ist, dass es die Viren mühelos zerstört. Aber es gibt natürlich auch Kinder, die beispielsweise Lungenerkrankungen haben, wo man eine Impfung tatsächlich erwägen muss.

SWR Aktuell: Wie sieht es insgesamt in Deutschland aus, weil durch Kontaktbeschränkungen während der Corona-Pandemie das Immunsystem nicht mehr trainiert war. Ist das wieder besser geworden?

Zimmermann: Das Immunsystem trainiert natürlich immer, auch durch Lebensmittel beispielsweise. Da sind Keime und Erreger drin, die vom Immunsystem zerstört werden. Aber wir sind durch das Masketragen tatsächlich mit weniger Viren und Krankheitserregern in Kontakt gekommen. Dementsprechend ist unser Immunsystem nicht mehr so daran gewöhnt, gegen manche Erkältungs- und auch Grippeviren zu kämpfen. Gerade zirkulieren etwa 200 Erkältungsviren. Der Immunschutz baut sich ab, wenn der Körper nicht daran erinnert wird, dass diese Viren existieren.

Beim Grippevirus geht es darum, wie gut unser Immunsystem ist. Das heißt: wie schnell gelingt es dem Immunsystem, ein Virus, das es möglicherweise nicht oder nur in Teilen kennt, aus dem Verkehr zu ziehen, sodass wir nicht krank werden. Wichtig ist, dass wir nicht schwerwiegend erkranken. Das haben wir in Australien gesehen. Dort sind schwere Grippefälle aufgetreten. Ursache dafür ist, dass sich weniger Menschen gegen die Grippe haben impfen lassen. Das spüren wir auch bei uns in Deutschland, dass viele keine Lust mehr auf die ganzen Maßnahmen haben. Und genau das nutzen die Viren aus.

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