Ex-Ministerpräsident Beck: Bürgergeld-Kompromiss "vertretbar", Kritik an Merz

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Autor/in
Arne Wiechern

Der frühere rheinland-pfälzische Ministerpräsident Beck hat die Einigung zum Bürgergeld als „vertretbaren Kompromiss“ bezeichnet. In SWR Aktuell kritisierte der frühere SPD-Bundesvorsitzende allerdings das Verhalten der Opposition im Bundestag, insbesondere das von CDU-Chef Merz. Warum er Merz vorwirft, und wieso er die Reise von Bundesinnen- und -sportministerin Faeser zur Fußball-WM nach Katar für richtig hält, erklärt Beck im Gespräch mit SWR-Aktuell-Moderator Arne Wiechern.

SWR Aktuell: War das denn noch ein Kompromiss oder vielleicht schon eher Erpressung durch CDU und CSU?

Kurt Beck: Naja, der Ton, der angeschlagen worden ist, insbesondere von Herrn Merz, der lässt vermuten, dass es so eine Art Erpressung war. Aber in der Sache, muss ich sagen, ist es dennoch ein vertretbarer Kompromiss geworden.

SWR Aktuell: Andererseits: Wäre die SPD in der Opposition und hätte genug Stimmen im Bundesrat, würde sie das nicht auch ausnutzen, um ein Projekt zu verhindern, von dem sie ja nichts hält oder nicht wirklich überzeugt ist?

Beck: Das ist natürlich in der Demokratie ein legitimes Mittel, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Aber die Art der Argumentation hat mich gestört. Die Ärmsten der Armen gegen andere Arme auszuspielen, das ist nach meiner Einschätzung eher schäbig. Die Art der Argumentation ist, glaube ich, das Problem gewesen - nicht die Tatsache, dass man um einen Kompromiss ringt

SWR Aktuell: Nun sind ja Debatten in der Politik wirklich ganz normal, und die Institution Vermittlungsausschuss gibt es ja auch nicht ohne Grund. Wünschen Sie sich gerade in Krisenzeiten manchmal mehr Kompromissbereitschaft ohne wochenlange Streitigkeiten?

Beck: Ich glaube in der Tat, dass wir aufpassen müssen, dass die Politik nicht zu viel Vertrauen verspielt. Und wir haben ja nicht zuletzt auch durch die sogenannten sozialen Netzwerke, so einen Hyper-Verstärker für alles, was an Konflikten ganz natürlich ist in der Demokratie, so dass bei den Leuten ankommt: Es gibt nur noch Hader und Streit! Das wäre verheerend, denn wir brauchen gerade jetzt in diesen schwierigen Zeiten Vertrauen in die Politik - und die Lösung von Problemen.

SWR Aktuell: Birgt nicht eine Krise umgekehrt auch die Gefahr, dass eine Regierungspartei politische Gegner erpresst und sagt: „Wenn ihr dies oder das blockiert, dann macht ihr die Krise noch schlimmer“?

Beck: Das ist wirklich eine Abwägung, und da müssen sich alle in die Pflicht nehmen, ganz ohne Frage. Ich will das gar nicht einseitig verorten. Natürlich gehört Opposition, gehört Alternative zur Demokratie. Aber es gehört eben auch mit dazu, dass man die Art seiner Argumentation wägt. Und die Spiele bei RTLII, die dann besonders verwerfliche Formen von Faulheit und Ablehnung von Arbeit beinhalten…. so etwas dient nicht als Maßstab für die Menschen, die ihre Arbeit verlieren, die oft mehr als nur verzweifelt sind. Ich habe im Leben viele, viele Beispiele kennengelernt.  Und die Auseinandersetzung um die Schärfe solcher Sanktionen war mal der Grund für meinen Rücktritt als Parteivorsitzender.

SWR Aktuell: Kommen wir auf den Punkt Bürgergeld. Sie haben ja vorhin schon gesagt, der Kompromiss sei ganz vernünftig. Aber hat der Paritätische Wohlfahrtsverband nicht auch irgendwo recht, wenn Hauptgeschäftsführer Schneider sagt, dass die vermeintlich größte Sozialreform seit 20 Jahren zerbrösele, noch bevor der Vermittlungsausschuss überhaupt zusammengetreten ist?

Beck: Auch Schneiders zugespitzte Kommentare empfinde ich häufig als nicht hilfreich. Da geht es auch nach meiner Einschätzung sehr darum, selbst laut wahrgenommen zu werden. Die anderen der Wohlfahrtsverbände sind sehr viel differenzierter. Ich glaube, der große Vorzug, der jetzt in dieser Reform drinsteckt, ist in der Tat einer, der etwas mit Respekt zu tun hat. Respekt nämlich vor dem Willen der Menschen, für sich selbst zu sorgen. Und das ist bei 99 Prozent und mehr der Fall. Denen dann zu helfen, ihnen nicht kurzfristig irgendeine Arbeit anzubieten, sondern ihnen wirklich Weiterbildung, Fortbildung und Qualifizierung anzubieten, um sie dauerhaft wieder in Arbeit zu bringen - das ist der wirkliche Fortschritt.

SWR Aktuell: Eine Frage ganz abseits unseres eigentlichen Themas will ich ihnen als Politiker und Fußballfan jetzt noch stellen. Heute reist Innenministerin Faeser nach Katar, um beim WM-Spiel Deutschland gegen Japan dabei zu sein. Es ist ja insgesamt eine hochumstrittene WM. Ist das wirklich eine gute Idee, dass Frau Faeser dort nun bei diesem Spiel dabei ist?

Beck: Ich finde hinzugehen, zu argumentieren, die deutsche Position, gerade was Menschenrechte, angeht, dann auch als Person eben präsent zu halten, das ist kein Fehler. Nicht miteinander zu reden ist aus meiner Sicht immer falsch. Und ich würde auch dringend raten, dass wir nicht auf den DFB eindreschen, weil er in der schwierigen Lage ist, sondern dass wir in der Tat die wirklich Schuldigen in den Blick nehmen. Und das ist die FIFA.

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Arne Wiechern