Zahlreiche Strommasten reihen sich auf einem Feld. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Christoph Schmidt)

Politische Debatte in vollem Gang

Was ein Industriestrompreis unserer Wirtschaft bringen würde

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Katha Jansen
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Jutta Kaiser
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Andreas Reinhardt
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Die Energiepreise in Deutschland sind hoch - zu hoch, meinen die Befürworter eines Industriestrompreises. Worum es in der Debatte geht.

Politikerinnen und Politiker von SPD und Grünen fordern einen Industriestrompreis für energieintensive Unternehmen. Widerstand dagegen kommt von der FDP, aber auch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

Worum geht es bei der Debatte um den Industriestrompreis?

Im internationalen Vergleich hat Deutschland einen der höchsten Strompreise weltweit - übrigens für Verbraucher und die Industrie. Es gibt zwar auch Länder, in denen die Preise noch höher sind, zuletzt etwa in Italien oder Großbritannien. Trotzdem: Nach Zahlen des ifo Instituts kostet Industriestrom bei uns mehr als dreimal so viel wie in den USA.

Das liegt unter anderem daran, dass Deutschland aus einer sehr starken Abhängigkeit vom russischen Gas kommt, entsprechend haben uns die energetischen Folgen des Kriegs gegen die Ukraine besonders hart getroffen. Wir haben im Vergleich auch nicht viel eigene günstige Energie, da Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern wenig eigene Öl- oder Gasvorkommen hat. Auch Wasserkraft und Sonne können woanders besser genutzt werden - das drückt die Preise in diesen Ländern.

Und dann kommen noch CO2-Bepreisung, Steuern und Abgaben dazu - auch diese fallen international unterschiedlich hoch aus. Die vergleichsweise hohen Preise in Deutschland halten sich schon länger, aber diese großen Differenzen – also der Abstand zwischen den Nationen mit niedrigen Preisen und denen mit hohen, hat sich mit der Energiekrise extrem verschärft. Immer mehr Firmen sprechen laut darüber, dass sie mit energieintensiven Prozessen in Deutschland nicht wirtschaftlich arbeiten können.

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Was sind die Argumente für und gegen einen Industriestrompreis?

Die Befürworter eines Industriestrompreises argumentieren, damit könne man vermeiden, dass Industriebetriebe den Standort Deutschland verlassen. Teils denken offenbar große deutsche Konzerne darüber nach, die für die Wirtschaftsleistung in Deutschland gebraucht werden.

Wenn man sich jetzt aber ein Gesamtpaket für einen besseren Standort Deutschland vorstellt, dann könnte ein subventionierter Industriestrompreis für einen begrenzten Zeitraum eine Komponente sein. Neben Themen wie dem schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien, einer Reform des Strommarktes, Bürokratieabbau und Digitalisierung.

Die Gegner kritisieren, dass nach den Plänen vom Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nur besonders energieintensive Unternehmen profitieren sollen - das wären rund 2.500 Betriebe. Im Umkehrschluss würden also die meisten Unternehmen leer ausgehen, zum Beispiel der Mittelstand. Zudem könnte mit einem gedeckelten Strompreis eine Industrie unterstützt werden, die so nicht zukunftsfähig ist. Die Vorsitzende des Sachverständigenrats, die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer, sagte, das bremse den Strukturwandel, der dringend notwendig sei. Vier der fünf Wirtschaftsweisen lehnen einen Industriestrompreis ab.

Dazu kommt: Es besteht die Sorge, dass zukünftig Unternehmen, die den subventionierten Industriestrompreis zahlen, mehr Strom verbrauchen könnten. Dadurch könnte der Strompreis insgesamt steigen und dann müssten alle, die keinen subventionierten Preis bekommen, noch höhere Strompreise tragen.

Möglicher Nutzen für die Wirtschaft mit hohem Energieverbrauch?

Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Es gibt keine konkreten Informationen von den Unternehmen, wie viel Strom aus welchen Quellen sie verbrauchen und welchen Preis sie dafür zahlen. Der Strompreis setzt sich zudem aus mehreren unterschiedlichen Komponenten zusammen. Nehmen wir zunächst die Kosten für die Herstellung des Stroms.

Erzeugt ein Unternehmen den Strom selbst, könnte er günstiger sein als an der Strombörse in Leipzig, an der Strom gehandelt wird. Könnte, weil der selbst erzeugte Strom ja auch nicht kostenlos ist. Wird er aus Kohle erzeugt oder aus Gas, macht das einen preislichen Unterschied. Wer seinen Strom über einen Energieversorger einkauft, kann lang laufende Verträge haben mit einem günstigen Preis oder kürzer laufende mit höheren Preisen. Wer mehr Strom verbraucht, zahlt niedrigere Preise.

Es gibt also nicht den einen Strompreis, es gibt viele unterschiedliche, individuell ausgehandelte Strompreise. Das ist eine diffuse Gemengelage, bei der sich die Unternehmen nicht in die Karten schauen lassen. Wie teuer der Strom wirklich für ein Unternehmen ist, bleibt unklar und damit auch, wer wie viel von einem staatlich subventionierten Industriestrompreis profitieren würde.

Die Herstellungskosten für den Strom sind aber nur ein Punkt. Hinzu kommen Netzentgelte, Umlagen und Steuern, die den Strompreis erhöhen. Hier könnte die Bundesregierung gestaltend eingreifen und damit den Strompreis für alle senken. Denn selbst vor der Krise war der Strompreis bei uns verglichen mit anderen Ländern hoch. Wenn jetzt die energieintensive Industrie einen Kostendeckel für den Strompreis fordert, will sie damit vielleicht auch von dem hohen Preisniveau runter.

Ein Stahlarbeiter im ThyssenKrupp-Werk in Bochum steht vor einem glühenden sogenannten Stahlcoil, das etwa 1200 Grad heiß ist, und in der sogenannten Coilbox auf- und abgewickelt wird. (Foto: dpa Bildfunk, picture-alliance/ dpa | Rolf Vennenbernd)
Die Stahlindustrie gehört zu den energieintensivsten Branchen

Was bedeutet das für die Bürgerinnen und Bürger?

Die Industrie spricht immer von einem Wettbewerbsnachteil, weil der Strompreis hier so hoch ist, und droht damit, Produktionen ins Ausland zu verlagern. Tatsächlich geht es in einem Transformationsprozess gerade für die Industrie darum, die Abhängigkeit vom Gas zu verringern und weniger CO2 auszustoßen. Wenn bislang zum Beispiel eine Schmelzwanne bei der Stahlproduktion mit Gas geheizt wird, könnte die künftig mit Strom geheizt werden.

Das bedeutet, neue Produktionsanlagen verbrauchen dann mehr Strom und die Industrie wird sie eher dort errichten, wo der Strom günstig ist. Wenn das woanders ist, also nicht in Deutschland, dann könnte die Produktion dorthin wandern. Das heißt nicht, dass kurzfristig hier Produktionsanlagen dicht gemacht werden, sondern könnte langfristig bedeuten, dass wir weniger Industrie in Deutschland haben.

Weniger Industrie könnte bedeuten, dass es weniger Arbeitsplätze in Deutschland gibt. Damit würde weniger verdient und die Menschen könnten sich weniger leisten, weniger konsumieren. Damit würde dann der Staat auch weniger Steuern einnehmen. Das würden dann wieder alle merken, weil die staatlichen Leistungen zurückgefahren werden.

Fazit zu Industriestrompreis

Es gibt gute Argumente für einen befristeten, staatlich subventionierten Strompreis für die energieintensive Industrie in Deutschland. Kurzfristig könnte das helfen. Wie hoch der gedeckelte Strompreis sein soll, muss die Politik entscheiden. Hier wird immer wieder eine Spanne von vier bis sechs Cent pro Kilowattstunde genannt.

Langfristig könnte aber ein kompletter Umbau des Strommarktes in Deutschland der Industrie mehr nützen. Derzeit orientiert sich der Preis an der Strombörse an der teuersten Art der Erzeugung, das ist das sogenannte Merit-Order-Prinzip. Bei einer Reform des Stromhandels könnte sich der Preis dann eher nach der günstigeren Produktion durch erneuerbare Energien richten. Damit könnte der Strompreis für alle sinken, für die Industrie und für die Haushalte.

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