Die Psychologists of Future bieten Menschen bundesweit psychologische Hilfe an, denen die Klimakrise an die Substanz geht. (Foto: SWR, Gabi Krings)

Panikattacken und Depressionen

Freiburger "Psychologists for Future" helfen bei Klimaangst

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Gabi Krings

Ungebremst rast die Welt auf die Klimakatastrophe zu. Bereits 2026 könnte die 1,5-Grad-Schwelle überschritten sein. Um hier nicht zu verzweifeln, braucht es bisweilen psychologische Hilfe.

Seit einigen Jahren engagiert sich Annika Kirschke aus Schallstadt (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) in der Klimabewegung. Doch je mehr sie sich mit den wissenschaftlichen Beweisen für die Klimakatastrophe auseinandersetzte, desto deprimierter wurde die Musikpädagogin. Trotz der vielen Hiobsbotschaften sah sie kaum ein Umsteuern in der Gesellschaft. Für sie war das ein schlimmes Gefühl.

"Alle anderen können die Klimakrise wegschieben oder es interessiert sie nicht. Ich habe gedacht, das kann doch nicht wahr sein, dass das nicht alle so niederschmettert wie mich."

Klimaangst als inneres Dilemma

Annika Kirschke fragte sich oft, wie sie mit ihrer Niedergeschlagenheit umgehen solle. Was solle sie gegen die quälenden Gedanken tun, die sie unweigerlich beherrschten, sobald sie sich mit der Zukunft beschäftigte? Ein innerer Konflikt, den die Mutter größtenteils mit sich selbst austrug. Schließlich ging es darum, das Privat- und Familienleben nicht allzusehr damit zu belasten.

"Ich kann ja mein Umfeld und meine Familie nicht ständig als Prophetin damit tyrannisieren.“

Von Depression bis hin zu traumatischen Zuständen

Astrid Kerner von "Psychologists for Future" in Freiburg unterstützt klimasensible Menschen wie Annika Kirschke. Die Symptome seien vielfältig. Manche würden auf die Klimakrise mit Ängsten reagieren, andere mit Ohnmacht. Oder sie fühlten sich aufgeliefert und hoffnungslos, so die Psychologin. Das könne dann auch Depressionen hervorrufen, vereinzelt sogar Zustände, die an eine posttraumatische Belastungsstörung erinnern. Vor allem Menschen aus der Klimabewegung würden nicht selten unter einer Art Burn-Out leiden. Wichtig sei es, betont Kerner, die Klimaangst nicht zu pathologisieren.

"Die Klimaangst und ihre Symptome sind nichts Krankhaftes, sondern es sind angemessene Reaktionen auf eine Katastrophe, die auf die Menschheit zurollt."

Die Psychotherapeutin Astrid Kerner von Psychologists of Future Freiburg berät Menschen mit Klimaangst. (Foto: SWR, Gabi Krings)
Die Psychotherapeutin Astrid Kerner von "Psychologists of Future" in Freiburg berät Menschen mit Klimaangst.

Kaum wissenschaftliche Erkenntnisse zur Klimaangst

Klimaangst sei in der Psychologie noch ein relativ neues und unerforschtes Gebiet, so Astrid Kerner, die betroffene Patientinnen und Patienten behandelt. Teilweise greift sie dabei auch Methoden aus der Trauma-Therapie auf. Ziemlich genau mit Beginn des Ukrainekriegs und der Gefahr eines dritten Weltkriegs und einer atomaren Eskalation sei die Nachfrage nach klimasensibler Behandlung allerdings eingebrochen, berichtet die Psychotherapeutin. Doch das könnte auch die "Ruhe vor dem Sturm" sein. Viele Menschen seien angesichts multipler Katastrophen aktuell in einer Art Schockzustand. Die rund zwei Dutzend Mitglieder von "Psychologists for Future" in Freiburg rechnen damit, dass es bald wieder mehr Andrang geben könnte. Sie halten ihre Angebote für klimasensible Menschen - ein offenes Gesprächscafé, Einzel- und Gruppengespräche sowie Therapien - weiterhin aufrecht. Es sei wichtig, über die Gefühle, die durch die Klimakrise hervorgerufen werden, reden zu können.

"Das ist wie ein Überwältigtsein von all den globalen Krisen. Ein Erstarrungszustand, der Zeit braucht sich wieder zu lösen. Deshalb halten wir uns bereit.“

Zuversicht statt Weltuntergangsstimmung

Auch Annika Kirschke aus Schallstadt war in einer Beratung. Sie hat nun einen Weg gefunden, mit ihrer Klimaangst umzugehen. Gegen die Weltuntergangsstimmung helfen ihr Spaziergänge in der Natur oder ehrenamtliches Engagement mit Gleichgesinnten in der Nachbarschaft. Allerdings sei es "ein ganz schmaler Grad, sich einerseits zu engagieren und sich dem auszusetzen und gleichzeitig stabil und lebensfroh zu bleiben". Doch die Mutter findet, dass sie eine Verantwortung gegenüber der zukünftigen Generation habe und Resignieren deshalb keine Option sei.

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