Vor einem Kirchendach mit einem Kreuz darauf liest man das Wort "Kommentar". (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Friso Gentsch)

Bischöfe entschieden jahrzehntelang nach Gutdünken

Kommentar zum Missbrauchsbericht im Erzbistum Freiburg: Vertuschen, verschweigen, versetzen

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Hans Michael Ehl, SWR-Redaktion Religion, Migration und Gesellschaft

Über Jahrzehnte hinweg regelten Verantwortliche Fälle an staatlichen Stellen vorbei. Sie hielten auch eigene kirchliche Vorgaben nicht ein - kommentiert SWR-Redakteur Hans Michael Ehl.

Skandalös, menschenverachtend, selbstherrlich - es fehlen treffende Vokabeln, um den Umgang von Verantwortlichen im Erzbistum Freiburg mit Fällen sexualisierter Gewalt durch Priester zu beschreiben. Über Jahrzehnte entscheiden zwei Männer im Wesentlichen nach eigenem Gutdünken und basteln sich ihr eigenes Recht zusammen: der 2008 verstorbene Erzbischof Oskar Saier und sein Personalchef Robert Zollitsch, der später selbst Erzbischof wurde und sogar Vorsitzender der katholischen Bischofskonferenz.

Vertuschungssystem Zollitsch ignorierte eigenes Kirchenrecht

Den Ruf der Kirche in der Öffentlichkeit unter allen Umständen zu schützen, war oberstes Ziel. Dabei wurden nicht nur staatliche Ermittlungsbehörden völlig rausgehalten. Selbst eigene kirchenrechtliche Vorgaben wurden schlicht ignoriert: Weder weltliches noch kirchliches Recht spielten im "Vertuschungssystem" eines Robert Zollitsch eine Rolle.

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Regeln im Umgang mit Missbrauch waren Papier nicht wert

Über Jahrzehnte wurde nicht ein einziger Fall an den Vatikan gemeldet, obwohl das kirchenrechtlich vorgeschrieben war. Zollitsch war als Vorsitzender der Bischofskonferenz für die Erstellung neuer Regeln im Umgang mit Missbrauch zuständig - gehalten hat er sich an diese nie! Da stimmt die Einschätzung von Betroffenen, dass die Regeln nicht das Papier wert waren, auf dem sie geschrieben wurden. Nach eigenem Gutdünken wurden sogar Priester weiter beschäftigt oder in den Ruhestand versetzt, die vor weltlichen Gerichten verurteilt worden waren.

Amtsautorität genutzt, um perverse Phantasien auszuleben

Eine Kontrolle von eventuellen Auflagen wie Therapien war nicht vorgesehen. Man wusste nicht nur von den Taten, Straftäter wurden gedeckt und neue Straftaten durch Versetzung in andere Kirchengemeinden erst ermöglicht. Perverse Männer nutzten ihre Amtsautorität, um ihre Phantasien auszuleben. Und in der Regel konnten sie sich auf die schützende Hand der Verantwortlichen in der Freiburger Kirchenzentrale verlassen. Ihnen würde nichts passieren.

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Selbstherrliche Arroganz: Leben durch Missbrauch zerstört

Dieses Vertuschungssystem gipfelte in einer selbstherrlichen Ignoranz gegenüber jungen Menschen und ihren Familien, deren Leben durch den Missbrauch zerstört wurde. In der Regel wurden sie nicht einmal angehört. Wenn es überhaupt eine Reaktion gab, dann wurde ihr Leid bagatellisiert oder sie wurden gleich der Lüge bezichtigt und unter Druck gesetzt, nicht an die Öffentlichkeit zu gehen.

Mit dem Freiburger Bericht wird ein weiteres Mal deutlich: Die Aufarbeitung von sexueller Gewalt darf nicht den Kirchen selbst überlassen werden. In Freiburg führte das dazu, dass einzelne Kirchenmänner für sich entschieden, wie mit Menschen umgegangen wird. Und klar macht der Bericht auch: Nicht der Schutz einer Institution muss im Vordergrund stehen, sondern der Schutz von Kindern und Jugendlichen.

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