Am Rhein auf Höhe des Naturschutzgebiets Taubergießen nähert sich ein großes Renaturierungsprojekt allmählich der Bauphase. Geplant sind unter anderem zwei Fischtreppen, die Rückverlegung des befestigten Rheinufers und die Absenkung eines Treidelpfads. Ist das alles mal fertig, sollen Fische von hier aus bis ins Gewässersystem Elz/Dreisam und in den Leopoldskanal schwimmen können.

Wenn es im Sommer heiß wird im Naturschutzgebiet Taubergießen und auf der französischen Île de Rhinau, dann gibt es versteckt im Auwald immer noch Orte, an denen frisches kühles Wasser fließt: in den sogenannten Gießen, in denen Grundwasser aus dem Untergrund hochdrückt. Für Fische sind sie in Hitzesommern wichtige Rückzugsorte. Doch bisher sind diese natürlichen Unterwasser-Kühlräume nicht immer gut erreichbar. Die Wasserwege in der Aue sind nicht ausreichend vernetzt. Das ist eines der Probleme, die Expertinnen und Experten beim Projekt "Rhinaissance 2.0" ausgemacht haben und jetzt angehen möchten.
Rheinufer wird neu modelliert
"Rhinassance 2.0" ist ein Interreg-Projekt, mit einem Budget vom mehr als fünf Millionen Euro. Rund drei Millionen Euro davon kommen von der EU. Mit dem Geld soll kräftig umgestaltet werden. Neben dem Naturschutzgebiet Taubergießen soll vor allem eine Insel zwischen dem Fluss und dem parallel verlaufenden Rhein-Schifffahrtskanal profitieren: die Île de Rhinau auf französischem Gebiet. Insgesamt geht es um 1.650 Hektar Fläche - teils Naturschutzgebiete der Klasse Natura2000 und Schutzgebiete nach der Ramsar-Konvention.
Der Rhein wird dort bisher von mehreren Wehren unterbrochen. Teilweise gibt es Fischaufstiegshilfen, die aber nicht bei jedem Wasserstand passierbar sind. Das Ufer steigt recht steil an bis zu einem Treidelpfad, der auf einem kleinen Damm wenige Meter vom Fluss entfernt verläuft. Künftig soll sich das Landschaftsbild hier ändern. Ufer sollen zurückgebaut und der Treidelpfad tiefergelegt werden, wie Projektleiterin Nadia Lutzwiller erklärt: "Man schafft mehr Raum in Wassernähe, um den Arten wieder auentypische Plätze zur Verfügung zu stellen."
Neue Fischtreppen seit Jahrzehnten Thema
Zwei neue Fischaufstiege sollen zwei der drei großen Schwellen im Gebiet für Fische besser passierbar machen. Im Juni soll es dafür die Ausschreibungen geben. Bis Ende kommenden Jahres soll fertig gebaut sein.
"Seit Jahrzehnten war klar, dass diese Schwellen durchgängig gemacht werden müssen, aber es war nie klar, wie", so Britta-Antje Behm vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg bei der Vorstellung des Projekts. Nach vielen Gesprächen und mit den Finanzierungsmöglichkeiten durch Interreg sei man jetzt auf einem guten Weg.
"Wir haben hier eine Dringlichkeit. Es ist kein Projekt 'nice to have'", sagt auch Bettina Saier, Leiterin der Ökologischen Station Taubergießen.
Status Quo wird beim Umbau zerstört
Für den zweiten Teil von "Rhinaissance 2.0" laufen aktuell noch Untersuchungen. Er umfasst die Tieferlegung des Treidelpfads, einfache Uferrenaturierungen, Uferrückverlegung und neue Anbindungen innerhalb des Gewässernetzes. Bevor es hier ans Umbauen geht, untersuchen Auenspezialisten den Ist-Zustand und stellen Prognosen an, welche Arten sich künftig ansiedeln könnten.
Wenn wir eingreifen, zerstören wir den Status Quo, und wir müssen nachweisen, dass das, was entsteht, die größere Biodiversität hat", so Auenspezialist Volker Späth.
Auenspezialist Volker Späth aus Rastatt (Landkreis Rastatt) und ein Team aus Hydrogeologen führen aktuell verschiedene Untersuchungen im Gelände durch. Bis Dezember 2026 soll dann eine detaillierte Planung für die Umgestaltung der Aue vorliegen. Wann die Unterwasser-Kühlräume der Aue für Fische besser erreichbar sein werden, das können die Expertinnen und Experten jetzt noch nicht genau sagen.