Nicole Eschbach bespricht sich mit ihrem Arzt Goran Marjanovic von der Uniklinik Freiburg.   (Foto: SWR, SWR)

Wegovy und Ozempic

Hype um Abnehmspritze: Wann zahlt die Kasse?

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Nadine Zeller
Nadine Zeller (Foto: Privat)

Neue Medikamente in Spritzenform helfen übergewichtigen Menschen abzunehmen. Doch Nicht-Diabetiker müssen die Kosten selbst übernehmen.

Einfach einmal pro Woche ein Abnehmmittel in die Bauchdecke spritzen und schon schmelzen die Pfunde dahin. Nachdem sogenannte Abnehmspritzen schon Promis wie Elon Musk geholfen haben, ist in den sozialen Netzwerken ein regelrechter Hype ausgebrochen. Doch der führt jetzt in Deutschland zu Engpässen.

145 Kilo wog sie vor dem Magen-Bypass und der Abnehmspritze

Nicole Eschbach aus Wehr (Kreis Waldshut) sitzt auf einer großen braunen Stute und trabt über den Reitplatz. Mehrmals die Woche besucht die schlanke Frau den Ponyhof in Rheinfelden (Kreis Lörrach), um zu reiten. Vor fünf Jahren war das noch nicht möglich. Denn damals wog die 50-jährige Mutter zweier Kinder noch 145 Kilo.

Damals hab ich mich geschämt und mich zu Hause verkrochen.

Der Gedanke an diese Zeit schmerzt sie. Sie habe sich damals geschämt und nicht öffentlich zeigen wollen. Vor allem aber schmerzt sie die Erinnerung an die Zeit, weil sie gerne eine aktivere Mutter gewesen wäre. "Ich habe mir ziemlich viel mit meinen Kindern verbaut, weil ich mich selbst geschämt habe. Für mein Übergewicht", sagt Eschbach. Sie ist berufstätig und arbeitet als Alltagsbetreuerin in einem Seniorenzentrum.

Zwischenzeitlich hat sie die Hälfte ihres Körpergewichts verloren

Erst nach 20 Jahren erfolgloser Diätodyssee hat Nicole Eschbach sich Hilfe geholt. Dank einer Magen-Bypass-Operation und der Abnehmspritze von Ozempic hat sie es geschafft 75 Kilo abzunehmen. Seit sie so viel Gewicht verloren hat, traut sie sich wieder raus, bewegt sich viel und hat ihre Ernährung komplett umgestellt. Das verdankt sie auch der Wirkung der aktuell stark gehypten Abnehmspritze. So übergewichtig wie früher will sie nicht mehr werden. Damals sei sie auch schon ganz anderes behandelt worden, erzählt sie.

Ich merke einen krassen Unterschied wie ich mit 140 Kilo behandelt wurde und wie die Menschen mir jetzt begegnen. Aber ich habe mittlerweile auch ein ganz anderes Auftreten.

Nicole Eschbach trifft sich mit ihrem Arzt Goran Marjanovic. Der Oberarzt und Leiter der Metabolischen Chirurgie, arbeitet für die Uniklinik Freiburg auf dem Campus Bad Krozingen. Mit ihm will Eschbach heute besprechen, ob sie die Abnehmspritze weiter verschrieben bekommt.

Menschen mit Diabetes Typ 2 bekommen die Kosten erstattet

Seit es einen regelrechten Hype um die Medikamente gibt, sind diese stark umkämpft. Menschen mit Diabetes Typ 2 bekommen sie von der Krankenkasse bezahlt. Doch adipöse Menschen, Nicht-Diabetiker haben es da schwerer.

Der Wirkstoff senkt das Hungergefühl

Sie bekommen das Rezept zwar bei entsprechender Indikation verschrieben, aber nicht von den Krankenkassen bezahlt. Ursprünglich wurden Wirkstoffe wie Semaglutid, die sowohl in Ozempic als auch in Wegovy enthalten sind, zur Behandlung von Diabetes Typ 2 entwickelt. Semaglutid imitiert ein natürliches Hormon des menschlichen Körpers, was das Hungergefühl nach dem Essen senkt und den Stoffwechsel belebt. Das Resultat: Der Hunger verschwindet.

Die Abnehmspritzen helfen auch gegen die unerwünschten Folgen von Magenverkleinerungen

Doch Semaglutid wirkt noch anderweitig auf den Körper: Nicole Eschbach braucht die Abnehmspritze nicht mehr um abzunehmen, sondern wegen ihres sogenannten Dumpingsyndroms – eine krankhaft beschleunigte Magenentleerung, die oft nach Magenoperationen auftritt. Wer sich operativ einen Magen-Bypass oder Schlauchmagen herstellen lassen hat, um Gewicht zu verlieren, sieht sich häufig mit den typischen Beschwerden eines Dumping-Syndroms konfrontiert - beispielsweise Schwindel, Schwäche oder Verwirrtheit.

Bekommt Nicole Eschbach das Rezept für die Abnehmspritze?

Ihr Arzt Goran Marjanovic kennt dieses Phänomen nur zu gut. Als Leiter der Metabolischen Chirurgie hat er oft Patienten nach einer Magenverkleinerung vor sich. Er verschreibt Nicole Eschbach das Rezept ohne zu Zögern. Er sieht Adipositas als eigenständige Erkrankung, betroffene Patienten müssten auch behandelt werden. Doch hätte sie es damals auch bekommen, um abzunehmen? Immerhin leidet Nicole Eschbach nicht unter Diabetes Typ 2 und bekommt die Abnehmspritze nicht von der Krankenkasse bezahlt.

Adipositas ist eine eigenständige Erkrankung, die auch deutliche Folgen hat. Die Patienten müssen auch behandelt werden, da kann man nicht sagen, das ist jetzt mehr wert oder weniger wert als Diabetes Typ 2 – sondern da ist es gleich wert.

Dennoch kann der Oberarzt die Krankenkassen verstehen, wenn sie die Abnehmwirkstoffe für adipöse Menschen ohne Diabetes nicht zahlen. "Fast die Hälfte der Deutschen ist übergewichtig, wenn das jetzt alle erstattet bekommen, dann fehlt das Geld bei anderen medizinischen Mitteln", sagt er.

80 Euro kostet eine Spritze von Ozempic

Nicole Eschbach ist dennoch froh – ihr Arzt verschreibt ihr ein neues Rezept für die Abnehmspritze Ozempic. 80 Euro kostet diese und reicht je nach Dosierung ein bis zwei Monate in ihrem Fall. Solange ist sie auch haltbar. Bezahlen muss sie sie selbst. Einmal pro Woche spritzt sie sich den Wirkstoff in die Bauchdecke. Dass immer mehr Abnehm-Medikamente auf den Markt kommen, beruhigt sie. Doch auf deren Wirkung allein ist kein Verlass, das weiß sie. Sie weiß, dass sie auf sich Acht geben muss, dass sie sich, eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung nicht vernachlässigen darf.

Ich bin trockene Adipöse. Also ich muss nach wie vor auf mich sehr achtgeben. Meine Psyche, meine Ernährung, meine Bewegung. Damit ich langfristigen Erfolg hab.

Die Abnehmspritze hilft Menschen wie Nicole Eschbach gesund zu bleiben. Doch ihr Rezept hat ihr in der vergangenen Woche dennoch nicht geholfen. Aktuell kommt es überall zu Lieferengpässen und die Apotheken geben die Medikamente vor allem an Diabetiker aus. Nicole Eschbach muss also geduldig sein.

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