Ein Pfleger hält in einem Pflegeheim die Hand einer Bewohnerin. Bewohner und Mitarbeitende sollen in einem neuen Pflegeheim vor Diskriminierung geschützt werden. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Oliver Berg)

Ohne Diskriminierung alt werden

In Stuttgart öffnet ein Pflegeheim für queere Menschen

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Martin Rottach
Reporter Martin Rottach (Foto: SWR)

In Stuttgart wird ein besonderes Seniorenheim eröffnet. Schwule, Lesben, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen sollen hier ohne Diskriminierung alt werden können. Ein bis jetzt einmaliges Projekt.

In Stuttgart-Plieningen wurde am Montag in einem symbolischen Akt der Schlüssel für das erste LSBTIQ*-freundliche Pflegeheim in der Region Stuttgart übergeben.

Die Paritätischen Sozialdienste wollen ein Zeichen setzen

Ohne Diskriminierung leben und alt werden können - Das steht im Mittelpunkt des Seniorenheims Steckfeld in Stuttgart-Plieningen, so Frank Ullrich, Geschäftsführer der Paritätischen Sozialdienste in Stuttgart. LSBTIQ*-freundlich, das hat sich das Pflegeheim auf die Fahnen geschrieben und möchte so ein Vorreiter sein in Sachen Toleranz und Weltoffenheit, sagt Ulrich: "Wir versuchen, proaktiv sichtbar zu werden mit dem Thema, sodass sich Mitarbeitende und Bewohnerinnen und Bewohner für unsere Einrichtung entscheiden."

Die Sozialdienste wollten ein Zeichen setzen und sich nicht vor Gegenwind fürchten. Andere Einrichtungen würden sich vor so einem Schritt fürchten, da in der Gesellschaft immer noch viele kritisch gegenüber queeren Menschen seien.

Viele Einrichtungen trauen sich nicht, mit dem Thema sichtbar zu werden.

Pflege für queere Menschen im Alter: Der Bedarf ist da

Die Eröffnung des Pflegeheims wird vor allem mit einer symbolischen Schlüsselübergabe gefeiert. Mit dabei sind neben Frank Ulrich unter anderem auch die Sozialbürgermeisterin der Stadt Stuttgart, Alexandra Sußmann, und das gesamte Kernteam der neuen Mitarbeitenden. Sie alle sind besonders geschult und informiert hinsichtlich der Besonderheiten des Zentrums. Sowohl die Mitarbeitenden und auch die Bewohner werden sich bewusst für diese Arbeitsstelle oder den Heimplatz bewerben, wenn sie wissen, was sie hier erwartet, so Ulrich von den Paritätischen Sozialdiensten. "Hier kann ich vielleicht das Foto der verstorbenen Partnerin oder Partners auf den Nachttisch stellen, ohne Sorge zu haben, dass das jemand anstößig findet."

Man muss sich hier nicht zwingend outen, das ist nicht das Thema, sondern hier weiß man, hier kann ich diskriminierungsfrei leben.

Egal, welche sexuelle Identität: Jede und jeder ist willkommen

Schon diese Woche zieht der erste Bewohner ein. Welche sexuelle Identität dieser hat, wisse er nicht und das sei ihm auch egal. Willkommen ist jede und jeder, betont er. Sie seien kein Schwerpunktzentrum für queere Menschen, sondern ein Zentrum der Vielfalt und das Spiegelbild einer bunten Gesellschaft. Es ginge auch nicht darum, durch eine Art Marketing-Gag die Menschen zu bewegen, hier einzuziehen, so Ulrich weiter. Sondern der Bedarf sei einfach da, denn natürlich fragen sich auch queere Menschen, wie sie sensibel und sicher im Alter versorgt sein können.

Die Schlangen auf der Liste sind laut Ulrich lang, das Haus werde sicher schnell belegt sein. "Wir wollen hier ein diskriminierungsfreies Leben ermöglichen, und das gilt sowohl für Bewohner als auch für Mitarbeitende." Preislich liegt das neue Pflegeheim auf einer Ebene mit anderen, vergleichbaren Heimen, heißt es.

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