Zwei Polizisten sind von hinten zu sehen (Symbolbild) (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/Silas Stein/dpa)

Polizei in BW im Fokus

Wegen verweigerter Teilnahme an Studie: Debatte zwischen Politik und Polizeigewerkschaft entbrennt

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Die Polizei in BW boykottiert eine Studie zu Erfahrungen von Beamten im Dienst. Ministerpräsident Kretschmann will das ändern. Die Polizeigewerkschaft hält mit deutlichen Worten dagegen.

Weil die Polizei in Baden-Württemberg eine bundesweite Studie zu Erfahrungen und Einstellungen von Polizeibeamtinnen und -beamten boykottiert, hat das eine Debatte zwischen Landespolitik und Polizeigewerkschaft ausgelöst. Während Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) anzweifelt, ob der Personalrat der Polizei - wie geschehen - überhaupt sein Veto einlegen könne, hält die Deutsche Polizeigewerkschaft entschieden dagegen.

Gewerkschaftschef der Polizei zweifelt an Unabhängigkeit der Studie

Der Hauptpersonalrat sei nicht dazu da, den Willen der Politik zu exekutieren, sagte Gewerkschaftschef Rainer Wendt der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Im Übrigen gebe es große Zweifel an der Unabhängigkeit der Studie der Deutschen Hochschule für Polizei in Münster, die den Namen "Motivation, Einstellung und Gewalt im Alltag von Polizeivollzugsbeamten" trägt.

"Die Polizei hat die Nase gestrichen voll von diesen ganzen Rassismus-Studien, die nichts anderes als den Zweck verfolgen, die ohnehin bei vielen vorhandene Auffassung zu bestätigen, das die Polizei eine rassistische Schlägerbande sei."

Ministerpräsident Kretschmann hatte sich zuvor klar für die Durchführung der Studie ausgesprochen. "Wir wollen, dass diese Studie gemacht wird. Wir müssen uns nur mal anschauen, ob das ein Personalrat verhindern kann. Ich will offen sagen: Das kann ich mir schwer vorstellen", sagte Kretschmann.

Auch Innenministerium und Landespolizeipräsidentin für die Studie

All dem vorausgegangen war ein Veto des Hauptpersonalrats der baden-württembergischen Polizei. Durch dieses wurde verhindert, dass Online-Fragebogen der Deutschen Polizeihochschule in Münster an Dienststellen im Land verteilt werden. Und das, obwohl das Innenministerium und Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz für eine Teilnahme geworben hatten.

Hinz sagte, man wolle Erkenntnisse zu folgenden Fragen gewinnen: "Was motiviert, zur Polizei zu gehen? Wie prägt der vielfältige aber auch herausfordernde Polizeiberuf die Polizistinnen und Polizisten? Wie gehen sie mit der Belastung um?" Diese Fragen zu klären, sei im Sinne der Beamtinnen und Beamten. Die Polizei befinde sich im Wandel. Daher halte sie die Studie weiter für sinnvoll, um auch die Frage zu klären, ob man noch richtig aufgestellt sei.

Ursprünglich ging es um Rassismus bei der Polizei

Die Studie geht auf Ex-Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zurück, der damit auf Forderungen reagierte, möglichen Rassismus und Rechtslastigkeit in der Polizei zu untersuchen. Die Untersuchung wurde dann aber deutlich breiter angelegt. Alle Innenministerinnen und Innenminister der Länder unterstützen das Forschungsprojekt.

Die Frage ist, ob die Spitzen der grün-schwarzen Koalition in Baden-Württemberg die Studie nun gegen den Willen des Personalvertretung durchführen lassen wollen. Dem Vernehmen nach wollte Polizeipräsidentin Hinz diese unbedingt einbinden, um die Akzeptanz unter den Beschäftigten zu erhöhen. Ein echtes Mitbestimmungsrecht habe der Hauptpersonalrat aber nicht. Die Teilnahme an der Umfrage wäre für alle Beamtinnen und Beamten freiwillig gewesen.

FDP-Innenexpertin: "Strobl hat Vertrauen der Basis völlig verloren"

Die FDP-Innenexpertin Julia Goll sieht in dem Veto ein Zeichen, "dass Strobl das Vertrauen der Basis völlig verloren hat". Es gebe offenbar großes Misstrauen gegenüber allem, was aus dem Ministerium kommt - "dabei wäre der Inhalt der Studie auch aus unserer Sicht durchaus unterstützenswert, kann er doch dabei helfen, Pauschalverurteilungen der Polizei entgegenzutreten".

Oliver Hildenbrand, Innenexperte der Grünen, sagte dagegen der dpa: "Die Verweigerungshaltung des Hauptpersonalrats ist irritierend und unverständlich." Die Grünen unterstützten die Bemühungen des Ministeriums, den Hauptpersonalrat davon zu überzeugen, "dass dies weder die richtige Haltung noch der richtige Weg ist". Es gehe darum, das Vertrauensverhältnis zwischen Bürgerschaft und Polizei weiter zu stärken.

Polizeihochschule von Verhalten überrascht

Bei der Hochschule der Polizei hieß es auf Nachfrage, man sei von der Absage durch den Hauptpersonalrat nach einem halben Jahr überrascht worden. "Wir bedauern, dass wir nicht gefragt worden sind", sagte Jochen Wittenberg, Mitautor der Studie "Motivation, Einstellung und Gewalt im Alltag von Polizeivollzugsbeamten", der dpa.

In fast allen Ländern sei die Befragung abgeschlossen, in Nordrhein-Westfalen und bei der Bundespolizei soll sie im Juli enden, sagte Wittenberg von der Polizeihochschule. Berlin werde etwas später nachliefern. Neben Baden-Württemberg sei nur Hamburg ausgeschert, wo sich ebenfalls der Hauptpersonalrat gegen die bundesweite Studie ausgesprochen hatte. Hier soll es eine eigene Untersuchung geben.

Gewerkschaftschef Wendt sieht niedrige Akzeptanz der Studie

Gewerkschaftschef Wendt sagte, die Tatsache, dass außer Baden-Württemberg und Hamburg alle Länder bei der Studie mitmachten, sage nichts über die Akzeptanz bei der Polizei aus. Denn in vielen Ländern sei der Hauptpersonalrat nicht nach seiner Zustimmung gefragt worden. "Man hätte aber überall fragen müssen", sagte Wendt. An der geringen Rücklaufquote der Fragebogen erkenne man, dass die Akzeptanz sehr niedrig sei. Bundesweit machten nach seinen Informationen gut 20 Prozent mit, in Bayern liege die Quote aber zum Beispiel bei nur zwei bis drei Prozent. "Viele Polizisten erkennen die Absicht, die dahinter steckt."

Teilnahme der BW-Polizei weiterhin möglich

Wittenberg geht davon aus, dass die Ergebnisse der großen Studie bei der nächsten Konferenz der Innenminister Ende November vorgestellt werden soll. Es gebe weiterhin die Möglichkeit, dass sich die Polizei in Baden-Württemberg beteilige, die Ergebnisse würden dann eben später hinzugefügt.

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SWR