In der Nacht zum Freitag haben sich Vertreter der Gewerkschaft IG Metall mit den Arbeitgebern auf einen Tarifabschluss für die Metallbranche geeinigt. Gegen 3 Uhr in der Früh soll es so weit gewesen sein. Die Beschäftigten erhalten in den kommenden beiden Jahren jeweils eine Lohnerhöhung: in Höhe von 5,2 Prozent und 3,3 Prozent ab Mai 2024. Zusätzlich gibt es einmalig 3.000 Euro steuerfrei.
Das Ergebnis sei angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Situation für einige Betriebe sicher schmerzhaft, sagte Harald Marquardt, der die Verhandlungen für die Unternehmerseite führte.
Gewerkschaft wollte Inflationsausgleich
Nach Einschätzung der Gewerkschaft verdient die Mehrheit der Unternehmen weiterhin gut. Das Ergebnis nannte der IG-Metallchef Roman Zitzelsberger "einen akzeptablen Kompromiss". Die Gewerkschaft hatte in der Tarifrunde 8 Prozent mehr Lohn für die Beschäftigten gefordert, um die aktuell hohe Inflation auszugleichen.
Zitzelsberger: IG-Metall-Bundesvorsitz derzeit kein Thema
Dass er den Abschluss in der Metall- und Elektrobranche in Baden-Württemberg ausgehandelt hat, will IG-Metall-Bezirksleiter Roman Zitzelsberger aber nicht als Bewerbung für den Posten als Bundeschef der Gewerkschaft verstanden wissen. Zitzelsberger wird als möglicher Nachfolger von IG-Metall-Bundeschef Jörg Hofmann auf dem 2023 anstehenden Gewerkschaftstag gehandelt. Bis dahin will der Bezirksleiter sich zurückhalten: "Der erste Vorsitzende der IG Metall wird zur gegebenen Zeit einen Vorschlag machen. Und bis dahin werden Sie zu dieser Frage von Roman Zitzelsberger definitiv nichts hören."
Verhandlungen bis in den frühen Morgen Einigung im Tarifstreit der Metall- und Elektroindustrie
Die ganze Nacht hindurch zogen sich die Tarifverhandlungen zwischen der IG Metall und dem Arbeitgeberverband Südwestmetall. Nun gibt es eine Einigung.
Mit dem Verhandlungsergebnis können die Arbeitgeber laut Gesamtmetallchef Stefan Wolf leben. "Der Abschluss ist sehr teuer, aber er ist ein Vorschuss auf die Zeit, die kommen wird", sagte Wolf im Deutschlandfunk-Interview am Freitagmorgen. "Denn wir werden nächstes Jahr eine Rezession haben, aber danach wird es wieder nach oben gehen." Deswegen habe er nach dem Abschluss auch eine Übernahmeempfehlung für die anderen Tarifbezirke unterschrieben.
Gesamtmetallchef: Geopolitik stärker berücksichtigen
Von den Banken erwartet der Gesamtmetallchef demnach die Bereitschaft, die Transformation der deutschen Wirtschaft mitzutragen. Denn nur so könne Deutschland Industrieland bleiben. An die deutschen Unternehmen appellierte Wolf, bei Investitions- und Standortentscheidungen geopolitische Themen in Zukunft viel stärker mit in ihr Kalkül einzubeziehen.
Kritik an Streikdrohungen
Kritik kam von den Arbeitgebern allerdings in Bezug auf die Streikdrohungen der IG Metall. "Diese Androhung, nur in Baden-Württemberg eine Urabstimmung zu machen und in den übrigen Regionen nicht, halte ich für einen ganz schwierigen Vorgang", sagte Südwestmetall-Hauptgeschäftsführer Peer-Michael Dick am Freitag. Eigentlich gehe er davon aus, dass die verhandlungsführende Region nicht mehr rangenommen werde als andere Regionen.
IG-Metall-Bundeschef Jörg Hofmann hatte vorab im Falle eines Scheiterns der Gespräche am Freitag unter anderem mit Urabstimmungen und Flächenstreiks in einzelnen Regionen gedroht, darunter auch Baden-Württemberg.
Insgesamt ist das Verhandlungsergebnis laut Dick für die Unternehmen - bis auf wenige Ausnahmen - gerade noch so erträglich. "Das ist schon unglaublich viel, was wir hier vereinbart haben, angesichts der unsicheren Aussichten für 2023 und den offenen Aussichten für 2024." Dick stellte heraus, dass die Unternehmen die Auszahlung der steuerfreien Inflationsprämie von 3000 Euro variabel schieben und damit die Jahresbelastungen steuern könnten.
Volkswirt bewertet Abschluss positiv
Auch der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, betont die positive Wirkung der steuer- und abgabenfreien Einmalzahlung. Sie sorge dafür, dass die Einkommen der Beschäftigten spürbar steigen. Die dauerhaften Lohnerhöhungen von gut 4 Prozent pro Jahr würden keine Lohn-Preis-Spirale auslösen.
Der Maschinenbauverband VDMA spricht von einem akzeptablen Abschluss in einem außergewöhnlich schwierigen Umfeld. Die lange Laufzeit des Tarifvertrags von 24 Monaten gebe den Betrieben eine gewisse Planungssicherheit.
Auch Jens-Oliver Niklasch von der Landesbank Baden-Württemberg glaubt, dass die Unternehmen den Tarifabschluss finanziell verkraften können, weil die Auftragsbücher gut gefüllt und die steigenden Kosten weitergegeben werden können. Solange sich die konjunkturelle Lage nicht verschlechtere, dürfte diese Rechnung aufgehen.
Der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding, spricht von einem hohen Tarifabschluss und sieht einen erheblichen Lohndruck auf die Unternehmen zukommen, der über die lange Laufzeit aber abnehme.