Am Freitag hat der Deutsche Bundestag der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Vor 78 Jahren wurde das Konzentrationslager Auschwitz in Polen befreit. Zum ersten Mal standen in dieser Gedenkstunde Menschen im Mittelpunkt, die wegen ihrer sexuellen Orientierung und ihrer geschlechtlichen Identität verfolgt und getötet wurden. Dabei sprach auch der Mannheimer Klaus Schirdewahn - in einer bewegenden Rede:
Schirdewahn führte lange Zeit ein Doppelleben
Schirdewahn setzt sich seit Jahren für die Rechte queerer Menschen ein, die auch im Nachkriegsdeutschland bestraft und diskriminiert wurden.
Er habe bis vor fünf Jahren als vorbestraft gegolten, weil er im Jahr 1964 als 17-Jähriger von der Staatsanwaltschaft in Rheinland-Pfalz wegen Homosexualität angeklagt und schuldig gesprochen worden sei, so der Mannheimer. Gemäß Paragraph 175. Dieser stammte aus dem Kaiserreich, hatte aber bis 1969 Gültigkeit. Komplett abgeschafft wurde er erst 1994. Trotzdem habe sich in der Gesellschaft zu wenig getan.
Um nach seiner Verurteilung 1964 eine Freiheitsstrafe zu vermeiden, musste Klaus Schirdewahn eine Therapie beginnen. Schirdewahn heiratete und bekam eine Tochter - die Eheleute glaubten lange, sie würden das schaffen.
Er habe sich für seine Gefühle geschämt, fühlte sich oft wie gefangen, sagte Klaus Schirdewahn am Freitag im Deutschen Bundestag. Es sei ein Albtraum für die ganze Familie gewesen, begleitet von Depressionen und körperlichen Schmerzen, so Schirdewahn vor den Bundestag in seiner Rede.
Mannheimer engagiert sich als queerer Aktivist
Trotz allem habe er sich seinen Traum von einem freien Leben erhalten - und dann irgendwann doch den Mut gehabt, sich als schwuler Mann zu zeigen. Danach sei er selbst aktiv geworden und setzt sich seitdem für queere Menschen in seiner Heimatstadt Mannheim ein - und dafür, dass die Geschichte nicht vergessen wird. Die Gedenkstunde sei ein Zeichen der Anerkennung und ein Signal in die Gesellschaft, so Schirdewahn.