Ein Taschenrechner liegt auf vielen Papieren (Foto: IMAGO, IMAGO / wolterfoto - Montage: SWR)

Sozialer Zusammenhalt gefährdet

Warum die BW-Kommunen viele Aufgaben nicht mehr erfüllen können

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Corona-Krise und Ukraine-Krieg: Die Kommunen in Baden-Württemberg sind am Anschlag. Der Eppinger Oberbürgermeister Klaus Holaschke fordert im SWR-Gespräch mehr Mitspracherecht.

In einem Positionspapier schlagen die baden-württembergischen Gemeinden Alarm und verweisen darauf, dass die Vielzahl der politischen Versprechen und Zusagen in der Summe nicht mehr erfüllbar ist.
Darüber hat SWR Aktuell-Moderatorin Vanja Weingart mit Klaus Holaschke gesprochen. Er ist Oberbürgermeister von Eppingen und 1. Vizepräsident des Gemeindetags Baden-Württemberg.

SWR Aktuell: Welches Beispiel haben Sie, wo Sie sich übergangen fühlten?

Klaus Holaschke: Grundsätzlich muss man vorausschicken, dass der 24. Februar 2022 mit dem Kriegsbeginn in der Ukraine für uns eine weitere Verschärfung der Situation gebracht hat. Für mich als Oberbürgermeister einer Stadt mit über 1.000 Kindergartenplätzen war es unvorstellbar, dass wir in die Situation kommen, dass wir Betreuungszeiten einschränken müssen, dass wir Verträge, die wir mit den Eltern abgeschlossen haben, nicht mehr einlösen können. Wir sind noch in der Corona-Krise. Der Fachkräftemangel hat sich dadurch nochmal verschärft. Wir haben die Situation, dass wir ein viel zu enges Personalkorsett in unseren Kitas haben.

Der Eppinger Oberbürgermeister Klaus Holaschke redet und gestikuliert mit den Händen. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow)
Der Eppinger Oberbürgermeister Klaus Holaschke

SWR Aktuell: Was können Bund und Land für Sie tun?

Holaschke: Wir müssen in den Entscheidungsprozess früher eingebunden werden. Ein Beispiel: der Rechtsanspruch auf einen Ganztagesplatz in den Grundschulen ab 2026. Da wurden Beschlüsse auf Bundesebene gefasst. Da hat Baden-Württemberg vergeblich auf weitere Fördergelder gedrungen. Aber jetzt stehen wir de facto vor der gleichen Problematik wie im Bereich des Kindergarten-Ausbaus. Wir laufen sehenden Auges ab 2026 auf Personalstandards zu, die sich die Kommunen nicht leisten können: weder finanziell noch von der Betreuung her.

SWR Aktuell: Es gibt in ihrem Papier die Forderung, dass Kommunen Aufgaben auch wieder abgeben können müssen. Auch die Bürokratie muss vereinfacht werden. Wie können Sie dieser vielen Krisen gleichzeitig Herr werden?

Holaschke: Ganz konkret will ich den Paragraphen 2b des Umsatzsteuergesetzes nennen. Da müssen Kommunen sämtliche Leistungen durchgehen, ob die nicht auch durch die Privatwirtschaft erbracht werden können und somit Umsatzsteuer generiert werden kann. Das bläht unseren Verwaltungsapparat auf. Wir haben extra für diese Tätigkeit einen Menschen im gehobenen Verwaltungsdienst eingestellt. Und da ist die Frage: Haben wir nicht dringlichere Probleme als diesen Paragrafen 2b im Umsatzsteuergesetz? Das wäre ganz konkret ein Beispiel des Bürokratieabbaus.

SWR Aktuell: Was soll das Positionspapier bewirken?

Holaschke: Uns geht es um die wichtigsten Weichenstellungen für die Zukunft. Wir sehen den sozialen Zusammenhalt aufgrund der Krisen, die durch den 24. Februar noch verschärft wurden, in Gefahr. Wir brauchen nicht nur runde Tische, wo wir darüber reden, sondern wir müssen Programme auch umsetzen. Wir auf kommunaler Ebene können Krise. Also hört uns nicht nur an, sondern lasst uns ganz maßgeblich von Anbeginn bei einer Fragestellung mitentscheiden.

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