Baden-Badener Mediziner Sven Gehrke legt neue Erkenntnisse im Fall Uwe Barschel vor (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Picture Alliance)

35 Jahre nach dem mysteriösen Todesfall

Fall Barschel: Baden-Badener Arzt geht von Mord aus

Stand
AUTOR/IN
Patrick Neumann

35 Jahre nach dem mysteriösen Tod von Uwe Barschel präsentiert ein Baden-Badener Mediziner in einem Buch seine Thesen zu dem Fall. Aus seiner Sicht gibt es Hinweise auf einen Mord.

Der Tod des früheren schleswig-holsteinischen CDU-Ministerpräsidenten Uwe Barschel sorgte Ende der 80er Jahre für bundesweite Schlagzeilen. Die sogenannte Barschel-Affäre hatte ihn politisch zu Fall gebracht. Der Vorwurf: Er habe seinen damaligen Rivalen, den SPD-Politiker Björn Engholm, im Wahlkampf bespitzelt. Barschel gab damals sein Ehrenwort, dass diese Vorwürfe haltlos seien. Wenig später fand ihn ein Reporter des "Stern" tot in einer Badewanne in einem Genfer Hotel.

Zweifel an der Selbstmordthese im Fall Barschel

Viele gingen damals von einem Selbstmord des Politikers aus. An dieser These gibt es allerdings seit jeher Zweifel. Auch in den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft spielte das Thema Mord schon damals eine Rolle. Konkrete Hinweise fanden sich seinerzeit aber nicht. Auch die Frage nach dem Motiv für einen möglichen Mord an Barschel ist bis heute unklar. Der Baden-Badener Arzt Sven Gehrke hat nun den Fall aus der Perspektive eines Mediziners neu aufgerollt und ein Buch geschrieben.

Baden-Badener Mediziner Sven Gehrke legt neue Erkenntnisse im Fall Uwe Barschel vor (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Picture Alliance)
Baden-Badener Mediziner Sven Gehrke legt neue Erkenntnisse im Fall Uwe Barschel vor

Gehrke: Medikamentencocktail deutet nicht auf Selbstmord von Uwe Barschel hin

Stutzig wurde der Baden-Badener Arzt, ein Spezialist für Magen-Darm-Erkrankungen und Vergiftungen, als er von dem Betäubungsmittelcocktail hörte, der damals in Barschels Blut gefunden wurde. Dieser, so Gehrkes wichtigste These, habe niemals zum Tod des Politikers führen können. Somit könnte also auch Mord im Spiel gewesen sein.

"Die Medikamentenvergiftung war nicht unmittelbar tödlich. Außerdem gibt es Spuren einer Fremdeinwirkung. Damit ist der Fall zumindest aus medizinischer Sicht klar."

Rechtsmediziner seien seinerzeit zwar zu Wort gekommen, nicht aber medizinische Spezialisten für Vergiftungen. Der politische Druck war immens. An einer Aufklärung des Falls habe es wohl nie echtes Interesse gegeben, mutmaßt Gehrke. In einem Fall dieser Dimension seien nicht nur rechtsmedizinische Gutachten selbstverständlich, sondern auch ein klinisches Gutachten.

Waren Geheimdienste im Fall des CDU-Politikers Barschel im Spiel?

Um den Fall Barschel ranken sich Legenden. Möglicherweise waren auch Geheimdienste im Spiel. Dabei ging es um mögliche Waffengeschäfte mit dem Ausland, die über die DDR hätten abgewickelt werden sollen. Auch mögliche U-Boot-Geschäfte mit Südafrika standen im Raum. Chefermittler war damals Oberstaatsanwalt Heinrich Wille aus Lübeck. Auch er brachte den Aspekt der Fremdeinwirkung in die Ermittlungen ein. Und er ist beeindruckt von den Ausführungen des Baden-Badener Arztes.

Der ehemalige Oberstaatsanwalt Heinrich Wille ermittelte seinerzeit im Fall Barschel (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Picture Alliance)
Der ehemalige Oberstaatsanwalt Heinrich Wille ermittelte seinerzeit im Fall Barschel

"Ich bin wirklich stark beeindruckt. Das, was Herr Gehrke herausgefunden hat, empfinde ich als sensationell."

Die Ermittler seien damals alle davon ausgegangen, dass die im Körper von Uwe Barschel gefundenen Barbiturate die todbringenden Mittel gewesen seien. Die Ausführungen des Arztes legten überzeugende Zweifel nahe, sagte Wille dem SWR. Ob die medizinischen Erkenntnisse aus Baden-Baden nun allerdings dazu beitragen werden, den Fall Barschel neu aufzurollen, ist Sache der Staatsanwälte.

"Der mysteriöse Tod des Dr. Uwe Barschel"- so heißt das Buch des Baden-Badener Mediziners Sven Gehrke. Es ist im Baduon-Verlag erschienen.

11. bis 16.10.1987 Uwe Barschels Tod in Genf – Mord oder Suizid?

11. bis 16.10.1987 | Zwei Reporter des "Stern" finden Uwe Barschel tot in der Badewanne seines Zimmers im Genfer Luxus-Hotel "Beau Rivage". Der Fall löst sofort Spekulationen aus. Denn Uwe Barschel war drei Wochen zuvor von seinem Amt als Ministerpräsident wegen der nach ihm benannten "Barschel-Affäre" zurückgetreten. Seine politische Karriere war vorerst am Ende. Und so drängt sich rasch auch in diesen Nachrichten die Vermutung auf, Barschel habe sich das Leben genommen. Doch die Befundlage erweist sich zunehmend als komplex und widersprüchlich.
War es Mord oder Suizid? Die Ermittlungen nach dem Tod bringen fast täglich neue Erkenntnisse, aber keine echte Antwort. 12. Oktober, der Tag nach dem Tod.
14.10. Inzwischen ist bekannt: Barschel hatte vor seinem Tod Kontakt mit einem Mann, der sich Robert Roloff nannte. Mit Roloff wollte er sich in Genf treffen, berichtet Barschels Frau. Diese hatte ihm erklärt, er kenne die Hintermänner, die Barschel die Abhöraffäre gegen Engholm anhängen wollten und er habe entlastendes Material. Die Polizei erklärt wiederum, dass Barschel vor seinem Tod offenbar Medikamente in einer tödlichen Dosis genommen habe.
16. Oktober, weitere Ermittlungen
Die Ermittlungen ziehen sich über Jahre hin. Gerüchte kommen auf, Barschel sei in Waffengeschäfte verwickelt gewesen und habe bestimmten Waffenhändler oder gar Regierungen mit Enthüllungen gedroht – doch diese Thesen konnten nie erhärtet werden. Bei der Frage: Mord oder Suizid? sind sich die beteiligten Ermittler bis zuletzt nicht einig geworden.

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Patrick Neumann