Ministerpräsident Winfried Kretschmann meint, Lehrkräfte in Teilzeit könnten pro Woche noch eine Stunde mehr arbeiten. Doch was wird von Lehrerinnen und Lehrern in Baden-Württemberg ohnehin schon verlangt? Das beantwortet der SWR-Faktencheck. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa)

Mehrarbeit für Lehrer in Baden-Württemberg?

SWR-Faktencheck: Was sich unter Kretschmann verändert hat und was Lehrkräfte in BW leisten müssen

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Ruben Moratz

Winfried Kretschmann kann sich mehr Arbeit von verbeamteten Lehrkräften in BW vorstellen. Doch wie viel müssen sie überhaupt arbeiten und wie wurden sie in der Pandemie behandelt?

Um der zunehmenden Belastung an den Schulen in Baden-Württemberg durch die geflüchteten Kinder aus der Ukraine zu begegnen, kann sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) vorstellen, dass verbeamtete Lehrkräfte in Teilzeit künftig etwas mehr arbeiten. Davon halten sowohl die Bildungsgewerkschaft GEW als auch der Deutsche Lehrerverband wenig und verweisen darauf, dass viele Lehrer und Lehrerinnen gute Gründe für die Arbeit in Teilzeit haben. Doch wie sieht diese überhaupt aus? Was wurde in den vergangenen Jahren gemacht, um den Lehrerberuf attraktiv zu halten? Und warum sind in den Sommerferien immer wieder viele Lehrerinnen und Lehrer arbeitslos? Ein SWR-Faktencheck.

Wie viel muss eine verbeamtete Lehrkraft in Baden-Württemberg pro Woche arbeiten?

Vollzeit-Lehrkräfte haben als Beamte in Baden-Württemberg eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 41 Stunden. Diese teilt sich in den eigentlichen Unterricht auf der einen und die sonstige Arbeit der Lehrkräfte auf der anderen Seite auf, wie beispielsweise das Vor- und Nachbereiten des Unterrichts oder die Korrektur der Klausuren. Die Unterrichtszeit wird zeitlich festgelegt und abgerechnet.

Wie viele Unterrichtsstunden haben die Lehrkräfte pro Woche?

Je nach Schulart haben Lehrkräfte eine unterschiedliche wöchentliche Unterrichtsszeit. Pädagoginnen und Pädagogen in Grundschulen unterrichten - sofern sie ein volles Deputat erfüllen - 28 Stunden in der Woche. An Haupt- und Realschulen sind es 27 Stunden, an Gymnasien 25 Stunden.

Wie sieht es bei Teilzeit-Kräften aus?

Die Teilzeit-Regelungen werden individuell gehandhabt. Es gibt jedoch Vorgaben: Grundsätzlich ist Teilzeit nur überhälftig möglich, also mehr als 50 Prozent. Es gibt jedoch Ausnahmen für Beamtinnen und Beamte, die ein minderjähriges Kind oder einen Betreuungsfall in der Familie haben. Diese Lehrkräfte können auch weniger als 50 Prozent arbeiten, jedoch mindestens 25 Prozent. Aktuell soll es allerdings die Überlegung geben, den Mindestwert auf 30 Prozent anzuheben.

Sind Schulferien für Lehrkräfte Urlaub?

Nein, der Dienstherr (das Land) rechnet damit, dass auch in den Ferien zumindest teilweise gearbeitet wird. Dadurch sollen sich im Zweifel auch "Überstunden" ausgleichen, die während der Unterrichtszeit angefallen sind.  Es kann also sein, dass Lehrerinnen und Lehrer in Unterrichtswochen mehr als die vorgesehenen 41 Stunden arbeiten. In den Ferien sind es dann aber teilweise deutlich weniger. Die Rechnung ist allerdings eine theoretische. Exakt erfasst werden die Arbeitsstunden von Lehrkräften nicht.

Warum sind manche Lehrkräfte in den Sommerferien arbeitslos?

Jahr für Jahr werden in Baden-Württemberg mit Beginn der Sommerferien angestellte Lehrkräfte und Referendare arbeitslos. Im Juli 2021 waren es 4.000 befristet beschäftigte Pädagoginnen und Pädagogen, die häufig als Vertretungslehrkräfte arbeiten, sowie 5.000 Junglehrkräfte. Und das, obwohl die meisten von ihnen im neuen Schuljahr wieder in der Schule tätig sind. Es handelt sich hierbei aber nicht um verbeamtete Lehrkräfte.

Ist diese Praxis in ganz Deutschland üblich?

In Baden-Württemberg kommt diese Praxis im bundesweiten Vergleich besonders häufig vor. Ein Sprecher des Kultusministeriums nennt es allerdings einen „regulären Vorgang, der sich beim Referendariat für Juristen und bei zahlreichen anderen Berufsgruppen genauso verhält".

Wurden die Lehrerinnen und Lehrer für ihre Arbeit während der Pandemie zusätzlich entlohnt?

Ja, Lehrerinnen und Lehrer haben für ihren Mehraufwand in der Corona-Pandemie einen Bonus von 1.300 Euro bekommen. Die Summe geht zurück auf einen neuen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder aus dem Herbst 2021.

Was wurde in den bisherigen Amtszeiten von Ministerpräsident Kretschmann gemacht, um den Beruf attraktiver zu machen?

Kurz nach seinem Amtsantritt 2011 schockte der neue Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Lehrerschaft im Land: Er wolle 11.600 Lehrerstellen abbauen, um die Schuldenbremse einhalten zu können, hieß es damals. Es folgten heftige Proteste von Lehrergewerkschaften, die den Abbau zwar teilweise, aber nicht gänzlich, aufhalten konnten.

Wurde das Lehramtsstudium in den vergangenen Jahren verbessert oder aufgewertet?

Im Jahr 2015 wurde das Lehramtsstudium auf das Bachelor- und Master-System umgestellt. Seitdem mussten sich die Studentinnen und Studenten erst nach dem Bachelor-Studium, welches fachlich geprägt ist, für den Lehrerberuf entscheiden. Davon erhoffte man sich vor allem eines: Ein bewusster Entschluss für den Master im Alter von 21 Jahren statt mit 17 Jahren könne Studienabbrüche vermeiden, hieß es damals.

Was hat sich unter Kretschmann nicht verändert?

Nach dem Studium müssen angehende Lehrkräfte einen Vorbereitungsdienst absolvieren, das Referendariat. Früher wie heute klagen viele Referendarinnen und Referendare über eine sehr hohe Arbeitsbelastung.

Welche Kritik gibt es an der Bildungspolitik unter Kretschmann?

Aus Sicht der Bildungsgewerkschaft GEW hat die Regierung Kretschmann es immer wieder versäumt, den Lehrerberuf attraktiver zu machen. Seit Jahren beklagt die GEW eine Überbelastung der Lehrkräfte im Land. Landesgeschäftsführer Matthias Schneider führt das darauf zurück, dass die Landesregierung unter Kretschmann keine Lehrerbedarfsprognosen vorgenommen hat. Also geprüft hat, wie viele Lehrkräfte das Land in den kommenden Jahren braucht. Außerdem seien für bildungspolitische Reformprojekte, etwa den Ausbau von Ganztagschulen oder die Inklusion, nicht die nötigen Ressourcen bereitgestellt worden.

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