Ein 80-jähriger Mann hat Schwierigkeiten, sein Haus, das am Hang liegt, über 300 Steinstufen zu erreichen. Seit einiger Zeit macht ihm das Treppensteigen Probleme, er muss Pausen einlegen und bekommt kaum Luft.

Als würde ihm die Brust zusammengeschnürt. Er weiß, dass seine Beschwerden mit seiner verkalkten Herzklappe zu tun haben, die zwischen der linken Herzkammer und der Hauptschlagader sitzt: Weil sie verengt ist, muss die linke Kammer entsprechend mehr arbeiten. Aortenstenose, so die medizinische Bezeichnung dafür, kann operativ behandelt werden.
Alte verkalkte Herzklappen
Oberarzt Dr. Achim Büttner vom Herzzentrum Bad Krozingen erklärt, das Standardverfahren sei der Herzklappenersatz. Dafür muss der Brustkorb geöffnet werden, die alte verkalkte Klappe entfernt und eine neue Klappe eingenäht werden. Aortenstenose ist eine typische Erkrankung für ältere Menschen.
Für ältere Patienten kommt die Standard-OP wegen des hohen Alters und des gesundheitlichen Zustands oft nicht in Frage - viele haben bereits mehrere Stents und einen Herzschrittmacher. Doch es gibt eine alternative Behandlungsmöglichkeit, ohne dass sein Brustkorb aufgesägt werden muss.
Sie heißt Transkatheter-Aortenklappen-Implantation, kurz Tavi. Dabei wird die neue Klappe mithilfe eines Katheters direkt in das Herz eingebracht. Bei dieser Operation wird die alte Klappe an die Seite gedrückt, und eine Rinderherzklappe eingesetzt, die dann die Funktion der alten Klappe übernimmt.
Herz-Operation: Implantation per Katheder
Der sogenannte Hybrid-OP-Saal ist mit einem speziellen Röntgen- und Ultraschallgeräten ausgestattet, so dass jeder Schritt während des Eingriffs über vier Bildschirme permanent überwacht werden kann. Narkosearzt, Kardiologe und Gefäßchirurg arbeiten Hand in Hand.
Der Patient ist mit einem Schlafmittel narkotisiert. Es genügt ein kleiner Schnitt an der linken Leiste, dann führt Kardiologe Büttner den bleistiftdicken Katheterschlauch mit der neuen Klappe ein.
Zentimeter für Zentimeter tastet sich der Führungsdraht durch das Gefäßsystem. Büttner steuert dies über ein medizinisches Instrument aus Plastik, das wie eine überdimensionierte Spritze aussieht. Auf den Röntgenbildschirmen verfolgt er, wann die Katheterspitze die richtige Stelle erreicht hat. Dann dreht der Kardiologe mechanisch die zusammen gefaltete Prothese heraus.
Das Herz steht kurz still
Dieser Vorgang dauert etwa 10 bis 20 Sekunden - so lange sorgt der Narkosearzt mit kleinen elektrischen Impulsen dafür, dass das Herz des Patienten stehen bleibt und kein Blut ausgestoßen wird. Danach pulsiert das Herz wieder einwandfrei, die neue Klappe öffnet und schließt sich.

Manchmal verhindern Ablagerungen der alten verkalkten Klappe, dass die neue sich fest genug anschmiegt- daher wird mit Ultraschall-Gerät überprüft, ob die Prothese gut abdichtet, oder ob seitlich noch Blut herausströmt.
Die Zackenspitzen der Messkurven liegen übereinander, der Kardiologe ist zufrieden. Etwa eine halbe Stunde hat es gedauert, bis die neue Klappe eingesetzt war. Innerhalb der nächsten Minuten wird der Patient aus der leichten Narkose aufwachen, in wenigen Stunden kann er aufstehen.
Langzeiterfahrung fehlt
Noch ist der per Katherter gesteuerte Eingriff – der mit rund 30.000 Euro doppelt so teuer ist wie eine herkömmliche OP – nur älteren und schwerkranken Patienten vorbehalten. Weil es für sie wesentlich ist, nach dem schonenden Eingriff schnell wieder mobil zu sein. Zum anderen gibt es noch keine Langzeiterfahrung mit Klappen, die durch Tavi-Verfahren eingesetzt wurden.
Dr. Achim Büttner erklärt, bisher gäbe es jedoch noch kein Indiz dafür, dass diese Klappen weniger lang halten als die chirurgisch implantieren Prothesen. Das Katheter gestützte Tavi-Verfahren sei im Vergleich zur Standardoperation besonders risikoreich, geben Kritiker jedoch zu bedenken.
So würden Patienten dadurch häufiger einen Schlaganfall erleiden oder es würden oftmals Herz-Rhythmus-Störungen auftreten, die einen Herzschrittmacher notwendig machten. Diesen Einwand, so Kardiologe Achim Büttner, könne er entkräften, denn die Schrittmacher-Implantation wird auch nach konventionellem chirurgischen Aortenklappen-Ersatz zu einem bestimmten Prozentsatz durchgeführt.
Symptome kommen erst später
Insgesamt bekommen in Deutschland jedes Jahr mehr als 30 000 Menschen Ersatzklappen: Eine oder mehrere ihrer vier Herzklappen sind durch Alter oder Krankheit verkalkt oder ausgeleiert, sie schließen nicht mehr richtig oder sind verengt. Das Herz kann deshalb das Blut nicht mehr so gut pumpen, wie es eigentlich sollte.
Oft merken die Betroffenen von ihrem Problem über Jahre nichts, erst spät kommt es zu Symptomen. Dann aber, wenn Kurzatmigkeit die Betroffenen schwächt, sinkt die Lebenserwartung auf zwei bis drei Jahre. Abhilfe bietet nur eine neue Herzklappe. 1952 setzte der US-Chirurg Charles Hufnagel die erste künstliche Aortenklappe bei einer 30-Jährigen ein.

Doch die aufwendige Operation bei geöffnetem Brustkorb verkraften nur Patienten, die verhältnismäßig fit sind. Bei gesundheitlich wenig stabilen, älteren oder hochbetagten Menschen besteht die Gefahr, dass sie Narkose, Herzstillstand und Herz-Kreislauf-Maschine nicht überleben.
Ihnen kann nun das neue Katheter-Operationsverfahren helfen, das 2002 zum ersten Mal angewendet wurde; seit 2006 wird es flächendeckend in Kliniken angeboten und im Jahr 2013 wurde es sogar häufiger durchgeführt als Operationen mit Brustöffnung.
SWR2 Impuls