Rational, empathisch und anschaulich
Der Tübinger Rhetorikprofessor Olaf Kramer sitzt in der Jury, die Merkels Ansprache „historisch“ nennt. "Sehr sachlich“ und „eindringlich“ habe Merkel in ihrer Ansprache die Mittel der Corona-Bekämpfung erklärt und zugleich empathisch auf die Menschen und deren Sorgen geschaut.
„Sie bemüht sich, sehr konkret und anschaulich zu machen, dass diese Infektionszahlen und dieses Schreckensszenario wirkliche Menschen betreffen.“, sagt Kramer. Dieses Ringen um Anschaulichkeit sei „wirklich gut“.
Video von Angela Merkels Rede am 18. März 2020
Auch im internationalen Vergleich steche Merkel heraus
„Wir sind im Krieg“, erklärte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in seiner ersten Corona-Fernsehansprache. Diese wirke wie eine Anordnung, „weniger empathisch“ und auch bei den wissenschaftlichen Erkenntnissen "nicht so transparent“, meint Olaf Kramer.
Der britische Premierminister Boris Johnson wiederum habe die Bedrohungslage im Frühjahr „in einem sportlichen Gestus“ heruntergespielt. Damit steche Merkels Rede auch im internationalen Vergleich heraus, findet Kramer.
Die Wirkung: „Menschen sind zu Hause geblieben"
Über die Wirkung der Fernsehansprache sagt Olaf Kramer im Gespräch mit SWR2: „Jeder hat sie wahrgenommen.“ Merkel habe damit die Bürger zu einer "massiven Verhaltensänderung" bewegt: „Menschen sind zu Hause geblieben und haben sich angepasst.“
Die Rede habe ein Gemeinschaftsgefühl und Solidarität hergestellt. Im Grunde brauche es auch heute wieder eine solche Rede. „Da wäre ein starker rhetorischer Aufschlag nötig, damit wir einigermaßen heil durch diese zweite Corona-Welle kommen“, warnt Olaf Kramer.