15.11.1949

Richtungsstreit im deutschen Bundestag

Stand

Das Ende des Zweiten Weltkriegs liegt gerade einmal 4 Jahre zurück. Deutschland ist Besatzungszone, eingeschränkt souverän, kontrolliert von den Hauptsiegermächten USA, Großbritannien, Frankreich und der Sowjetunion.

Konrad Adenauer berichtet dem Parlament zunächst vom aktuellen Stand der Gespräche mit dem Alliierten Kontrollrat. Aus seiner Sicht ist die Demontagefrage von größter wirtschaftlicher und psychologischer Bedeutung. Er befürchtet, dass das Wort "Demontage" zukünftig denselben Platz einnehmen könnte, wie das Wort „Versailles“ in den 1920er Jahren und spielt damit auf den von vielen Deutschen nicht akzeptierten und als Demütigung empfundenen Friedensvertrag ab, der 1919 im Schloss von Versailles von England, Frankreich, Italien und Russland und deren Verbündeten weitgehend festgelegt worden war.

Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) spricht am 04.12.1952 im Bundestag in Bonn während der Debatte über alliierte Verträge (Foto: picture-alliance / dpa, picture-alliance / dpa -)
Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) spricht am 04.12.1952 im Bundestag in Bonn während der Debatte über alliierte Verträge


Adenauer bekräftigt, er verstehe das Sicherheitsbedürfnis der Westmächte. Er wolle dem auch Rechnung tragen. Daher sei er grundsätzlich zur Mitarbeit in jedem Organ bereit, dass dazu diene, das Kriegspotential Deutschlands zu kontrollieren.
Der Bundeskanzler unterrichtet das Parlament weiter über die ersten Gespräche, die er mit den hohen Kommissaren des Alliierten Kontrollrates geführt hat. Heute sei ihm mitgeteilt worden, dass der Bundesrepublik weitere Vollmachten zugeteilt würden. Diese Vollmachten wurden wenige Tage nach Adenauers Rede im deutschen Bundestag im Petersburger Abkommen besiegelt.

Zum deutsch-französichen Verhältnis sagt Konrad Adenauer:

Die Frage Deutschland-Frankreich ist in Wahrheit eine der Angelfragen des europäischen Geschicks. Von vielen Besuchern, die in Frankreich waren und von vielen ausländischen Journalisten höre ich, dass der ehrliche Wille besteht, ein für allemal den deutsch-französischen Gegensatz aus der Welt zu schaffen Ich bitte das französische Volk und die Weltöffentlichkeit, davon überzeugt zu sein, dass bei der ganz überwiegenden Mehrheit des deutschen Volkes der gleiche Wille besteht.“

Nach der rund 30minütigen Rede Adenauers tritt der der Wortführer der Opposition, Kurt Schumacher, ans Rednerpult. Er übt Kritik an der Regierungspolitik Adenauers in Bezug auf das Ruhrstatut, die Demontagen und das Saarproblem und äußert sein tiefes Misstrauen gegenüber der Regierung. Schumacher kritisiert die „übermäßige Schweigsamkeit“ der Bundesregierung gegenüber dem Parlament und die von ihr betriebene „Geheimpolitik“.

Zur europäischen Idee sagt Kurt Schumacher:

"Die Idee der vereinigten Staaten von Europa ist in der inneren Tiefe und äußeren Weite eine Idee, die eine große Tradition hat. Aber es ist die Tradition der Freiheit und der Völkerversöhnung und nicht die Tradition der europäischen Schwerindustrie. (…) Es wird mit der großen Notwendigkeit und der moralischen Kraft der Sicherheitsidee sehr viel zugedeckt, was mit Sicherheit gar nichts zu tun hat. Wenn wir die Sicherheitsforderungen der anderen Länder gegenüber einem neu entstehenden Deutschland betrachten, dann müssen wir sagen: Diese Sicherheitsforderungen werden am besten befriedigt durch eine Politik, die gewillt ist im neuen Deutschland nichts zu verbergen."

Der Mitschnitt endet nach den Ausführungen Schumachers.

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SWR