Sie sind zwischen 15 und 35 Jahre alt, haben vorübergehend Sprech- und Denkstörungen, ängstigen sich oder fühlen sich beobachtet. Solche Menschen besitzen ein hohes Risiko, schizophren zu werden. Trotzdem können PsychiaterInnen sie nicht routinemäßig früh behandeln. Denn nur ein Drittel von ihnen wird später tatsächlich krank.
Professor Nikolaos Koutsouleris von der psychiatrischen Universitätsklinik München arbeitet daher daran, die Prognosegenauigkeit zu erhöhen. Nun meldet er Erfolge, die einige Brisanz aufweisen. Denn Koutsouleris‘ Team untersuchte vor einigen Jahren per Kernspintomographie die Gehirne von Münchner Hochrisikopersonen und beobachtete sie danach weiter.
Verkleinertes Stirnhirn
Bei denen, die innerhalb von viereinhalb Jahren nach der Untersuchung krank wurden, ließ sich ein bestimmtes Hirnmuster identifizieren. Vor allem waren Areale im Bereich des Stirnhirns verkleinert. Koutsouleris überprüfte seine Ergebnisse zunächst an einer kleinen Gruppe, dann in einem größeren Forschungsprojekt mit mehreren Instituten. Das Ergebnis: in 80% der Fälle war die Vorhersage korrekt.
Außerdem berücksichtigen die ForscherInnen, dass manche PatientInnen, die eigentlich ein hohes Risiko haben, später nicht das Vollbild einer schizophrenen Psychose mit zum Beispiel Wahnvorstellungen, Halluzinationen und Ich-Störungen entwickeln. Trotzdem haben sie später stark mit sozialen Problemen zu kämpfen, die ebenfalls charakteristisch sind: Sie können keine sozialen Beziehungen aufbauen und keiner geregelten Arbeit nachgehen.
Prognose von sozialer Leistungsfähigkeit
Diese Beeinträchtigung ist im Prinzip das entscheidende Merkmal, das die Kosten dieser Erkrankung für das Gesundheitssystem ausmacht. Eine Früherkennung wäre also nicht nur im Sinne der PatientInnen, sondern auch der Krankenkassen.
Das Problem: 20% der HochrisikopatientInnen mit dem entsprechenden Hirnmuster erkrankten später nicht. Würde man Koutsouleris‘ Methode flächendeckend zur Früherkennung einsetzen, könnten sich behandelnde MedizinerInnen genötigt fühlen, alle PatientInnen vorsorglich zu behandeln – auch, wenn das vielleicht gar nicht nötig ist.
Verunsichernde Prognosen
Prof. Stephan Ruhrmann von der Universitätspsychiatrie Köln arbeitet mit Nicos Koutsouleris zusammen und versucht, noch genauer zwischen RisikopatientInnen zu trennen, die eine Behandlung brauchen und solchen, die nicht erkranken.
Ein Unterscheidungsmerkmal ist die Reizverarbeitung: Wer das Hirnmuster hat und Reize schnell verarbeiten kann, hat ein geringeres Risiko als jemand, dessen Reizverarbeitung im Gehirn langsamer funktioniert.
Bevor entschieden wird, ob die Methode flächendeckend zur Früherkennung verwendet werden kann, muss also noch genauer unterschieden werden können, welche/r EinzelpatientIn ein wie hohes Risiko hat. Sonst besteht die Gefahr, dass diejenigen verunsichert oder gar unnötig behandelt werden, die wahrscheinlich nie erkranken würden.