Die molekulare Struktur einer DNA auf blauem Hintergrund (Illustration) (Foto: Getty Images, Thinkstock -)

Neuartiges Speichermedium

Bakterien-DNA

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AUTOR/IN
Thomas Hillebrandt
ONLINEFASSUNG
Ralf Kölbel
Doris Maull

Von Thomas Hillebrandt

Forscher der Harvard Medical School in Boston haben erstmals digitale Bilder und Filmaufnahmen in lebenden Zellen gespeichert. Langfristiges Ziel ist es, dass Zellen mit diesem Verfahren ihre eigenen Entwicklungsprozesse im Erbgut aufzeichnen. Dies könne man dann insbesondere für medizinische Zwecke auswerten, betonen die Wissenschaftler.

Noch speichern wir unsere Daten auf magnetischen und optischen Speichermedien, deren Kapazität zwar ständig wächst. Dennoch kann sie mit der steigenden Masse an digitalen Daten nicht mithalten.

Da kommt die DNA ins Spiel. In einer Jahrmilliarden dauernden Evolution optimiert, speichert dieser Doppelstrang aus unterschiedlich kombinierten Genbausteinen das komplette Erbgut eines Menschen.

DNA hat riesige Speicherkapazitäten

Die Dichte dieser molekularen Datenspeicherung ist enorm. Wenn man diese Kapazität in Zukunft nutzen würde, wäre das Speicherproblem für alle Zeiten gelöst. Ein Gramm DNA-Material könnte mehr als 200.000 handelsüblicher Festplatten ersetzen - für die gesamte Menge an weltweit digital gespeicherter Information bräuchte man nur rund eintausend Kilo DNA.

Und die auf diese Weise gespeicherte Information ist zudem sehr stabil. So kann man zum Beispiel noch heute die Erbinformation von Mammuts aus Gewebe- und Knochenproben lesen, die mehrere zehntausend Jahre alt sind. Verglichen damit, misst sich die Haltbarkeit heutiger USB-Sticks oder Festplatten eher in Jahren.

Ein USB-Stick liegt auf spiegelnden Daten-CDs. (Foto: Getty Images, Thinkstock -)
Haben die klassischen USB-Datenspeicher bald ausgedient?


Das heißt: Die DNA ist also ein äußerst attraktiver Langzeitspeicher für Informationen, an dem weltweit schon seit Ende der 1980er Jahre geforscht wird. Mittlerweile kann man schon DNA-Schnipsel erzeugen, die die Daten für Texte oder auch Bilder kodieren. Bisher wurden solche DNA-Speicher allerdings nur im Reagenzglas erzeugt und auch wieder ausgelesen.

Bakterien als Datenspeicher

Ein Forscherteam der Harvard Medical School in Boston ist nun einen Schritt weiter gegangen und hat zum ersten Mal lebende Bakterienzellen zu Datenspeichern umfunktioniert. Die Wissenschaftler nutzten die Crispr-Cas-Methode, eine molekulare Genschere, mit der man jeweils kurze Stücke genetischer Informationen in bestimmte Abschnitte des Bakteriengenoms einschleusen kann.

Das haben sie mit den Pixel-Informationen eines kurzen Schwarzweiß-Films gemacht. Jeder Graustufe der Aufnahmen wurde dafür eine bestimmte Abfolge der DNA-Bausteine zugewiesen und diese Sequenzen wurden dann in das Erbgut von normalen Darm-Bakterien eingebaut. Den Forschern gelang es so, die in den lebenden Zellen zwischengespeicherte Bildinformation wiederzugewinnen – und dies erstaunlich vollständig.

Ein DNA-Strang wirft einen Schatten auf eine Wand (Foto: Getty Images, Thinkstock -)

Doch wozu das alles?

Es ist Grundlagenforschung, die aber zeigt, dass man so Daten aufnehmen und stabil speichern kann – und das auch nach mehreren Bakteriengenerationen. Im Labor in Boston waren die Bildinformationen zumindest über 6 Tage lang und damit über 48 Bakteriengenerationen hinweg stabil.
Die Datenspeicherung per Bakterie kann eine Zukunft haben, wenn die Forscher es schaffen, die Bakterienpopulation so zu stabilisieren, dass auch nach mehreren Hunderten, Tausenden oder gar Millionen von Zellteilungen, die in den Mikroorganismen gespeicherte Information unverfälscht erhalten bleibt.

Widerstandsfähig ist der biologische Datenspeicher auch. Denn Bakterien sind zäh. Sie überleben im Vakuum des Weltraums, überstehen extreme Radioaktivität und trotzen hohen und tiefen Temperaturen – das alles kann man von technischen Datenspeichern nicht behaupten.

Das Foto einer Hand und der Film eines galoppierenden Pferdes, die die US-Forscher aus Boston jetzt erstmals in Bakterien gespeichert, dann wieder ausgelesen und nun veröffentlicht haben, sind der vorläufige Höhepunkt in Sachen „Datenspeicherung per DNA“.


Die Entwicklung wird weiter gehen, mit besseren experimentellen Methoden und besseren Codierungsverfahren, um irgendwann das große Problem der Datenspeicherung endgültig zu lösen.
Und um dafür die nötige Aufmerksamkeit zu bekommen, veröffentlicht das nächste Forscherteam dann vielleicht ein in Bakterien gespeichertes Katzenvideo, in Farbe und mit Ton. Das Team um Shipman nutzte die molekulare Genschere „Crispr“, um die Pixel-Informationen – das Schwarzweiß-Bild einer menschlichen Hand sowie den Film eines galoppierenden Reiters – in das Erbgut von Escherichia-coli-Bakterien einzuschleusen. Für den Film wurden insgesamt fünf Aufnahmen zu jeweils 36 mal 26 Pixeln hintereinander in das Erbgut eingebaut. Dabei wurden die Pixel der Bilder in Form von Sequenzen der vier DNA-Bausteine kodiert und an bestimmten Stellen der DNA untergebracht.

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