Forscher bestätigen

Meere erwärmen sich schneller als gedacht

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AUTOR/IN
Gábor Paál

Politisch umkämpftes Forschungsgebiet

Das Meerwasser erwärmt sich schneller als man früher glaubte. Das bestätigt nun eine neue US-Studie. Da die Ozeane zwei Drittel der Erdoberfläche ausmachen, spielen sie eine erhebliche Rolle im Klimawandel. Zugleich gibt es immer mehr Daten über die Temperaturen in der Tiefsee. Das Thema ist auch politisch sensibel - wie die Erfahrungen der Forscher zeigen.

Es geht scheinbar nur um Bruchteile von Temperaturgraden, aber sie sind entscheidend für das Klima der Zukunft. Nach den neuen Zahlen hat sich die Meeresoberfläche seit Ende der 1990er-Jahre weltweit um 0,2 Grad erwärmt - fast doppelt so schnell gegenüber früheren Berechnungen, erklärt Zeke Hausfather von der Berkeley University in  Kalifornien. Die US-Behörde für Ozean und Atmosphäre, NOAA, hat solche Zahlen schon im Sommer letzten Jahres veröffentlicht, aber sie wurden angezweifelt, sagt Hausfather.

"Der US-Kongress hat Zweifel angemeldet, einige Senatoren haben den Forschern vorgeworfen, sie hätten die Daten manipuliert. Die beteiligten Wissenschaftler sollten ihre E-Mails offenlegen, es wurde also ein richtig heißes Eisen. (Zeke Hausfather).

Dass die neuen Zahlen eine stärkere Erwärmung ergeben als frühere, hängt offenbar mit veränderten Messmethoden zusammen. Skeptiker des Klimawandels haben Forschern oft vorgeworfen, dass die Klimamodelle die Meere nicht richtig berücksichtigen. Das hat früher auch gestimmt. Noch vor dreißig Jahren wurden die Meerestemperaturen hauptsächlich gemessen, indem Forschungsschiffe Wasserproben entnahmen. Das waren zwangsläufig punktuelle Messungen mit vielen Unsicherheiten. Inzwischen treiben auf allen Weltmeeren Messbojen, die die Temperatur kontinuierlich erfassen. Darüber hinaus können auch Satelliten die Meerestemperaturen recht genau kartieren. All diese Daten flossen in die jüngsten Berechnungen ein.

"Und wir haben das jetzt nochmal bestätigt, indem wir die verschiedenen Daten nicht zusammengerührt, sondern jede für sich betrachtet haben. Wir haben gesagt: Lass uns nur mal auf die Temperaturen gucken, die uns die Bojen. Und dann die Temperaturen, die uns die Satelliten melden. Und schließlich gibt es inzwischen noch zahlreiche Tauchroboter  in den Weltmeeren, die ebenfalls  Daten liefern. Und wir haben all diese Daten verglichen mit den vorhandenen Aufzeichnungen – und das Ergebnis war: Unsere Daten bestätigen eindrücklich, dass sich die Meere tatsächlich stärker erwärmen. Und dass die Wissenschaftler der NOAA ihre Daten keineswegs manipuliert haben, sondern dass diese Daten die Entwicklung der letzten 15 Jahre vermutlich besser widergeben als alle anderen. (Zeke Hausfather)

Es handelt sich dabei um die Temperaturen an der Meeresoberfläche. Die sind wichtig, weil von ihnen vieles abhängt: Schon ein Grad mehr oder weniger kann darüber entscheiden, wie schnell das Eis an den Polen schmilzt, ob in der Karibik ein Hurrikan entsteht oder wie stark Korallenriffe unter Stress geraten. Doch für die Klimamodelle sind die Temperaturen in der Tiefe der Meere mindestens genauso wichtig. Da nur sie etwas darüber aussagen, wie viel Energie der Ozean insgesamt aufnimmt und speichert. Hier aber stoßen Satellitenmessungen an ihre Grenzen, sie erfassen nur die Oberfläche.

Um die Entwicklung in der Tiefsee zu messen, wurde vor 16 Jahren das Argo-Programm gestartet. Es besteht aus etlichen tauchenden Messrobotern, die in den Weltmeeren unterwegs sind (s. Karte unten). Es sind im Grunde Röhren, ein Meter lang, 15 cm Durchmesser. Sie tauchen ständig zwischen der Oberfläche und 2000 Meter Tiefe auf und ab, erheben verschiedene Daten, und sobald sie an die Oberfläche kommen, schicken sie die Daten über Satelliten an die angeschlossenen Forschungsinstitute.

"Von diesen Floats oder Messrobotern gibt es ungefähr drei- bis viertausend global verteilt, und diese messen sehr gut die Änderungen der Temperatur in den oberen 2000 Metern des Ozeans", sagt Peter Brandt vom Forschungszentrum GEOMAR in Kiel. Doch das Meer hört auch in 2000 Metern Tiefe nicht auf.

"Die große Tiefe unterhalb von 2000 Metern spielt aber eine wichtige Rolle für die Wärmeaufnahme im Klimasystem, dazu werden diese Floats jetzt auch weiter entwickelt, so dass sie auch bis 4000 oder 6000 Meter Tiefe tauchen könne. Das ist eine große technische Herausforderung, weil der Druck natürlich enorm anwächst in den großen Tiefen. Dadurch wird diese Technik entsprechend teurer, um diese großen Tiefen erfassen zu können." (Peter Brandt)

Die Daten aus der Tiefsee waren zuletzt auch wichtig, um ein weiteres Gegenargument von Klimaskeptikern zu entkräften. Zwischen 1998 und 2015 nämlich hat sich die Erdatmosphäre kaum erwärmt. Skeptiker nahmen das als Beleg, dass es überhaupt keinen menschengemachten Klimawandel gäbe. Inzwischen belegen die Temperaturdaten aus der Tiefsee, dass sich die Erde durchaus erwärmt hat, nur ging die zusätzliche Energie vorübergehend stärker ins Meer als in die Atmosphäre. Es war eine Studie der Nasa, die dies kürzlich noch einmal bestätigte.

Doch die Klimaforscher dort machen sich Sorgen. Ein Berater des designierten US-Präsidenten Trump hatte angekündigt, die Klimaforschung der Nasa dicht zu machen. Inzwischen haben etliche Wissenschaftler vorsorglich schon mal ihre Daten in Sicherheit gebracht. Auch Peter Brandt vom GEOMAR ist sehr gespannt, wie es weiter geht. Denn vom Engagement der USA hänge vieles ab. 

"Man muss abwarten, was passiert. Die USA sind einer der wesentlichen Geldgeber für das globale Klimaprogramm. Ein großer Teil des Argo-Programms etwa wird durch die USA finanziert. Und eine Verringerung des Budgets hätte große Auswirkungen für das globale Klimabeobachtungsprogramm, aber auch für die Wissenschaftler in den USA, die daran arbeiten. (Peter Brandt)

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Gábor Paál