Was geht - was bleibt? Zeitgeist. Debatten. Kultur.

Ein Jahr Krieg gegen die Ukraine - Wie prägt der Schrecken die Menschen?

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AUTOR/IN
Philine Sauvageot
Kristine Harthauer

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Ein Jahr nach Russlands Angriff auf die gesamte Ukraine sind laut den Vereinten Nationen inzwischen mehr als 8 Millionen Menschen aus dem Land geflohen. Auch wenn viele dem Schrecken des Krieges entflohen sind, verfolgen sie die traumatischen Erfahrungen ihr Leben lang, erklärt uns die Traumatherapeutin und Soziologin Manuela Ziskoven.

Lebensbedrohliche Erfahrungen wie ein Krieg, sagt sie, "bleiben im Gehirn und im Körper, in jeder Zelle gespeichert”. Auch wenn eine Therapie dabei hilft, solche dramatischen Erlebnisse abzumildern, sei die dauerhafte Beschädigung, die lebenslange Narbe unvermeidbar. "Die Wunde heilt, aber die Narben bleiben”.

Ein unverarbeitetes Trauma kann sogar an die nächste Generation weitergegeben werden. So war es bei Matthias Lohre. Der Journalist ist ein sogenannter "Kriegsenkel" und hat die Traumata seiner Eltern und Großeltern aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg geerbt. Lange Zeit hatte er das Gefühl: "Ich muss meine Eltern entlasten, ich darf das Maß ihrer Traurigkeit nicht noch vergrößern, ich muss möglichst leicht sein. Und das geht am einfachsten, wenn ich gut funktioniere.”

Habt ihr weitere Themen oder Feedback? Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de.

Hosts: Kristine Harthauer und Philine Sauvageot
Showrunner: Giordana Marsilio

Wir empfehlen zur Folge:
Den Song “Viter viie (Der Wind weht)” von Alyona Alyona

Den Song “Kupala” von Alyona Alyona

Das Buch “Das Erbe der Kriegsenkel” von Matthias Lohre

Was geht - was bleibt? Zeitgeist. Debatten. Kultur. 3 Jahre nach Hanau - Was bleibt außer Bitterkeit und Misstrauen?

“Wir sind alle Hanau”, hieß es nach dem rechtsextremen Anschlag in Hanau.

Stimmt das? Oder schaut ein großer Teil der Gesellschaft weg - aus fehlender Betroffenheit, aus Ignoranz oder Rassismus? Und wie könnte im Gegenteil dazu eine solidarischere Gesellschaft aussehen?

Am 19. Februar 2020 riss ein Rassist in Hanau neun junge Menschen aus dem Leben. Seitdem sind drei Jahre vergangen, aber “nichts ist aufgearbeitet worden", beklagt der Rapper Aksu, der in seinem Song “Wo wart ihr?” den rechtsextremen Anschlag verarbeitet hat. Die vielen offenen Fragen und auch das offensichtliche Fehlverhalten der Sicherheitsbehörden verstärken sein Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Er hätte sich auch in der Musikszene mehr Anteilnahme gewünscht.

Wegsehen zu können sei ein Privileg, meint der Autor Deniz Utlu. Solidarität heißt für ihn, “sich bewusst dafür zu entscheiden, dieses Privileg nicht zu nutzen”.

Aber selbst wenn die Gesellschaft mehr Mitgefühl, mehr Menschlichkeit entwickeln würde - Armin Kurtović, der Vater eines Opfers, gibt zu bedenken: “Egal was wir machen, nichts bringt mir meinen Sohn zurück”.

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Showrunner: Giordana Marsilio

Wir empfehlen zur Folge:
Der Song “Wo wart ihr?” von Aksu https://www.youtube.com/watch?v=gAjHPu3jJKc
Die Soli-Lesung am 11.2. in Hanau und digital https://www.betterplace.org/de/fundraising-events/43634-soli-lesung-in-hanau-wir-vergessen-nicht
SWR2-Feature zur “Lücke von Hanau” https://www.swr.de/swr2/doku-und-feature/die-luecke-von-hanau-100.html
Das Sammelband “Anders bleiben” https://www.rowohlt.de/buch/anders-bleiben-9783499010804
Das Sammelband “Eure Heimat ist unser Albtraum” https://www.ullstein.de/werke/eure-heimat-ist-unser-albtraum/hardcover/9783961010363
Eine ARD-Doku zu den Folgen von Hanau https://www.ardmediathek.de/video/dokus-und-reportagen/hanau-eine-nacht-und-ihre-folgen/hr-fernsehen/Y3JpZDovL2hyLW9ubGluZS8xMjY5MzE
Keywords: Hanau, Anschlag, Rassismus, Solidarität, Gesellschaft, Jahrestag

Was geht - was bleibt? Zeitgeist. Debatten. Kultur. Großeinsatz in Lützerath: Wann ist Polizeigewalt verhältnismäßig?

Man kann den Klimaprotest in und um das niederrheinische Dorf Lützerath gutheißen und gleichzeitig erkennen, dass die Polizeigewalt in der vergangenen Woche offenbar in vielen Fällen verhältnismäßig war.

Diesen Spagat versuchen wir, auch wenn die offizielle Aufarbeitung gerade erst begonnen hat.

Unser Gast Rafael Behr war selbst Polizeibeamter u.a. bei der hessischen Bereitschaftspolizei. Dann studierte er Soziologie und Psychologie und ist heute Professor für Polizeiwissenschaften an der Hochschule der Polizei Hamburg. Er untersucht die Organisationskultur der Polizei und erzählt uns von Widersprüchen und Mängeln.

Ist das wichtige Prinzip der "Verhältnismäßigkeit" nicht schwer zu fassen, gerade für die jungen unerfahrenen Beamten in den Hundertschaften? Die Polizei hat mit ihrem staatlichen Gewaltmonopol das verbriefte Recht, ein Privatgelände unter Einsatz von Schlagstöcken oder Pfefferspray zu bewachen. Aber wie weit darf sie dabei gehen?

Und dann wäre da noch die Polizeigewalt, die tödlich endet. Es ist kompliziert.

Habt ihr Fragen, Kritik oder Anregungen? Dann schreibt uns gern unter kulturpodcast@swr.de.

Host: Philine Sauvageot
Redaktion: Philine Sauvageot und Max Knieriemen

Zum Nachlesen:

Rafael Behr: "Cop culture. Der Alltag des Gewaltmonopols: Männlichkeit, Handlungsmuster und Kultur in der Polizei", 2008.
Georgiana Banita: "Phantombilder. Die Polizei und der verdächtige Fremde“, 2023.

Was geht - was bleibt? Zeitgeist. Debatten. Kultur. Chat GPT: Das Ende der Hausarbeit?

Chatbots wie ChatGPT werden immer mächtiger und finden immer weitere Verbreitung. Das bietet viele Chancen, bringt aber auch Risiken mit sich, gerade für die Textproduktion in der akademischen Forschung und Lehre. „Der klassische Schreibprozess wird ersetzt durch eine völlig neue Form der Interaktion von uns Menschen mit einer Software“, erklärt Doris Weßels, KI-Forscherin von der Fachhochschule Kiel.

Die Technologie ließe sich als Werkzeug, aber auch als Waffe benutzen. Jeder von der Software gelieferte Entwurf müsse bewertet werden, wer damit arbeite, sei noch viel stärker als Gutachter gefordert, so die Wirtschaftsinformatikerin. „Das ist eine Kompetenz, die wir in diesem Dialog zwischen Mensch und Maschine noch viel stärker sehen als zuvor.“

Allerdings wächst mit solchen Maschinen auch die Gefahr, dass Maschinentexte für Betrug genutzt werden. Die Stadt New York hat deswegen die Nutzung von ChatGPT in Schulen schon verboten. Kein guter Weg, findet Robert Lepenies, Präsident der Karlshochschule Karlsruhe. Stattdessen gehe es darum, ChatGPT in die Lehre zu integrieren und den Prozess des Schreibens, des kritischen Nachdenkens und Diskutieren in den Fokus zu nehmen. Die Betreuung an Universitäten muss sich verändern, um hier Schritt zu halten.

Habt ihr Fragen, Kritik oder Anregungen? Dann schreibt uns gern unter kulturpodcast@swr.de

Host: Christian Batzlen
Redaktion: Christian Batzlen und Max Knieriemen

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Philine Sauvageot
Kristine Harthauer