300 Jahre Musik in Karlsruhe Teil 1

Vom Schloss gejagt: Johann Philipp Käfer

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Autorin: Fanny Opitz. Onlinefassung: Gabriele Heuer

Dort, wo heute Karlsruhe ist, war vor 300 Jahren nur eine öde Fläche. Mitten in der badischen Einöde ließ sich der Markgraf ein riesiges Schloss nach französischem Vorbild bauen. Natürlich durfte ein stattliches Orchester nicht fehlen. Die Hofkapelle ist der Beginn eines regen Musiklebens in Karlsruhe.

Das Karlsruher Schloss: Wo heute Kinder und Hunde durch den Park tollen, Touristen im Badischen Landesmuseum ein- und ausgehen und Verfassungsrichtern die Köpfe rauchen – sagten sich vor 300 Jahren nur Fuchs und Hase gute Nacht. Hier im badischen Wald soll der Markgraf Karl Wilhelm einst auf der Jagd von einem prunkvollen Schloss geträumt haben.

Umzug in ein zugiges Holzschloss im Nirgendwo

Dass es ihm mit diesem Traum ernst war, schwante auch seinen Musikern in der Durlacher Karlsburg. Ihnen fiel der Umzug von der pulsierenden Karlsburg in ein zugiges Holzschloss im Nirgendwo wohl nicht leicht. Aber als Musiker musste man tun und lassen, was dem Markgrafen beliebte. Auch in die neue Residenz "Carlos Ruhe" mit Kind und Kegel umziehen.

"Es gab eine Kleiderordnung, wie man als Musiker zu erscheinen hatte", erzählt die Musikerin Kirstin Kares. "Das war die Kleiderordnung eines Dieners. Und genauso wurden die Musiker auch behandelt. Sie hatten zu kommen und zu gehen nach den Wünschen des jeweiligen Herrschers."

Erster Kapellmeister Johann Philipp Käfer - unehrenhaft entlassen

Die Bratschistin und Dirigentin Kirstin Kares hat zusammen mit dem Karlsruher Barockorchester die Musik des Karlsruher Hofes aus dem Dornröschenschlaf erweckt. Sie ist in Archive gestiegen und hat in Detailarbeit den Klang der Hofkapelle rekonstruiert. Einer, dem das Treiben des absolutistischen Markgrafen nicht geheuer war, war Johann Philipp Käfer. Er war der erste Hofkapellmeister in Karlsruhe. Wegen Querelen um Urlaubs- und Gehaltsregelungen wurde er unehrenhaft entlassen. Man vermutet sogar, er habe seine Stücke heimlich verkauft.

"Daran kann man auch sehen, bei wem der Musiker angestellt war, der war sozusagen das Eigentum des jeweiligen Herrschers. Und wenn der etwas komponiert hat, dann gehörte das geistige Eigentum dem Herrscher, da konnte der Musiker nicht irgendwo anders hingehen", erzählt Kirstin Kares.

Musiker als Inventar des Hofes

Selbst als Hofkapellmeister – einem Ehrenamt – war man nur ein weiteres Inventarium des Hofes. Auch Sebastian Bodinus, Geiger und späterer Premierviolinist in Stuttgart, wurde zunächst als Lakai und Oboist eingestellt. Das war zu dieser Zeit nichts Ungewöhnliches, so Kirstin Kares: "Man weiß von Joseph Haydn, dass er auch von seinem Anstellungsvertrag her die Aufgaben eines Dieners hatte und dass er zwar für seine Kapelle der Vorgesetzte war, aber sozusagen der Vorgesetze der Lakaien".

Kapellmeister als Musiklehrer

Johann Melchior Molter (Foto: picture-alliance / dpa, picture-alliance / dpa -)
Johann Melchior Molter

Die Musiker mussten sich immer in der Nähe des Hofes aufhalten. Wenn Karl Wilhelm Musik wünschte, so musste sie gespielt werden – egal zu welcher Stunde. Viele Kapellmeister waren zudem auch Lehrer. Es kam damals häufig vor, dass die Adeligen ein Musikinstrument lernten. "Dann haben sie natürlich ihren Hofkapellmeister dazu geholt zum Geigen oder Cembalo-Spielen oder auch als Lehrer für die Frau oder die Kinder", erklärt Kirstin Kares.

Etwa zwanzig bis dreißig Musiker spielten in der Karlsruher Hofkapelle, je nach finanzieller Lage. Sogar Johann Melchior Molter, der heute zu den bedeutendsten musikalischen Figuren am Hofe zählt, musste sich zeitweise nach einer anderen Stelle umsehen. Er war Konzertmeister während der Erbfolgekriege. Zu dieser Zeit wurde die Hofkapelle geschlossen und Molter konnte nicht mehr als Hofkapellmeister arbeiten. Er ging dann zurück in seine Heimat nach Eisenach, blieb aber immer mit dem Karlsruher Hof in Kontakt. Als dann in Karlsruhe wieder mehr Geld da war, wurde Molter tatsächlich wieder eingestellt.

Bildungsreise für Kapellmeister Molter

Zur Zeit Molters war italienische Musik besonders in Mode. Doch italienische Musiker waren sehr teuer. Molter, dessen Begabung Karl Wilhelm schon als junger Geiger in Durlach auffiel, schickte der Markgraf daher auf Bildungsreise. "Es ist ganz klar nachweisbar, dass er den vivaldischen Stil dort kennengelernt hat. Die ganzen frühen Molter-Symphonien klingen wie Vivaldi-Stücke", sagt Kirstin Kares.

Musik zur Unterhaltung

Einen eigenen Stil konnten die Hofkomponisten und Kapellmeister jedoch nicht ausprägen. Was von ihnen erwartet wurde, gab alleine der Markgraf vor. "Wir werfen ja den Komponisten aus heutiger Sicht vor, dass sie nur mittelmäßig sind im Vergleich zu Haydn, Mozart und Beethoven", meint Kirstin Kares, "aber die Musik, wie wir sie hier am Karlsruher Hof vorfinden, auch bei Molter zum Beispiel, das ist die normale Situation gewesen, dass die Musik sozusagen die Unterhaltung war. Wenn wir uns überlegen, wie viel Musik wir heute zwangsweise hören müssen, die auch nicht sehr hochwertig ist - genau so eine Funktion hatte die Musik damals. Sie hatte zu unterhalten, sie musste gut sein und sie wurde manchmal sogar nur einmal gespielt und ist dann in der Versenkung verschwunden."

Karl Wilhelm blieb bis in sein hohes Alter von knapp sechzig Jahren ein Freund der guten Unterhaltung, ein barocker Lebemensch in einem Lustschloss. Besonders liebte er neben der Musik seltene Blumen - vor allem Tulpen - und junge Damen. Mit den so genannten Blumenmädchen, einer Schar von jungen Hofdamen, konnte er alles verbinden. Sie zog er als Sängerinnen groß und ließ sich von ihnen fürstlich unterhalten.

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Autorin: Fanny Opitz. Onlinefassung: Gabriele Heuer