Musikstück der Woche vom 5.11. bis 11.11.2012

Volker David Kirchner: "Echo und Narziss" Poème für Klavierquartett

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AUTOR/IN
Kerstin Unseld

Ovid erzählt von der Bergnymphe Echo, der die zornig-eifersüchtige Göttergattin Hera die Sprache raubt. Echo darf fortan nur noch antworten. Widerhall wird ihre Sprache.

Ovid erzählt von der Bergnymphe Echo, der die zornig-eifersüchtige Göttergattin Hera die Sprache raubt. Echo darf fortan nur noch antworten. Widerhall wird ihre Sprache. Volker David Kirchner verdichtet Echos Schicksal und erhebt so den Widerhall zum Kompositionsprinzip. Das Fauré Quartett spielte dieses 2005 entstandene "Poème für Klavierquartett".

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Mainzer Komponist Volker David Kirchner (Foto: picture-alliance / dpa, picture-alliance / dpa - picture-alliance / dpa)

Zeitgenössische Poesie als Echo auf antike Mythologie

"Diese Musik überzeugt mich durch ihre absolute Ehrlichkeit", sagte der 2008 verstorbene Musikkritiker und Neue Musik-Experte Ulrich Dibelius über Volker David Kirchners Werke und formulierte damit eine Wirkung seiner Musik, die von Publikum und Kritik gleichermaßen empfunden wird.

Der Mainzer Komponist Kirchner (*1942) begann seine Laufbahn als Bratscher, u.a. beim Radio-Sinfonie-Orchester Frankfurt, wandte sich aber immer mehr der Komposition zu. Seit 1988 lebt er, der in Mainz und Köln u.a. bei Bernd Alois Zimmermann studiert hat, wieder in seiner Heimatstadt als freischaffender Künstler und vielfach ausgezeichneter Komponist. Kirchner schuf eine Fülle von Werken für das Musiktheater wie die Opern "Gilgamesh" zur Expo 2000 in Hannover und die Oper "Ahasver" im Auftrag des Bielefelder Theaters. Neben dem Musiktheater gilt Kirchners Interesse besonders auch der Orchester- und der Kammermusik.

Im Jahr 2007 spielte das Fauré Quartett die Uraufführung seines Poèmes "Echo und Narziss (2005)". Es ist ein kleines, etwa achtminütiges Stück Programmmusik, dessen Stoff Kirchner der griechischen Mythologie entnommen hat. Interessant ist, wie der Komponist den alten Mythos in ein musikalisch-psychologisches Porträt umsetzt. Die Nymphe Echo darf nicht sprechen, sondern nur Gehörtes wiederholen. Sie liebt den schönen Narziss, kann sich ihm nicht erklären und stößt somit nicht auf Gegenliebe. Narziss wird von den Göttern für seine Arroganz bestraft und mit dem Missgeschick geschlagen, sich in sein eigenes – unerreichbares - Spiegelbild zu verlieben. Beide Schicksale sind gezeichnet von unerfüllter Sehnsucht und andauernder Enttäuschung, und der Komponist Kirchner gibt das durch fein ziselierte Streicherklänge voller Chromatik sowie durch Klangtupfer des Klaviers wieder. Als "Poème" skizziert das Werk die seelischen Qualen der beiden mythischen Figuren verhalten nach und verzichtet auf laute, aufdringliche Effekte. Trotz seiner Programmatik steht weniger die Geschichte von Echo und Narziss im Vordergrund als deren Seelenzustände und die poetische Idee vom Lauschen auf ein Echo oder vom Widerspiegeln des eigenen Wesens. In leisesten Tönen und Klängen, die zeitweise nur noch zu erahnen sind, verklingt das Poéme. 

Fauré Quartett

Es ist ein Lob, das adelt: "Wer das Fauré Quartett hört, möchte es wieder hören", sagte die argentinische Pianistenlegende Martha Argerich nach einem Konzert des Fauré Quartetts in Karlsruhe. An der dortigen Musikhochschule trafen sich die vier Musiker als Studierende, und 1995, als sich der Geburtstag des Komponisten Gabriel Fauré zum 150. Mal jährte, wählten sie aus Liebe zu den beiden Klavierquartetten Faurés dessen Namen auch für ihr Ensemble. Der Karlsruher Musikhochschule ist das Fauré Quartett nach wie vor verbunden, heute als "Quartet in Residence", - einer Auszeichnung, die in Karlsruhe seit 30 Jahren nicht vergeben wurde und für ein Klavierquartett ein Novum darstellt.
Von Beginn an und damit seit fast 15 Jahren spielt das Faurè Quartett in der Besetzung mit Erika Geldsetzer aus Betzdorf (Violine), dem Bratscher Sascha Frömbling (geboren 1974 in Mexico City), dem Cellisten Konstantin Heidrich (1975 in Hamburg geboren) und dem Pianist Dirk Mommertz aus Mainz. Die vier Musiker bringen mit Kinderkonzerten und ihrer Initiative ”Rhapsody in school” klassische Musik regelmäßig auch Kindern und Jugendlichen nahe. Außerdem unterrichten sie im Rahmen von Professuren und Lehraufträgen an der Royal Academy of Music in London, der Universität der Künste in Berlin, der Essener Folkwang Hochschule und der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber in Dresden.

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Kerstin Unseld