Musikstück der Woche vom 28.11.2016

Wer ist der Urheber? Und wenn ja, wie viele?

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AUTOR/IN
Katharina Höhne

Johann Sebastian Bach und Carl Philipp Emanuel Bach: Triosonate d-Moll BWV 1036 und Helm-Verzeichnis 569

Johann Sebastian Bach war ein Überflieger. Mit jedem Stück, das er schrieb, drehte er an den Schrauben des Barock. Nur in Sachen Ordnung verhielt er sich alles andere als vorbildlich. Ganz im Gegenteil. Er kümmerte sich reichlich wenig um eine anständige Archivierung seiner Musik. Deshalb ist oft weder etwas über ihre Entstehungszeit noch ihren entsprechenden Kompositionsanlass bekannt.

Was aber weitaus tragischer ist: Bach vergaß in regelmäßigen Abständen seinen Namen auf die meist lose Blattsammlung zu setzen, sodass viele seiner Werke bis heute ein urheberrechtliches Rätsel bleiben – genauso wie die Triosonate d-Moll BWV 1036.

Das Kölner Kammermusikensemble NeoBarock hat Bachs Musik im Dezember 2012 im Schloss Waldthausen eingespielt – unser Musikstück der Woche.

Die Sache mit dem Urheberrecht             

Ein Urheber ist der Schöpfer eines Werkes – ganz egal ob es sich dabei um einen journalistischen Text oder ein Stück Musik handelt. Das Urheberrecht schützt ihn und tritt mit der Vollendung seines Werkes in Kraft. Während wir heute akribisch darauf achten, unter alles, was wir tun, unseren Namen zu setzen oder vor Gericht ziehen, um uns in einem monatelangen Prozess über die Definition des Urheberrechts zu streiten, schien zumindest im Zeitalter des Barock niemand etwas davon wissen zu wollen. Selbst bedeutende Künstler wie Johann Sebastian Bach war es schlichtweg egal, was mit ihrer Musik passierte. Zumindest auf dem Papier.

Bach hinterließ selten ein Copyright. Wie am Fließband produzierte seine Werke und griff dabei gern in die eigene Schublade, um alte Ideen neu umzusetzen. Für Bürokratie blieb ihm kaum Zeit. Er ging einfach davon aus, dass man seiner Musik den kreativen Kopf dahinter anhöre. Ansehen konnte man es ihr jedenfalls nicht. Zeitlebens ließ Bach seine kompositorischen Skizzen meist von anderen abschreiben  oder kopieren. Was ihm darüber hinaus ebenfalls nicht in die Urheberrechtskarten spielt: nach seinem Tod – so schillernd seine Karriere auch war – ging die Erinnerung an ihn verloren. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts, mit der Wiederaufführung seiner berühmten Matthäuspassion unter Felix Mendelssohn Bartholdy, kam sie zurück und löste ein verstärktes Interesse an seiner Musik aus. 

Welcher Bach?

Die Triosonate gehörte zu Bachs Lebzeiten zu einer der wichtigsten Gattungen in der Kammermusik. Sie fand Liebhaber in allen Teilen der Gesellschaft. Bach brachte einige Sonaten zu Papier, nur bei seiner Triosonate d-Moll ist sich die Wissenschaft uneinig, ob wirklich er der Urheber ist. Einige vermuten, dass sein Sohn Carl Phillip Emanuel hinter der Musik steckt bzw. dass beide gemeinsam daran gearbeitet hätten. Die tatsächliche Gewissheit darüber bleibt aber – zumindest für den Augenblick – nichts als bloße Spekulation.

Die Sonate wurde ursprünglich für zwei Violinen und Basso Continuo geschrieben. Sie besteht aus vier Sätzen: Das Adagio beginnt mit einem rezitativen Zwiegespräch zwischen den Violinen, wobei es weniger wie ein aufwühlender Diskurs als ein wohlwollendes und einvernehmliches Miteinander klingt. Dieses wird im anschließenden Allegro weitergeführt – beschwingt und lebensfroh. Reflexiv und süßlich geht dieses ins Largo über, das im Vivace seinen tänzerisch-beschwingten Gegenpol und Höhepunkt findet. Darin agieren die Violinen virtuos und finden in Erinnerung an das anfängliche Adagio einen Abschluss.

Ensemble NeoBarock

"Wir können und wollen längst vergangene Epochen nicht kopieren. Unsere Forschungen, das Quellenstudium und auch unsere Barockinstrumente sind kein Selbstzweck, sie sind unsere Werkzeuge." Das Kölner Kammermusikensemble NeoBarock transportiert mit Sachverstand und wissenschaftlicher Akribie, vor allem aber "mit expressiver Leidenschaft, mit Herzblut getränkter Lebenslust und Sinnlichkeit", wie der Südkurier schreibt Alte Musik ins Hier und Jetzt und lässt dabei die Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart verschwinden. 

NeoBarock – das ist Barockmusik am Puls unserer Zeit, neu erlebt und erfühlt für Menschen von heute. Seit ihrer Gründung 2003 haben sich Volker Möller (Violine),
Maren Ries (Violine), Ariane Spiegel (Violoncello) und Rossella Policardo (Cembalo) mit ihren Interpretationen den Ruf als exzellenter Interpreten außergewöhnlicher Programme erspielt und zählen zu den Spitzenformationen seiner Art. Das Ensemble ist auf allen großen europäischen Bühnen zu Gast und steht für Rundfunk- und CD-Produktionen regelmäßig im Studio. Vielbeachtet und u. a. mit dem ECHO Klassik ausgezeichnet, widmet sich NeoBarock vor allem Johann Sebastian Bach und seinem Umfeld. The Huffington Post schrieb dazu: "Die stilistisch brillanten, dynamischen und leidenschaftlichen Auftritte von NeoBarock nehmen in der Bach-Interpretation des 21. Jahrhunderts eine wegweisende Spitzenposition ein." 

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Katharina Höhne