Musikstück der Woche

Sebastian Manz und Martin Klett spielen Schumanns Fantasiestücke für Klarinette und Klavier op. 73

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AUTOR/IN
Lara Fischer

Wohin soll man gehen, wenn scheinbar alles um einen herum zusammenfällt? Während der Märzrevolution 1848/49 fand Robert Schumann seinen Zufluchtsort in der Musik. So entstanden die Fantasiestücke für Klarinette und Klavier op. 73.

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In den Wirren der Revolution

Die Jahre 1848 und 1849 sind zentral für die deutsche Demokratie- und Nationalstaatsgeschichte: Throne gerieten ins Wanken, der „Aufbruch zur Freiheit“ lag in der Luft und die Menschen forderten Teilhabe an der Gesetzgebung und am politischen Prozess. Es kam zu Protesten, Revolution, Gegenrevolution und Ausschreitungen.

Robert Schumann bekam die Umbrüche hautnah mit. Im Mai 1849 erreichten die Wirren der Revolution auch Dresden. Ziel der Revolutionäre war es, König Friedrich August II. von Sachsen zu stürzen und eine sächsische Republik zu etablieren. Als sich die Situation verschärfte, flüchtete die Familie Schumann aus der Stadt.

Ausgerechnet die Zeit der Märzrevolution bezeichnete Schumann später als seine künstlerisch produktivste Phase. Tatsächlich brachte er 1849 eine ganze Menge neuer Kompositionen zu Papier.

An seinen Freund Ferdinand Hiller schrieb er: „Sehr fleißig war ich in dieser ganzen Zeit – mein fruchtbarstes Jahr war es – als ob die äußern Stürme den Menschen mehr in sein Inneres trieben, so fand ich nur darin ein Gegengewicht gegen das von Außen so furchtbar Hereinbrechende“.

Porträt von Ferdinand von Hiller (Foto: IMAGO, IMAGO / Heritage Images)
Ferdinand von Hiller gehörte zum Freundeskreis der Schumanns aus der Dresdner Zeit. Ihm ist u. a. das a-Moll Klavierkonzert gewidmet, dessen Uraufführung er dirigiert hat.

Musik in Zeiten des Umbruchs

Welche Musik mag Robert Schumann wohl in dieser Zeit geschrieben haben? Womöglich großangelegte Orchesterkompositionen, die die Proteste und Umschwünge in Musik fassen? Aufwühlende Musik mit lautem Getöse und einem triumphalen Finale? Nein. Robert Schumann schrieb Kammermusik und beschränkte sich dabei auf eine minimalistische Besetzung, nämlich auf das Duo. Eröffnet wurde die Kammermusikserie im Februar 1849 mit den Fantasiestücken für Klarinette und Klavier op. 73.

Als die Komposition fertig war, setzte sich Clara Schumann sofort ans Klavier und spielte zusammen mit dem Klarinettisten Johann Gottlieb Kotte die Stücke mit „großem Vergnügen“ aus dem Manuskript.

Vergnügen bereitete ihnen vermutlich der spielerische Umgang mit dem Klang der Klarinette, denn sie schlüpft in den drei kurzen Stücken in unterschiedlichste Rollen: Mal präsentiert sie sich groß im Ton, mal darf sich das Instrument von seiner draufgängerischen Seite zeigen und in den gesanglichen Passagen umhüllt die Klarinette die Hörerinnen und Hörer mit ihrem weichen Sound.

Eine Flucht ins biedermeierliche Idyll?

Warum aber schrieb Schumann ausgerechnet in der Zeit der Märzrevolution beschauliche Kammermusik? Zog sich Schumann einfach aus der politischen Situation zurück und flüchtete sich in ein häusliches Idyll?

Ganz so einfach ist es nicht. Schumann vertrat durchaus liberale Ansichten. Mit dem gewaltsamen Durchsetzen der Ideale konnte er sich allerdings nicht anfreunden.

Außerdem schuf Schumann mit den Fantasiestücken für Klarinette und Klavier, aber auch mit seinen anderen Kammermusikwerken aus dieser Zeit gewissermaßen Musik „im Volkston“. Es ging nicht ausschließlich um den virtuosen Auftritt im Konzertsaal.

Stattdessen können die Stücke auch im häuslichen Umfeld erklingen. Schumanns Ziel war es, allgemein verständliche Musik zu schaffen, ohne aber ins Belanglose abzudriften. Und damit traf er den Nerv der Zeit.

Schumanns Verleger sorgte schließlich dafür, dass der Erstausgabe der Fantasiestücke auch alternative Stimmen beigelegt wurden. Die Komposition kann also ohne schlechtes Gewissen in der Besetzung Violine und Klavier oder Cello und Klavier gespielt werden.

Schumann Op. 73, I für Cello und Klavier

Damit machte Schumann nicht nur seinen Verleger glücklich, sondern auch sein Portemonnaie, denn die Fantasiestücke waren äußerst beliebt. Mit den verschiedenen Besetzungsvarianten konnte letztlich ein größerer Markt angesprochen und für mehr Umsatz gesorgt werden.

Sebastian Manz

Sebastian Manz ist ein Allround-Musiker: solistisch und kammermusikalisch auf der Klarinette unterwegs, seit 2010 Solo-Klarinettist des SWR Symphonieorchesters, Arrangeur, Experimentator. Seinen großen Durchbruch feierte Sebastian Manz 2008 beim Internationalen Musikwettbewerb der ARD in München.

Kurz zuvor gewann er mit seinem Klavierpartner Martin Klett den Deutschen Musikwettbewerb. 2017 veröffentlichte Sebastian Manz als Co-Produktion mit dem SWR sämtliche Klarinettenwerke von Carl Maria von Weber. Mit ausgezeichneter Resonanz wurde die Aufnahme in die Bestenliste der Deutschen Schallplattenkritik aufgenommen und erhielt einen ECHO Klassik.

Martin Klett

Tango und Klassik. Für Martin Klett sind solche Kontrastwelten kein Widerspruch. Der Pianist spielt mit gleicher Hingabe und Vollendung klassische Klavierkonzerte wie Tangos und jazzig gefärbte Rezitale; gerne mit Duopartner Sebastian Manz.

Nicht nur seine Konzertprogramme bilden diese Vielfältigkeit ab, sondern auch seine Diskographie, die bereits elf CDs umfasst – davon zwei solistische Alben, fünf Kammermusikeinspielungen und vier Alben mit dem Cuarteto SolTango.

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