Musikstück der Woche

François-Xavier Roth dirigiert das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg mit Bruckners Sinfonie Nr. 8

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AUTOR/IN
Jörg Lengersdorf

„Freilich habe ich Ursache, mich zu schämen… wegen der Achten. Ich Esel!“ (Anton Bruckner)

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Anton Bruckner wird von Selbstzweifeln gequält

Drei Jahre hatte Anton Bruckner an seiner achten Sinfonie geschrieben, von 1884 bis 1887. „Halleluja!“, schrieb Bruckner an Hermann Levi, den Uraufführungsdirigenten von Wagners Parsifal. Levi war ein Mentor, ein Vorbild, ein Mann, den Bruckner selbst als „künstlerischen Vater“ betrachtete. Er sollte der Erste sein, der die Sinfonie lesen dürfe, meinte Bruckner, und schickte ihm gleich die dicke Partitur. Levi würde das Stück doch sicher dirigieren wollen?

Levi ist entsetzt

Wollte er nicht. Ganz im Gegenteil, Levi war entsetzt von dem monumentalen Riesenwurf, traute sich aber nicht recht, Bruckner seine Kritik direkt mitzuteilen.

Ein Schüler Bruckners musste die Hiobsbotschaft stellvertretend überbringen.

Was folgte, war eine häufige Reaktion Bruckners: Unsicherheit, Verzweiflung, ein wortwörtliches Ringen mit der Fassung.

Denn nach der an Levi verschickten ersten Fassung der achten Sinfonie machte Bruckner sich an eine zweite. Zwischendurch schrieb er an Levi, wie sehr er sich schäme für den ersten Versuch.

Nun endete der Kopfsatz nicht mehr krachend laut, sondern im Pianissimo, also ausgesprochen leise, „nach unser aller Wunsch“, wie Bruckners Schüler sofort feststellen durfte.

Wer wollte was?

Aber wessen Wünsche waren bei den zahlreichen Änderungen berücksichtigt worden? Bruckners ureigene künstlerische Visionen? Oder doch „Aller Wünsche“, also jene Vorstellungen von Hermann Levi und von Bruckners Schüler?

Und inwieweit hatte der selbstzweifelnde Bruckner verschiedene Ideale einer gelungenen Sinfonie eigentlich miteinander in Einklang bringen können?

Das Ringen um die Fassung

Diese Frage beschäftigt Ausführende, Herausgebende und Verlage bis heute, und so existieren auch von Bruckners Achter verschiedene Fassungen, die man im Konzertsaal hören kann. Eine erste Fassung von 1887, eine Intermediärvariante von 1888 und gleich mehrere Fassungen, in denen sich Herausgeber direkt auf die 1890er Zweitfassung berufen, beziehungsweise diese wieder näher an die ursprünglichen Ideen Bruckners von 1884 annähern.

Brucknerspezialist Günther Wand berief sich in gleich mehreren stilprägenden Einspielungen auf die im Musikwissenschaftlichen Verlag Leipzig von Robert Haas herausgegebene sogenannte „Originalfassung (1884-1890)“, welche zwischen Erst- und Zweitschrift vermittelt. Jener Ausgabe bedienten sich auch Herbert von Karajan, Pierre Boulez, Herbert Blomstedt oder, wie hier, François-Xavier Roth im SWR2 Musikstück der Woche.

Harfen – eigentlich nicht, oder?

Im Adagio der Achten Symphonie setzte Bruckner sowohl in der ersten als auch in der zweiten Fassung Harfen ein. Kurios, denn Bruckner fand normalerweise: „A Harf’n g’hert in ka Symphonie“. Dass er sie dennoch einsetzte, kommentierte der Meister lapidar mit „i’ hab’ ma nöt helf’n könna!“

Das SWR Symphonieorchester und François-Xavier Roth – eine lange Geschichte

1946 wurde das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg gegründet. Fortan identifizierte es sich mit den Idealen seiner "Gründerväter", die der festen Überzeugung waren, dass die engagierte Förderung der neuen Musik ebenso wichtiger Bestandteil des Rundfunk-Kulturauftrags ist wie der Umgang mit der großen Tradition.

In diesem Sinne haben die Chefdirigenten von Hans Rosbaud über Ernest Bour bis zu Michael Gielen gearbeitet und ein Orchester kultiviert, das für seine schnelle Auffassungsgabe beim Entziffern neuer Partituren ebenso gerühmt wurde wie für exemplarische Aufführungen und Einspielungen des traditionellen Repertoires eines großen Sinfonieorchesters.

Rund 400 Kompositionen hat das Orchester uraufgeführt und damit Musikgeschichte geschrieben. Michael Gielen prägte das Orchester als Chefdirigent in den Jahren 1986-99, dann übernahm Sylvain Cambreling, 2011-2016 François-Xavier Roth. Im September 2016 wurde das Orchester mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR zusammengeschlossen zum SWR Symphonieorchester, das ab 2025 nach Teodor Currentzis erneut François-Xavier Roth als Chefdirigenten begrüßen können wird.

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