Musikstück der Woche vom 25.10 bis 1.11.2010

Rokoko-Rest

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AUTOR/IN
Kerstin Unseld

Beethovens Quartett-Erstling Opus 18 atmet noch den 'Duft' der alten Zeit und weist musikalisch doch weit voraus.

Im Ettlinger Schlosskonzert am 26. Oktober 2008 spielten die aus Polen und der Ukraine stammenden Musiker des Szymanowski-Quartetts das sogenannte "Komplimentierquartett".

Galante Verbeugung im Quartettformat

Jener Fürst Lobkowitz, der 1799 bei Haydn die Streichquartette op. 77 bestellt hatte, war vor allem für einen anderen Komponisten dieser Zeit ein wichtiger Förderer: für Ludwig van Beethoven. Als Beethoven sich schon fast 30-jährig endlich an die Komposition von Streichquartetten wagte, widmete er diesen Zyklus op. 18 seinem Förderer Lobkowitz. Die Bedeutung, die Beethovens Premiere im Bereich des Streichquartetts für dessen Entwicklung hatte, ist ebenso immens wie unbestritten. Schmunzeln lösen daher Zeitzeugenberichte aus, die von anfänglichen Schwierigkeiten bei der Rezeption dieser Werke erzählen. Als der Komponist und Geiger Louis Spohr sich in Berlin kurz nach Veröffentlichung von op. 18 mit diesen Quartetten in eine große Abendgesellschaft wagte, wurde er, wie er in seiner Autobiographie beschrieb, gerügt: "Aber, lieber Spohr, wie können Sie nur so barockes Zeug spielen?" Das Adjektiv "barock" wurde damals im Sinne von "absonderlich" gebraucht.

Barock nach heutigem Verständnis ist an den ersten Quartetten von Beethoven mit Sicherheit nichts mehr. Dafür gelten sie als der Inbegriff des klassischen Quartetts. Das G-Dur-Quartett op. 18 Nr. 2 wird häufig auch als das "Komplimentierquartett" bezeichnet, was zum Ausdruck bringt, dass es zum ersten Quartett des Zyklus' durch seinen galanten Ton einen deutlichen Kontrast bildet. Ein wenig schimmert in dieser Musik noch "ancien régime" durch - insofern ist ein Rokoko-Rest durchaus spürbar. Aber Beethoven griff hier mit 'modernen',  d.h. im Jahr 1799 mit klassischen Mitteln, auf die Divertimento-Tradition des 18. Jahrhunderts zurück.

Szymanowski Quartett

Die Ensemblegeschichte des 1995 gegründeten Szymanowski Quartetts zieren Erfolge bei Wettbewerben, deren Namen bereits auf Komponisten hinweisen, die den vier aus Polen und der Ukraine stammenden Musikern am Herzen liegen. So erhielt das Ensemble einen ersten Preis beim internationalen Musikwettbewerb "In Memoriam Dmitri Schostakowitsch" in Hannover und wurde 2005 mit dem renommierten "Szymanowski-Preis" ausgezeichnet. Damit ging dieser von der „Karol Szymanowski Foundation“ in Warschau verliehene Preis zum ersten Mal in seiner Geschichte an ein Streichquartett. 

Seine kammermusikalische Ausbildung erhielt das Szymanowski Quartett an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover bei Hatto Beyerle, der das Ensemble als Lehrer und Mentor betreute. Neben seiner regen Konzerttätigkeit verfeinert das Szymanowski Quartett sein Spiel durch regelmäßige musikalische Arbeit mit Isaak Stern, Walter Levin und Quartetten wie Amadeus, Emerson, Juilliard und Guarneri. Seit 2000 unterrichtet das Ensemble als "Quartet in Residence" selbst eine Kammermusikklasse an der Musikhochschule Hannover. Nach über 10 Jahren Zusammenarbeit in unveränderter Besetzung hat im Ensemble die Position des Primarius' gewechselt: 2006 wurde Marek Dumicz von Andrej Bielow abgelöst. Der 1981 in der Ukraine geborene Geiger studierte von 1996 an ebenfalls an der Musikhochschule in Hannover und ist u.a. ARD-Preisträger des Jahres 1999.

Neben dem klassisch-romantischen Repertoire erarbeitet das Szymanowski Quartett regelmäßig Werke zeitgenössischer Komponisten, so u. a. von Magnus Lindberg, Elena Kats-Chernin, Philip Cashian, Thomas Larcher und Andrew Toowey, von denen einige ihre Stücke dem Szymanowski Quartet gewidmet haben.

"Außerordentliches Empfinden für die Klangbalance im Ensemble“ konstatierte der Musikkritiker Paul Cutts in "The Strad" 2002 dem Szymanowski Quartett. Neben dem künstlerischen Aspekt zeichnen für die Klangbalance besonders auch die Instrumente selbst verantwortlich, die sich in diesem Ensemble interessant zusammensetzen. Mit Ausnahme des Primarius’, der auf einer Geige von Guiseppe (Filius Andreae) Guarneri musiziert, spielen alle Mitglieder auf modernen Instrumenten aus der Werkstatt von Hans Schicker in Freiburg im Breisgau.

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Kerstin Unseld