Musik der Woche vom 29.6. bis 6.7.2009

Virtuoses für die Kniegeige

Stand
AUTOR/IN
Doris Blaich

Johann Gottlieb Graun: Konzert für Gambe und Orchester A-Dur

Graun war ein berühmter Geiger und Konzertmeister bei Friedrich dem Großen. Sein Gambenkonzert in A-Dur ist unser "Musikstück der Woche" - mit Vittorio Ghielmi als Gambisten und dem Freiburger Barockorchester; ein SWR-Mitschnitt vom März 2008 aus dem Freiburger Konzerthaus.

Johann Gottlieb Graun war einer der berühmtesten Geiger seiner Zeit - sogar Johann Sebastian Bach, der ja ebenfalls brillant Geige spielte, schickte seinen Lieblingssohn Wilhelm Friedemann zu ihm in den Unterricht. Mit Ende zwanzig trat Graun in die Dienste von Friedrich dem Großen, wo er fast vierzig Jahre lang wirkte, bis zu seinem Tod 1771 - als Konzertmeister hoch geehrt, und mit einem fürstlichen Jahresgehalt von 1200 Talern (zum Vergleich: Carl Philipp Emanuel Bach, der Cembalist am Hof Friedrichs des Großen war, verdiente gerade mal ein Viertel davon).

Graun war ein 'Sandwichkind'; sein älterer und sein jüngerer Bruder wurden beide ebenfalls Musiker. Von ihrem Vater hatten sie ihre musische Neigung wohl nicht geerbt, denn der war Steuereintreiber und Brauer. Trotzdem schickte er den jungen Johann Gottlieb Graun nach Dresden an die Kreuzschule, wo dieser eine gute musikalische Ausbildung genoss und die hervorragenden Musiker der sächsischen Hofkapelle kennenlernte. Einer der besten, der Vivaldi-Schüler Johann Georg Pisendel, gab ihm Violinunterricht, außerdem lernte er bei Giuseppe Tartini (dem Komponisten der "Teufelstriller-Sonate").

Der Löwenanteil von Grauns Kompositionen ist natürlich für sein eigenes Instrument, die Geige. Mindestens acht Konzerte schrieb er für die Viola da Gamba, die "Kniegeige"; sie zeigen, dass Graun mit den technischen Möglichkeiten der Gambe bestens bekannt war und sie phantasievoll ausschöpfte.

Der Gambist Vittorio Ghielmi

stammt aus Mailand. Er studierte Gambe bei Roberto Gini, Wieland Kuijken und Christophe Coin und unterrichtet heute selbst am Konservatorium von Brescia. Als Solist und als Dirigent hat er mit vielen herausragenden Ensembles der Alten Musik gearbeitet, aber auch mit großen Sinfonieorchestern wie dem Los Angeles Philharmonic oder den Wiener Philharmonikern. Sein eigenes Ensemble "Il suonar parlante" ist bekannt für seine unkonventionelle Herangehensweise an die Musik vergangener Jahrhunderte: das Ensemble arbeitet immer wieder mit Musikern aus dem Jazz und der Neuen Musik zusammen, und viele Jazzgrößen schrieben eigens dafür Stücke.

Vittorio Ghielmi ist Autor einer weit verbreiteten Gambenschule und Herausgeber sämtlicher Gambenkonzerte von Johann Gottlieb Graun. Er spielt auf einer Viola da Gamba von Michel Colichon, gebaut 1688 in Paris.

Freiburger Barockorchester

Der Barock spielt für das FBO auch im zwanzigsten Jahr seines Bestehens eine besondere Rolle. Zwar haben sich die "Freiburger" inzwischen ebenso einen Namen als kompetente Interpreten klassischer, romantischer und sogar zeitgenössischer Musik gemacht, doch repräsentiert das "Barock" im Namen des Orchesters mehr als nur eine Epochenbezeichnung: Es steht für die aufführungspraktische Perspektive der Musiker und für ihren Spaß am Musikantischen, an einem kultivierten und zugleich virtuosen Ensemblespiel. Mit diesem musikalischen Selbstverständnis hat das  Freiburger Barockorchester die bekanntesten Konzertsäle der Welt erobert. Aus der barocken Perspektive klingt gerade die Musik des 18. und 19. Jahrhunderts jung und modern und keineswegs nach Alter Musik, sondern so unmittelbar, als wäre die Tinte auf den Notenblättern noch feucht.

Die herausragende Stellung des Freiburger Barockorchesters im internationalen Musikleben äußert sich sowohl in der kontinuierlichen Zusammenarbeit mit bedeutenden Künstlern wie Andreas Staier, Thomas Quasthoff, Cecilia Bartoli und René Jacobs, als auch in einer engen Kooperation mit dem französischen Label harmonia mundi France und findet ihren erfolgreichen Niederschlag in zahlreichen CD-Produktionen und prominenten Auszeichnungen. So erhielt das FBO erst kürzlich zweimal den angesehenen Edison Classical Music Award 2008 für die Einspielung von Händels "Messiah" und von Mozarts "Don Giovanni".

Stand
AUTOR/IN
Doris Blaich