Musikstück der Woche vom 9.2.2015

Schmetterlinge im Flügel

Stand
AUTOR/IN
Doris Blaich

Robert Schumann: Papillons op. 2

Wer hat in Sachen Herzenseroberungen die besseren Chancen: der zurückhaltende Träumer oder der draufgängerische Tausendsassa? Schumann verrät (im Einklang mit Jean Pauls Roman "Flegeljahre"): es bleibt ein ewiges Geheimnis. Und eine ewige Inspirationsquelle: zum Beispiel zu seinem frühen Klavierzyklus "Papillons". Ragna Schirmer hat ihn in einem Konzert der "Internationalen Pianisten in Mainz" gespielt. Unser Live-Mitschnitt stammt vom 24. April 2009.

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Walt oder Vult?

Komponist Robert Schumann (Foto: SWR, SWR -)
Robert Schumann

Schumanns Klavierzyklus "Papillons" ist ein Nachklang auf die Lektüre des Roman-Fragments "Flegeljahre" von Jean Paul, einem seiner Lieblingsschriftsteller. Im letzten Kapitel wird ein Maskenball geschildert, auf dem die schöne Wina entscheiden soll, wem sie ihr Herz schenken will: dem introvertierten Dichter Walt oder seinem Bruder, dem draufgängerischen Vult, der tanzend und Flöte spielend brilliert. Wen Wina letztlich nehmen wird, erfährt der Leser nicht, der Roman bricht vorher ab. Wahrscheinlich war es genau diese ungelöste Frage, die Robert Schumann zu seinen Papillons inspiriert hat. An den Musikkritiker Ludwig Rellstab er: "Ew. Hochwohlgeboren erinnern sich der letzten Szene [in den Flegeljahren]: Larventanz – Walt – Vult – Masken – Wina – Vults Tanzen – das Umtauschen der Masken – Geständnisse – Zorn – Enthüllungen – Forteilen – Schlußszene und dann der fortgehende Bruder. Noch oft wendete ich die letzte Seite um: denn der Schluß schien mir nur ein neuer Anfang – fast unbewußt war ich am Klavier, und so entstand ein Papillon nach dem anderen."

Die Geburt der Schmetterlinge aus dem Geiste der Polonaisen und Walzer

Schumann komponierte die zwölf kurzen Stücke zwischen 1829 und 1831, da war er gerade 20 und hatte das verhasste Jurastudium an den Nagel gehängt. Manche Papillons flatterten allerdings schon früher in Schumanns Fantasie: in Form der acht Polonaisen für Klavier vierhändig (1828) und den sechs Walzern (1829/30) – Material daraus hat Schumann hier recycelt bzw. neu 'verpuppt'. In einige dieser Klavier-Aphorismen hat er literarische oder bildhafte Ideen hineingeheimnist – deutlich zum Beispiel im Finale: "Das Geräusch der Faschingsnacht verstummt. Die Turmuhr schlägt sechs". Und tatsächlich sind in der Oberstimme sechs Glockenschläge zu hören. Indem Schumann im letzten Satz auf die Themen des ersten Satzes zurückgreift, fasst er die Schmetterlinge unter einem großen Bogen zusammen.

Ragna Schirmer

Mit "leuchtenden Tönen", "sensiblem Bravour" und "energischer Noblesse" überzeugt Ragna Schirmer nicht nur in Deutschland Publikum und Presse, sondern weltweit. Immer wieder entdeckt sie in ihren Konzerten, die zum Teil von ihr selbst moderiert werden, bekannte und weniger bekannte Kompositionen neu und stellt sie in moderne Zusammenhänge. Sie reist durch die wichtigsten Konzertsäle und spielt regelmäßig bei renommierten Festivals wie dem Heidelberger Frühling (artist in residence 2010), Beethovenfest Bonn, MDR Musiksommer, den Haydn-Festspielen Eisenstadt und den Salzburger Festspielen. Sie musizierte mit namhaften Orchestern wie den Münchner Philharmonikern, dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin oder dem Gewandhausorchester Leipzig, unter der Leitung von u.a. Zubin Mehta, Sir Roger Norrington und Kurt Masur.

Studiert hat Ragna Schirmer bei Karl-Heinz Kämmerling in Hannover und Bernard Ringeissen in Paris. Mit 15 Jahren war sie Finalistin des renommierten Busoni-Wettbewerbs, gleich zweimal gewann sie den Leipziger Bachwettbewerb, was in dessen Geschichte bis heute einzigartig ist. Zahlreiche weitere Preise bei nationalen und internationalen Wettbewerben, begeisterte Rezensionen sowie zwei ECHO Klassik-Preise folgten. Sie lehrt als Professorin an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Mannheim sowie am "Latina August Hermann Francke" in Halle an der Saale.

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Doris Blaich