Musikstück der Woche mit dem Freiburger Barockorchester

Carl Philipp Emanuel Bach: Sinfonie G-Dur Wq 180

Stand
AUTOR/IN
Doris Blaich

Achterbahn fürs Ohr - Musikstück vom 24.11.2014

Wasen und Wiesn sind vorbei; wenn Ihnen immer noch nach Achterbahn zumute ist, nehmen Sie das Musikstück der Woche: Eine Sinfonie von Carl Philipp Emanuel Bach, die die Hörgewohnheiten durch die Luft schleudern lässt. In unserem Live-Mitschnitt leitet Gottfried von der Goltz von der ersten Geige aus das Freiburger Barockorchester; ein Konzert vom 11.3.2008 aus dem Konzerthaus Freiburg.

"Wer Sinn dafür hat, einen so wahrhaftig großen Orchesterkomponisten wie unser[en] Bach, seinen ganz eigenen freyen, durch keine Kostüme, keine Mode gefeßelten Gang gehen zu sehen, der findet volle Seelenweide an diesen herrlichen, in ihrer Art ganz eigenen Sinfonien", schreibt ein Zeitgenosse über Carl Philipp Emanuel Bach, den zweitältesten Sohn von Johann Sebastian Bach. 18 Sinfonien hat er geschrieben, die früheste stammt aus dem Jahr 1741, die spätesten sind 35 Jahre (also ein halbes Komponistenleben) später entstanden: 1776. Eine davon haben wir zum Ausklang des CPE-Bach-Jahrs ausgewählt – im März 2014 war sein 300. Geburtstag.

Klein gehalten bei Friedrich dem Großen

Portrait von Carl Philipp Emanuel Bach (Foto: picture-alliance / dpa, picture-alliance / dpa -)
Portrait von Carl Philipp Emanuel Bach

Die längste Zeit seines Lebens stand Carl Philipp Emanuel Bach im Dienst von Friedrich dem Großen: Mit 24 Jahren trat er in die Hofkapelle ein, damals (1738) war Friedrich noch Kronprinz von Preußen. Drei Jahre später, nach Friedrichs Krönung, avancierte Bach zum "Königlich Preußischen Cammer-Musicus". Im Rückblick schreibt er: "Bis 1767 im November, bin ich beständig in preussischen Diensten geblieben, ohngeachtet ich ein paarmal Gelegenheit hatte, vorteilhaften Rufen anderswohin zu folgen. Se. Majestät waren so gnädig, alles dieses durch eine ansehnliche Zulage meines Gehalts zu vereiteln".

Die Stellung war zwar ein sicherer Broterwerb, aber oft empfand Bach das Klima bei Hofe als künstlerisch einengend. Seine Hauptaufgabe bestand darin, sich bei den musikalischen Aufführungen der Hofkapelle am Cembalo im Hintergrund zu halten oder – und das war sicher alles andere als künstlerisch erfüllend – den flötespielenden König in seinen musikalischen Mußestunden zu begleiten. Als Bach einmal als Solist in einem seiner eigenen Konzerte auftrat, kommentierte man das stirnrunzelnd "nun kriegt er Spiritus" – was soviel heißt wie "allmählich bildet er sich aber zu viel ein!". Bachs Musikerkollegen allerdings schätzten seine Musik und erkannten ihren Wert; das lässt sich allein an den vielen zeitgenössischen Abschriften ablesen. Erst mit seiner Anstellung als Hamburger Musikdirektor stieß Bach auf ein Klima, das mit seiner freien künstlerischen Gesinnung harmonierte.

Achtung, Bach!

Die Sinfonie G-Dur schrieb Bach 1758 in Berlin. Sie hat - wie alle seine Sinfonien - drei Sätze. Die Musik hält den Hörer ständig in Hab-Acht-Stellung, das Ohr bewegt sich wie durch einen Irrgarten, in dem hinter jeder Biegung eine Überraschung lauert: eine neue, unerwartete Klangfarbe, ein plötzlicher Wechsel des Gestus, ein Bruch in der Melodie, eine schroffe harmonische Wendung oder ein unverhofftes Abbiegen in eine andere Tonart: der erste Satz (ein Platzregen aus prasselnden Sechzehnteln), endet in einer anderen Tonart als er begonnen hat, der zweite Satz ebenso; hier wird die wehmütig-gesangliche Melodie immer wieder mit energischen Punktierungen zurückgedrängt. Im Finale hat dann der punktierte Rhythmus gesiegt. Die fallenden Quintschritte in der Harmonik knüpfen deutlich an barocke Vorbilder an, aber auch hier setzt Bach die Hörgewohnheiten außer Kraft, wenn sich die vermeintliche Zielgerade als Sackgasse herausstellt und die Musik über Umwege wieder zurückirren muss ins Terrain der Ursprungstonart. Eine widerborstige Musik, die gezielt den Hörer herausfordert – und übrigens auch von den Musikern einiges abverlangt.

P.S.: Wq

Das "Wq" im Titel verweist auf der Werkverzeichnis, das Alfred Wotquenne 1905 veröffentlichte. Inzwischen gibt es Verzeichnisse anderer Musikforscher, Wotquenne hat sich aber erfolgreich behauptet.

Freiburger Barockorchester

Das "Barock" im Namen des Freiburger Barockorchester Orchesters ist mehr als nur eine Epochenbezeichnung: Es steht für die aufführungspraktische Perspektive der Musiker und für ihren Spaß am Musikantischen, an einem kultivierten und zugleich virtuosen Ensemblespiel. Mit diesem musikalischen Selbstverständnis hat das Freiburger Barockorchester die bekanntesten Konzertsäle der Welt erobert. Aus der barocken Perspektive klingt gerade die Musik des 18. und 19. Jahrhunderts jung und modern und keineswegs nach Alter Musik, sondern so unmittelbar, als wäre die Tinte auf den Notenblättern noch feucht.

Unter der künstlerischen Leitung seiner beiden Konzertmeister Gottfried von der Goltz und Petra Müllejans oder unter der Stabführung ausgewählter Dirigenten präsentiert sich das FBO mit rund einhundert Auftritten pro Jahr in unterschiedlichen Besetzungen vom Kammer- bis zum Opernorchester: ein selbstverwaltetes Ensemble mit eigenen Abonnementkonzerten im Freiburger Konzerthaus, in der Stuttgarter Liederhalle und der Berliner Philharmonie und mit Tourneen in der ganzen Welt.

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Doris Blaich