Musikstück der Woche vom 29.10.2012

"Das gesamte Auditorium sprang auf"

Stand
AUTOR/IN
Doris Blaich

Pjotr Iljitsch Tschaikowsky: Slawischer Marsch op. 31

Auch wenn man es dieser schwungvollen Musik nicht anhört: Tschaikowskys "Slawischer Marsch" ist ein klingendes Zeugnis der Balkankrise. In unserem Live-Mitschnitt spielt die Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern unter Leitung von Christoph Poppen. Das Konzert fand im Dezember 2010 in der Alten Oper Frankfurt statt.

Peter Tschaikowsky (Foto: SWR, SWR -)
Peter Tschaikowsky

"Gestern", so erzählt Pjotr Iljitsch Tschaikowsky im Sommer 1876, "wurde ich im Haus einer mir bekannten Dame Zeuge einer herzergreifenden Szene. Ihr Sohn ... ließ sie in meiner Gegenwart wissen, dass er nach Serbien gehen würde. Sie fiel in Ohnmacht, und nachdem sie zu sich gekommen war, bleib sie für eine ganze Zeit liegen, unfähig zu sprechen. Ich war furchtbar erschüttert von dieser Szene." In Serbien war zu diesem Zeitpunkt Krieg: Serbische Soldaten kämpften gegen türkische Truppen, um für ihr Land eine größere Unabhängigkeit zu erreichen. Dabei fanden die Serben Unterstützung in ganz Europa und Russland; und im Heer kämpften viele Russen und Bulgaren als Freiwillige.

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Tschaikowsky reagierte sofort auf diese erschütternde Szene: Er komponierte für ein Wohltätigkeitskonzert zur Unterstützung serbischer Verwundeter seinen "Slawischen Marsch". "Moderato in modo di marcia funebre" ist der Marsch überschrieben: In mäßigem Tempo und nach Art eines Trauermarsches. Tschaikowsky hat darin vier slawische Volkslieder verarbeitet. Besonders markant ist das erste davon, das mit seiner übermäßigen Quarte für eine orientalische Note sorgt. Außerdem hat Tschaikowsky zum Zeichen der Verbundenheit Russlands mit Serbien die Zarenhymne des alten Russlands in den Marsch eingebaut.

Nikolai Rubinstein dirigierte die Uraufführung am 5. November 1876 in Moskau. Sie entfachte einen "Sturm patriotischer Begeisterung", wie Tschaikowsky sich erinnert: "Das gesamte Auditorium sprang auf, manche kletterten auf ihre Sitze: Bravo- und Hurrarufe vermischten sich ... Viele im Saal weinten."

Deutsche Radio Philharmonie

Die Deutsche Radio Philharmonie ist das jüngste deutsche Rundfunksinfonieorchester. 2007 aus der Fusion der beiden traditionsreichen ARD-Klangkörper, dem Rundfunk-Sinfonieorchester Saarbrücken (SR) und dem Rundfunkorchester Kaiserslautern (SWR) entstanden, hat das Orchester in kurzer Zeit ein eigenes Profil gewonnen und sich seinen Platz unter den renommierten deutschen Rundfunkorchestern erspielt. Programmschwerpunkte bilden neben dem Vokalbereich das klassisch-romantische Repertoire sowie Musik des 20. und 21. Jahrhunderts. Auftragskompositionen – u. a. im Rahmen der Saarbrücker Komponistenwerkstatt – erweitern das Repertoire um Orchesterwerke aus allerjüngster Zeit.
Pro Saison spielt die Deutsche Radio Philharmonie rund achtzig Konzerte in Saarbrücken und Kaiserslautern, aber auch im Dreiländereck Deutschland – Frankreich – Luxemburg und in Rheinland-Pfalz. Die Konzerte werden in den Hörfunkprogrammen des Saarländischen Rundfunks, des Südwestrundfunks und europaweit über die European Broadcasting Union gesendet. Im Fernsehen ist die Deutsche Radio Philharmonie im SR/SWR-Fernsehen und auf ARTE präsent.

Chefdirigent ist seit der Spielzeit 2011/12 der Brite Karel Mark Chichon. Er übernahm diese Position von Christoph Poppen, der sie seit der Gründung des Orchesters 2007 inne hatte. Als Erster Gastdirigent ist Stanislaw Skrowaczewski dem Orchester seit vielen Jahren verbunden.

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Doris Blaich