Musikstück der Woche

Anastasia Kobekina und Jodyline Gallavardin spielen Debussys Cellosonate d-Moll

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AUTOR/IN
Christiana Nobach

Vor dem Hintergrund der Gräuel des 1. Weltkriegs komponierte Claude Debussy etwas, das nach seiner französischen Heimat klingen sollte. Eine Sonate für Violoncello, ganz Musique française und als ein Gegenentwurf zur klassisch-romantischen Sonatentradition aus Deutschland und Österreichischen gedacht.

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„Über das häufige Unverständnis meiner Musik gegenüber wundere ich mich nicht mehr“, schreibt Claude Debussy in einem Brief an Jacques Durand vom 16. Oktober 1916. Und des Weiteren gibt er seiner Verärgerung Ausdruck gegenüber solchen Virtuosen, „die Irrtum und Trostlosigkeit in sogenannten Konzertsälen verbreiten“.

Diese Bemerkungen beziehen sich auf den Cellisten Louis Rossor, einen eigentlich mit Debussy befreundeten Musiker und Interpreten seiner Cellosonate. Doch dieser hatte behauptet, Debussy habe ihm das „Programm“ anvertraut, das diesem Werk zugrunde liegt: eine sehr banale Geschichte über die Figur des Pierrot, die Debussy empört zurückwies. Denn die Sonate war von Debussy — vor dem ernsten Hintergrund des Ersten Weltkriegs — als Verherrlichung der Musique française in bewusster Abgrenzung von der Musik der deutschen Spätromantik gedacht.

Anlehnung an die französische Sonatenkunst des Barock

Debussy plante 1915, nachdem er eine schwere Schaffenskrise überwunden hatte, einen Zyklus von sechs Sonaten für verschiedene Instrumente, von denen er nur drei vollenden konnte: die Cellosonate, eine zweite für Flöte, Viola und Harfe und als letzte die Violinsonate (1917). Keine von ihnen weist die traditionelle Viersätzigkeit und die akademischen Sonatenformen der deutschen Kammermusik auf, poetische Titel verweisen auf Außermusikalisches: auf Lyrik und Drama, Antike und Natur.

Gemessen an den Werken von Jean-Philippe Rameau und François Couperin entwickelte er die Maximen seines französischen Stils: „Nichts kann entschuldigen, dass wir die Tradition der Werke eines Rameau vergessen haben, die in der Fülle ihrer genialen Einfälle fast einzigartig ist“.

Die Gültigkeit und Perfektion seiner Kammermusik in dieser letzten Phase seines Komponierens haben Methode: Debussy konzipiert sie als Kristallisationspunkte seines Spätstils mit bewussten Querverbindungen zu eigenen und Werken des 17. und 18. Jahrhunderts.

Ironie, Persiflage und spanisches Kolorit

Die Cellosonate beginnt mit einem Prolog, einer „französischen Ouvertüre“ in punktierten Rhythmen. Flirrende Bewegungen in gebrochenen Dreiklängen treten an die Stelle des fugierten Mittelteils der Barock-Ouvertüre.

Der zweite Satz hat beißend-parodieartige Elemente, „ironique“ heißt u. a. eine der vielen Spielanweisungen. Mittels „Sempre Pizzicato“, gezupften Noten, ahmt das Cello eine scheinbar immer wieder unterbrochene Ständchen-Szene nach.

Der Satz mündet unmittelbar in das wieder barock anmutende Finale, mit einer Mischung aus Passacaglia-Charakter und „Con-fuoco“- und „Appassionato“-Anweisungen. Aber auch spanisches Kolorit mit Anklängen an Debussys „Iberia“, aus seinem berühmt gewordenen „Images“-Klavierzyklus, prägen den Finalsatz.

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Christiana Nobach