Musikstück der Woche

Das Cuarteto Casals spielt Mozart: Streichquartett F-Dur KV 168

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Julia Schwarz

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Mozart übt Fugen schreiben

Streichquartette komponieren will gelernt sein. Was tut man also als Jung-Komponist, wenn man wissen will, wie`s geht? „Nicht verzagen, Haydn fragen!“, dachte sich Mozart und zog des Meisters druckfrische „Sonnenquartette“ op.20 aus dem Notenfundus. Besonders Haydns Schlussfugen machten mächtig Eindruck. (Das ist zumindest zu vermuten, wenn man Mozarts F-Dur-Quartett KV 168 anhört). Für seinen vierten Satz bastelte er nämlich eine regelrechte Musterschüler-Fuge. Gar nicht so leicht, wenn es dann trotz altehrwürdiger Kontrapunktlehre noch nach Mozart klingen soll…

Cuarteto Casals

Das spanische Cuarteto Casals ist bekannt für seine gestochen scharf konturierten Interpretationen und seinen hochentwickelten Ensembleklang. Dieser Livemitschnitt zeigt die Facetten von Mozarts Quartett besonders detailliert und farbenreich.

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Gesucht: Interessante Festanstellung für ambitionierten Jung-Komponisten

Mozart war auf Jobsuche. Und das bedeutete in Zeiten ohne Online-Stellenbörsen und E-Mail-Bewerbungen: Man muss mühevoll Klinkenputzen und Netzwerken bei potenziellen Dienstherren, also Grafen, Bischöfen und Kaisern. Zwar hatte Mozart seit 1772 eine Stelle als Konzertmeister der Salzburger Hofkapelle inne, doch fand er`s zu Hause arg eng. Die Suche nach einer beruflich attraktiveren Anstellung trieb den 17-jährigen Wolfgang und seinen Vater im Sommer 1773 in die Hauptstadt Wien.

„6 Quartetti des Sgr. Caval: Amadeo Wolfgango Mozart“ überschrieb Leopold Mozart klangvoll die sechs sogenannten „Wiener Streichquartette“ KV 168-173, die während dieses Wienaufenthalts entstanden. Sie tragen keine Widmung, ihre Überlieferung in einer sehr sauberen Handschrift lässt jedoch vermuten, dass sie als Arbeitsprobe für eine kaiserliche Audienz geplant waren.

Haydns Fugen inspirieren

Kompositorisch entwickelte sich Mozart im Vergleich zu seinem ersten „italienischen“ Quartettzyklus weiter. Die Wiener Quartette dienten ihm als Übungsfeld für neue Techniken: Inspiriert von Haydns Quartetten op. 20 („Sonnenquartette“, ein Jahr vorher veröffentlicht) versuchte er sich in der Kunst des Kontrapunkts.

Das macht sich besonders bemerkbar im F-Dur-Quartett, dem ersten, und auch im Schlussquartett des Zyklus. Deren Finalsätze sind Fugen wie aus dem Lehrbuch und klingen aufs erste Hören sehr barock, fast altertümlich.

Für den zweiten Satz des 1. Wiener Quartetts, ein kanonisch angelegtes Andante mit silbrigem con-sordino-Klang, verwendet Mozart ein bekanntes Thema aus der italienischen Kontrapunkt-Lehre (Quint, kleine Sext, verminderte Sept). Wahrscheinlich hat er es bei Haydn im Schlusssatz des Quartetts op. 20,5 entdeckt.

Nach dem beinahe schwermütigen zweiten Satz in f-moll mit vielen Seufzer-Vorhalten und chromatischen Kurven, tanzt das Menuett an dritter Stelle leichtfüßig daher.

Im lebhaften Allegro-Kopfsatz spielt Mozart mit Motiven, als wären es Bauklötze, die man in beliebigen Varianten neu kombinieren kann. Für die Durchführung schnappt er sich einen Taktfetzen aus dem ersten Thema ganz am Anfang des Stücks und lässt ihn nacheinander durch alle Stimmen wandern, erst in Dur, dann – Überraschung! – in Moll.

„gewiß Mozarts Kinder“

Mit der besser bezahlten Festanstellung klappte es übrigens erst sieben Jahre später und viele Kutschen-Kilometer weiter: 1779, zurück in Salzburg wurde Mozart erzbischöflicher Hoforganist. Allerdings hielt er es mit seinem Dienstherrn nicht lange aus und verabschiedete sich nach nur anderthalb Jahren dann doch in die Selbstständigkeit.

Die Wiener Quartette erzürnten Jahre später noch einmal die Gemüter der Wiener Musikalienhändler. Der gerissene Verleger Christoph Torricella hatte über einen Wiener Kopisten eine Abschrift erworben und bewarb nun 12 Jahre später „6 Quartette“ ohne Nennung von Details „um den billigsten Preis“. Dass es sich dabei nicht um Mozarts jüngst fertig gestellte „Haydn-Quartette handelte, ließ er offen. Eine Mogelpackung! Mozart protestierte. Torricella erwiderte gelassen und galant, auch die älteren Quartette trügen den Namen ihres Meisters und seien „gewiß Mozarts Kinder“.

Julia Schwarz

Cuarteto Casals

Was haben die Bundeskanzlerin und die Mitglieder des Cuarteto Casals gemeinsam? – Sie alle sind Chef oder Chefin auf Zeit!

Damit jeder seinen gerechten Anteil an der Gestaltung eines Werkes hat, teilen sich Vera Martinez-Mehner, die Brüder Abel und Arnau Tomàs, sowie Jonathan Brown die Leitung der Probe gleichmäßig auf. Jeder moderiert ein Viertel der Probenzeit. Heraus kommen dabei ein gediegener individueller Ensembleklang und gestochen scharf konturierte Interpretationen.

1997 gründete sich das Cuarteto Casals an der Musikhochschule Reina Sofía in Madrid. Mit einem besonders ehrgeizigen, mehrjährigen Projekt konnte es bereits sein 20-jähriges Bestehen feiern: eine Reihe aus sechs Konzerten und Einspielungen aller Beethoven-Quartette, begleitet von sechs Auftragsarbeiten von Komponisten seiner Generation. Seinen Abschluss findet das Projekt 2020 mit einem Ständchen zu Beethovens 250. Geburtstag.

In der Zwischenzeit blickt das Quartett auf eine beachtliche Zahl von Erfolgen bei renommierten Wettbewerben zurück. Seit der Auszeichnung mit dem Ersten Preis beim London Competition 2000 und dem Internationalen Johannes Brahms Wettbewerb Hamburg 2002 war das Cuarteto Casals wiederholt in einigen der angesehensten Konzertsäle der Welt zu Gast. Hinzu kommen zahlreiche Einspielungen aus der ganzen Breite des Quartettrepertoires beim Label harmonia mundi.

Zuhause sind die vier Musikerinnen und Musiker in Barcelona, wo sie regelmäßig konzertieren, an der Musikhochschule unterrichten und als Kulturbotschafter der Region Katalonien ihre Musik in die Welt tragen.

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Julia Schwarz