Das Hoffmeister Quartett und die Solisten des Breslauer Barockorchesters

Instrumentale Oper ohne Worte

Stand
AUTOR/IN
Jan Brachmann
KÜNSTLER/IN
Hoffmeister Quartett
Solisten des Breslauer Barockorchesters

CD-Tipp vom 22.6.2018

Im Jahr 1848 druckte der Verleger Julius Schuberth in Leipzig ein Werk seines jüngeren Bruders Carl, ein Streichoktett in E-Dur op. 28, das jetzt auf einer CD beim Label hänssler classic zu hören ist, mit dem Hoffmeister-Quartett und Solisten des Breslauer Barockorchesters.

Carl Schuberth, 1811 in Magdeburg geboren, war ursprünglich Cellist und ließ sich, nach ausgedehnten Konzertreisen durch ganz Europa, Anfang der 1840er Jahre in der russischen Hauptstadt Sankt Petersburg nieder. Dem informativen Beiheft der CD, von Klaus Harer verfasst, ist zu entnehmen, dass Schuberth in Petersburg Musikdirektor der Universität gewesen, die Hofkapelle des Zaren als Dirigent geleitet und als Inspektor der Hoftheater fungiert haben soll. Der Adel in Sankt Petersburg war seit dem letzten Drittel des achtzehnten Jahrhunderts in gesteigertem Maße an deutscher Kammermusik interessiert, und mit dem Machtantritt von Zar Alexander I. war die Stadt zu einer frühen Hochburg der europäischen Beethoven-Pflege geworden.

Mit Sinn und Verstand bei der Sache

Schuberths Oktett, genauso besetzt wie die Streichoktette von Felix Mendelssohn Bartholdy oder Niels Wilhelm Gade, ist ein erstaunliches Stück: dicht in seiner motivischen Arbeit und überraschend in seinen harmonischen Wendungen. Im Scherzo kräftigt sich der Typ des Ländlers manchmal schon bis zum vitalen Folklorismus von Antonín Dvořák. Das Trio mit seiner Pizzicato-Begleitung ist delikat. Das Hoffmeister-Quartett und die Solisten des Breslauer Barockorchesters sind nicht nur mit Spaß, auch mit Sinn und Verstand bei der Sache.

Hinter dieser CD steht das Deutsche Kulturforum östliches Europa in Potsdam, das sich der Erforschung und Pflege deutscher Kultur in Osteuropa widmet. Der Musikwissenschaftler und Slawist Klaus Harer hat dort in den vergangenen Jahren schon erstaunliche Funde der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, etwa die Streichquartette des Haydn-Zeitgenossen Anton Ferdinand Titz oder Streichquintette des Schlesiers Franz Xaver Gebel.

Weltersteinspielung

Von Gebel stammt auch das andere Stück dieser neuen CD, ein Doppelquintett in d-Moll op. 28, das hier als Weltersteinspielung präsentiert wird. Gebels Weg führte von Fürstenau, in der Nähe von Breslau, nach Wien in die unmittelbare Zeitgenossenschaft Ludwig van Beethovens, von dort über das heutige Rumänien 1817 weiter nach Moskau, wo er den jungen Anton Rubinstein unterrichtete und das erste Lehrbuch der Komposition in russischer Sprache verfasste; 1843 starb er dort auch. Das Doppelquintett ist ein umwerfendes Stück von dramatischer Wucht. Dass Gebel sich – auch durch eine eigene Kammermusikreihe in Moskau – intensiv mit Beethoven auseinandergesetzt hat, ist sofort zu hören.

Vier Geigen, zwei Bratschen, vier Celli

Anders als Beethoven und Wolfgang Amadeus Mozart aber verdoppelt Gebel in seinen Quintetten nicht die Bratsche, sondern – wie Franz Schubert – das Violoncello. Sein Doppelquintett verwendet also vier Geigen, zwei Bratschen und vier Celli. Den ersten Satz, ein Allegro, muss man einfach in voller Länge von knapp zehn Minuten einmal hören, um zu erleben, dass Gebel nicht nur in der Geste, sondern auch im Verlauf der Form ein großer instrumentaler Dramatiker ist, der starke Kontraste schafft, den Auftritt von Themen durch Tremoli regelrecht inszeniert und die Besetzung nutzt für besondere klangliche Effekte, etwa einen Choral der vier Celli.

Das ist instrumentale Oper ohne Worte, wirklich ganz mitreißend gespielt vom Hoffmeister Quartett und den Solisten des Breslauer Barockorchesters. Zu hören auf der neuen CD bei hänssler classic.

CD-Tipp vom 22.6.2018 aus der Sendung Treffpunkt Klassik - Neue CDs

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AUTOR/IN
Jan Brachmann
KÜNSTLER/IN
Hoffmeister Quartett
Solisten des Breslauer Barockorchesters