Das neue Album von Susanna mit Folk- und Pop-Songs

Konzentration auf das Wesentliche

Stand
AUTOR/IN
Julia Neupert

CD-Tipp vom 5.4.2018

Kreative Leistung

„Cover-Versionen“ haben kein gutes Image in der Welt der Kunst. Da, wo Originalität alles ist, und die Kopie ein Tabu, da werden Imitationen höchstens amüsiert, oft aber verärgert zur Kenntnis genommen. Susanna Wallumrød weiß das und vermeidet es immer noch wohlweislich, ihre Songinterpretationen so zu nennen. Dabei war s i e es, die in den vergangenen Jahren immer wieder gezeigt hat, dass die Anverwandlung von fremden Klängen durchaus auch eine kreative Leistung sein kann. Egal, ob es sich beim Ausgangsmaterial um Songs von Leonard Cohen, der Band AC/DC oder barocke Arien handelt.

Ungewöhnliche Liedersammlung

Für ihr neues Album hat die Norwegerin eine auf den ersten Blick sehr ungewöhnliche Liedersammlung zusammengestellt – mit amerikanischen Folksongs, alten englischen Balladen, Pop-Klassikern von Lou Reed oder Joy Division und dem Henry Purcell-Hit des Kältegeistes aus seiner Oper „King Arthur“. Der offensichtliche rote Faden dieser Kollektion ist die Todesklage, mal formuliert als melancholische Lebensmüdigkeit, mal als verzweifelte Trauer, mal als düstere Ahnung.

Klare, helle Stimme

Darüber hinaus habe sie vor allem die zeitlose melodische und harmonische Schönheit interessiert, die diesen Songs eigen sei, begründet Susanna ihre Auswahl – und sie konzentriert sich bei ihren Interpretationen auf genau diese beiden Aspekte. Ihre klare, helle Stimme wird dabei von der Akkordeonistin Ida Hidle, der Hardangerfiedel-Spielerin Tuva Syvertsen und der Schweizer Barock-Harfenistin Giovanna Pessi begleitet.

Genre- und zeitübergreifender Sound

Mit Pessi hatte Susanna schon vor vier Jahren für das „If Grief Could Wait“-Projekt zusammengearbeitet – und damals offensichtlich eine Gleichgesinnte gefunden. Denn der größten Schwierigkeit des Albums, für so unterschiedliche Songs einen eigenen, Genre- und zeitübergreifenden Sound zu entwerfen, begegnen die beiden mit der Strategie „Tempo raus“ und „Weniger ist Mehr“ – zum Beispiel in Elizabeth Cottens „Freight Train“; so verspielt wie in diesem Song klingen die Arrangements des Albums selten – aber auch hier ist die Richtung klar: Statt für satte Klänge haben sich die Musikerinnen für Transparenz und Reduktion entschieden.

Kein überflüssiges Ornament

Und meist auch für eine relativ klare Rollenverteilung: Die Harfe als quasi Basso continuo-Begleitung, die Fiedel steuert folkloristische Elemente bei, das Akkordeon grundiert mit Atmosphärischem. Susanna selbst bleibt eng an Text und Melodie – kein überflüssiges Ornament oder sentimentale Abschweifungen, sondern Konzentration auf das Wesentliche. Das wirkt alles hervorragend ausbalanciert und verknüpft die zehn Tracks des Albums zu einem organischen Ganzen. Wird nur leider irgendwann dann auch etwas vorhersehbar. Von den überraschenden musikalischen Untiefen, wie sie plötzlich etwa in Joy Divisions „Wilderness“ auftauchen, hätte ich persönlich gerne mehr gehört.

Große Melancholie des kleinen Songs

So todessehnsüchtig wie es der Titel „Go Dig My Grave“ signalisieren mag, ist das Album sicher nicht – empfohlen sei es trotzdem eher denen, die keine Angst vor der großen Melancholie des kleinen Songs haben. Und denen, die es aushalten, neben Henry Purcell, American Folk und einer Charles Baudelaire-Vertonung am Ende noch eine der schon unzählig vorhandenen Cover-Versionen von Lou Reeds „Perfect Day“ präsentiert zu bekommen. Überflüssig? Nein, Susanna hat ihn in einen „Susanna“-Song transformiert.

CD-Tipp vom 5.4.2018 aus der Sendung „SWR2 Cluster“

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AUTOR/IN
Julia Neupert