Musikfilm von Daniel Barenboim über Debussys „Les Préludes“

Vertane Chance

Stand
AUTOR/IN
Christian Möller

DVD-Tipp vom 27.3.2018

Nicht Daniel Barenboim ist es, den wir auf dieser DVD zuerst hören, sondern Claude Debussy selbst. Auf Welte-Mignon-Klavierrollen hat er 1912 einige seiner Werke verewigt. Darunter auch das Prélude, das seine englische Biografin Louisa Lieblich in ihren „Memoires de Debussy“ erwähnt:

„Unter vier Augen“, so heißt der Film, und das Zitat gibt ihm die Szenerie vor. Im schummrigen Halbdunkel eines Jugendstil-Palais sitzt Daniel Barenboim am Klavier, Licht fällt nur von außen durch die Fenster hinein und umgibt Haar und Hände des Pianisten mit einer Weichzeichner-Gloriole. Vielleicht die filmische Entsprechung dessen, was Barenboim über Debussy sagt:

Sich weitestgehend in der Suggestion von Stimmungen ergehender Film

Wie sich dieser Illusionismus konkret in musikalischen Strukturen zeigt? Das würde man von Daniel Barenboim gern erfahren. Aber offenbar hatte der Starpianist und Dirigent schon 1999, als der Film entstand, nur wenig Zeit. Und so ist er in Worten kaum mehr als ein halbes Dutzend Mal zu hören. Und die Einsichten, die er äußert, verbleiben doch sehr im Allgemeinen.

Nahe an der Kitschgrenze angesiedelte Bilder

Musikalische Details oder auch pianistische Herausforderungen, davon hört man hier gar nichts. Eine vertane Chance bei einem so erfahrenen Interpreten. Stattdessen scheint Barenboim vor allem seinen prominenten Namen herzugeben für einen Film, der sich weitgehend in der Suggestion von Stimmungen ergeht. Das geschieht durch Bilder, die nah an der Kitschgrenze angesiedelt sind; indem sie den Gehalt der Musik auf die simpelste Art und Weise spiegeln. Eine Kathedrale in bläulichem Licht zu „La Cathédrale engloutie“, sacht bewegte Halme im Wind zu „Le vent dans la pleine“, Schritte im Schnee zu „Des pas sur la neige“. Parallel dazu tauchen immer wieder zwei Tänzer auf, die aber nur wenig tanzen, sondern Dinge tun wie „verloren-im-Raum-herumstehen“, „bedeutsam-aus-dem-Fenster-schauen“ oder „schweigsam-an-einem-Schachbrett-sitzen“. Für das Bildungsprogramm dazu ein paar Zitate von Debussy und Zeitgenossen wie Satie und Strawinsky, begleitet von alten Fotos für das nostalgische Flair. Im Hintergrund bleibt da Barenboims schon 1999 eher müdes, schwerfälliges Klavierspiel, das auch technisch an seine Grenzen zu stoßen scheint, aber immerhin die wohlig-wattige Melancholie der ganzen Angelegenheit nicht sonderlich stört.

Lieblos zusammengeschustert

Mag sein, dass all diese lose gruppierten Elemente genau das sein sollen, was Barenboim als Debussys Illusionismus beschreibt. Indirekte Gesten, die bewusst nur andeuten wollen, statt allzu deutlich zu werden. Mag aber genauso gut sein, dass dies ein aus den erstbesten mittelguten Konzepten lieblos zusammengeschusterter Film ist. Wer Debussys Préludes erst noch kennenlernen möchte, der ist damit schlecht beraten, denn die Stücke sind auf der DVD nicht noch einmal separat enthalten, sprich: ohne darüber gesprochenen Text gar nicht zu hören. Vermutlich deshalb, weil sie bei der Deutschen Grammophon zeitgleich als CD erscheinen. Dieses doppelte Geschäft hatte man sich im Debussy-Jubiläumsjahr offenbar nicht verderben wollen.

DVD-Tipp vom 27.3.2018 aus der Sendung „SWR2 Cluster“

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AUTOR/IN
Christian Möller