Zeitwort

26.06.1918: Konrad Adenauer erfindet die Sojawurst

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AUTOR/IN
Walter Filz

Der Kölner Oberbürgermeister Adenauer war für die Versorgung der Bevölkerung zuständig. Die Sojawurst, auch Friedenswurst genannt, sollte die Fleischknappheit lindern.

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Keine Experimente!

„Bleiben wir dabei, meine Freunde: keine Experimente. Und alles andere wird sich dann finden.“

Der Slogan der CDU im Bundestagswahlkampf 1957 war auch so etwas wie die Lebenssumme des 81-jährigen Kanzlerkandidaten. Keine Experimente, und wenn es sich nicht findet, dann muss man es erfinden. So wie die Sojawurst, die Konrad Adenauer erfunden hatte, ein halbes Jahrhundert vorher.

Am 26. Juni 1918 erhielt Adenauer das Patent auf ein „Verfahren zur Geschmacksverbesserung eiweißreicher und fetthaltiger Pflanzenmehle und zur Herstellung von Wurst“. Natürlich war der damals 42-jährige kein Lebensmitteltechniker, er war Oberbürgermeister von Köln. Übrigens der jüngste Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt. Und er suchte nach Lösungen für den Ernährungsnotstand im Krieg.

Konrad Adenauer, rechts im Bild neben Reichspräsident Paul von Hindenburg (1930) (Foto: IMAGO, ZUMA/Keystone)
Konrad Adenauer, im Bild rechts neben Reichspräsident Paul von Hindenburg, wird 1917 mit 41 Jahren Bürgermeister der Domstadt. Nach der Machtergreifung der Nazis 1933 wird er aus dem Amt entlassen.

Eine Wurst für den Frieden

Die Wursterfindung war eigentlich kaum mehr als ein Spartipp: Streckt das Fleisch mit Soja. Der Rest war Marketing. „Friedenswurst“ sollte die viertelpflanzliche Mixtur heißen. Und die Friedenswurst sollte ein Bekenntnis sein.

Die Wurst war nicht Adenauers erste Erfindung. Und blieb auch nicht seine letzte. Zuvor schon hatte er ein rheinisches Schwarzbrot auf Maisbasis erdacht und eine Gartenharke mit integriertem Hammerkopf zur Zertrümmerung brockiger Erde.

Später fiel ihm eine „Vorrichtung zur Verhinderung des Überfahrenwerdens durch Straßenbahnwagen“ ein – bestehend aus rotierenden Walzen, die Fußgänger zur Seite schleudern, bevor sie überrollt werden können. Und einen inwendig illuminierten und verspiegelten Toaster, bei dem man von außen sehen kann, wie braun das Röstbrot schon ist. Nichts davon wurde vom Patentamt anerkannt.

Schädlingsschocker zu gefährlich für die Benutzer

„Ich war mir wohl bewusst, welch schwere Aufgabe vor mir lag.“

Und das wohl Ambitionierteste war ein mit Elektroden versehener Borstenpinsel, mit dem man Pflanzenstängel und Baumstämme bestreichen sollte, um dort ansässigen Schädlingen einen tödlichen Elektroschock zu versetzen.

Das Patentamt meinte es gut – und ließ den Schädlingsschocker, der ohne weiteres auch seinen Benutzer töten konnte, nicht zu. So blieb Adenauer als Erfinder ganz und gar verkannt und wurde schließlich fast vergessen.

Bundeskanzler Konrad Adenauer spricht in Bonn (Foto: IMAGO, IMAGO / United Archives International)
Deutschlands erster Bundeskanzler nach dem Zweiten Weltkrieg: Von 1949 bis 1963 leitet der Kölner die Regierungsgeschäfte in Bonn.

Adenauer erhält Sojawurst-Patent in Großbritannien

Aber entsprach sein Selbstverständnis als Tüftler in Randbereichen der Weltverbesserung nicht genau dem Selbstverständnis der jungen Bonner Republik? Eines Staates, der aus guten Gründen und jüngster Erfahrung keine genialen Visionen und umwerfenden Neuerungen verkündete, sondern nur hier und da mal eine Kleinigkeit wegharkte, kleinschlug oder von innen beleuchtete.

Übrigens: Das Sojawurst-Patent wurde Adenauer in Großbritannien erteilt. In Deutschland entsprach seine Erfindung nicht dem geltenden Lebensmittelrecht. Bis heute dürfte sie hier nicht verkauft werden.

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