Tattoo-Trends im Verlauf der Jahre (Foto: IMAGO, BRO)

Rund um die Tattoo-Convention Idar-Oberstein

Tattoo-Trends im Laufe der Jahre: Von Arschgeweih bis Pikachu

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AUTOR/IN
Leander Bauer

Trends kommen und gehen, doch eine Tätowierung hält für die Ewigkeit: Während manche Tattoo-Motive zeitlos geblieben sind, war bei anderen der Hype schnell vorbei. Ein Streifzug durch die Trendmotive der vergangenen 50 Jahre mit Einblicken des langjährigen Chefredakteurs des „TätowierMagazins“, Dirk-Boris Rödel.

Tattoo-Trends im Verlauf der Jahre (Foto: IMAGO, imago images / Eibner Europa)
Früher der Körperschmuck der Aussätzigen, mittlerweile aus dem Mainstream kaum wegzudenken: Jede fünfte Person in Deutschland ist heutzutage tätowiert.

Sogar Ötzi und Sissi hatten Tattoos

Tätowierungen gibt es seit mindestens 5000 Jahren. Das beweisen unter anderem Mumienfunde aus Ägypten und Südamerika. Auch die mumifizierte Leiche des Höhlenmenschen „Ötzi“ wies 61 kleine Tattoos auf.

In das Europa der Neuzeit wurden Tattoos erst wieder vom Entdecker Thomas Cook und seiner Crew gebracht. Im 19. Jahrhundert sind sie während einer Südseereise auf die tätowierten Körper von polynesischen Ureinwohnern aufmerksam geworden. Sie wandelten die Motive ab und ließen sich selbst tätowieren.

Sogar der europäische Hochadel war zwischenzeitlich im Tattoofieber: Auch Kaiserin Sissi von Österreich hat sich einen Anker auf die Schulter tätowieren lassen. Tattoos blieben aber nur eine kurze Modeerscheinung, bis zum späten 20. Jahrhundert.

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Die Punks der 70er und 80er-Jahre ebneten populären Tattoos den Weg

Tattoo-Trends im Verlauf der Jahre (Foto: IMAGO, imago/BRIGANI-ART)
Bands wie die Ramones machten Tätowierungen für ihre Fans salonfähig.

Mitte der Siebzigerjahre wurden Tätowierungen zum Markenzeichen vieler Punks und gewannen so erstmals wieder an Popularität, blieben aber vorerst Teil der Subkultur.

„Das sollte anti-sozial wirken und die Ablehnung der Gesellschaft zeigen. Man hat das auch bei den Motiven gesehen. Vor allem Totenschädel waren beliebt.“

Auch Anfang der 80er-Jahre waren Tattoos noch nicht im Mainstream angekommen, aber ein leicht anderes Milieu fing an, sich dafür zu interessieren. Rödel erinnert sich, dass nun auch viele Rocker und Biker Tattoos trugen, zum Beispiel Gangabzeichen oder klassische Motorradmotive wie den Harley-Motor.

Tattoo-Trends im Verlauf der Jahre (Foto: IMAGO, indiv)
Das stereotype Klischee der „bösen, tätowierten Rocker“ hält sich bis heute hartnäckig.

Durch MTV zum Mainstream

Mit dem Beginn der 90er-Jahre kamen Tätowierungen in der Mitte der Gesellschaft an. Dirk-Boris Rödel sieht vor allem den Musiksender MTV als Grund dafür, dass Tattoos zum Thema in der breiten Masse wurden.

Viele Menschen hätten auf MTV zum ersten Mal Tattoos im Fernsehen gesehen, zum Beispiel bei Rockstars wie Bon Jovi. Dadurch sei eine Tätowierung auch für die Zuschauer zu einer Option geworden.

Wurde zuvor fast nur in den Clubhäusern von Bikergangs tätowiert, mieteten sich Tätowierer jetzt Ladenlokale an und freuten sich bald über stetig wachsende Kundschaft. Besonders beliebt: Das Steißtribal, besser bekannt als Arschgeweih.

Tattoo-Convention in Idar-Oberstein: „Tätowierungen erzählen Geschichten“, meint Autorin Susanna Kumschick:

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Die 2000er: Bunte Kunstwerke auf der Haut

Die Zeit nach dem Jahrtausendwechsel verbindet Tattoo-Experte Rödel vor allem mit Aquarell- und Watercolor-Tattoos, Tätowierungen, die aussehen, als seien sie mit bunten Wasserfarben auf die Haut gemalt worden.

„Die Tätowierer haben gemerkt, dass alles, was visuell darstellbar ist, auch tätowiert werden kann. Man hat viel experimentiert, es gab sogar Künstler, die haben sich beim Kubismus bedient.“

Popstars setzten die Tattoo-Trends der 2010er-Jahre

Für großes Aufsehen sorgte 2012 die Sängerin Rihanna, als sie sich eine ägyptische Göttin direkt unter die Brust tätowieren ließ. Viele Frauen folgten ihrem Vorbild und ließen sich unterschiedliche, häufig ornamentale Tattoos unterhalb der Brust stechen.

Die Männerwelt hingegen habe sich laut Dirk-Boris Rödel zu dieser Zeit vor allem von Popstar Robbie Williams inspirieren lassen. Mit seinen polynesischen Motiven auf dem Arm habe er den Hype um Tattoos befeuert, die in dieser Form zum Beispiel von den Maori-Völkern in Neuseeland getragen werden. Diese seien auch heute noch sehr beliebt.

Tattoo-Trends im Verlauf der Jahre (Foto: IMAGO, indiv)
Zu seinem Bad-Boy-Image in den 90ern passten Robbie Williams' Tätowierungen perfekt.

„Inzwischen findet jeder etwas“

Wohin die aktuellen Trends gehen, ist nie ganz leicht einzuschätzen. Rödel falle zurzeit aber auf, dass viele beliebte Motive aus der japanischen Popkultur stammen. Tätowiert würden zum Beispiel Charaktere aus Mangas oder Animes und auch Kreaturen aus dem Videospiel „Pokémon“.

Tattoo-Trends im Verlauf der Jahre (Foto: IMAGO, IMAGO/Sports Press Photo)
Im Fußball sieht man immer häufiger großflächig tätowierte Kicker – das war nicht immer so.

Außerdem sieht der Tattoo-Experte eine immer größer werdende Auswahl an Motiven: „Mittlerweile sind auch Mini-Tattoos total im Trend, also winzig kleine Tattoos wie Notenschlüssel hinter dem Ohr. Das ist dann auch etwas für Leute, die bisher noch nicht so den Draht zum Tätowieren gefunden haben. Inzwischen findet jeder etwas, weil es einfach alles gibt.“

EU-Verordnung Gehören bunte Tattoos bald der Vergangenheit an?

Ab dem 4. Januar 2022 könnte es vorbei sein mit der bunter Farbenpracht unter der Haut: Dann tritt die neue REACH-Verordnung der EU in Kraft, die zahlreiche Tätowierfarben verbietet. Tätowierer*innen fürchten um ihr Geschäft, Tattoofans sind in Sorge um ihren Körperschmuck. Welche Konsequenzen bringt REACH mit sich?

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Im Wettlauf um soziale Akzeptanz wird heute der eigene Körper inszeniert. Ganz deutlich wird das am Tattoo. Welche Bedeutung hat das Tattoo, ist es Ausdruck eines neuen Narzissmus?

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Tattoo Vom Anker bis zum Arschgeweih: Das Tattoo als Körperschmuck

„Steinbeintribals“ hießen die großen schmetterlingsförmigen Tattoos, die vor rund 20 Jahren aus gefühlt jeder zweiten Frauenjeans herausblitzten. „Arschgeweihe“ nannte man abwertend diese Art der Tätowierung. Tattoos sind aber keine Erfindung der Neuzeit. Schon der 5000 Jahre alte Ötzi trug sie. Mittlerweile haben Tattoos alle Gesellschaftsschichten erreicht.

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Waren früher vor allem Seemänner tätowiert, sollen Tattoos heute Individualität ausdrücken. Dabei sind sie längst Mainstream, aber nicht alle gesundheitlichen Risiken sind erforscht.

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Leander Bauer