Selbstgesteuertes Lernen

Wird der Lehrerberuf überflüssig?

Stand
AUTOR/IN
Nicole Vidal
ONLINEFASSUNG
Susanne Paluch

SWR2 Wissen: Aula

Das Konzept des selbstgesteuerten Lernens verspricht zwar viel, stößt praktisch jedoch oft an eine Grenze, meint die Erziehungswissenschaftlerin Professor Nicole Vidal. Sie hat Ratgeber für Lehrkräfte und Beispiele aus der Schulpraxis analysiert.

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Der Vortrag von Professor Vidal auf einen Blick:

Ein Beispiel aus der Grundschule. Es geht um das Thema "Brücken". Es gibt eine Station, an der die Kinder die Namen berühmter Brücken, basierend auf Kurzportraits, entsprechenden Fotos zuordnen sollen; die dazugehörigen Namen und Städte müssen sie ausschneiden und in der richtigen Reihenfolge auf ein Arbeitsblatt kleben. An einer anderen Station können sie selbst Brücken aus verschiedenen Materialien bauen und sollen anschließend überlegen, was sie stabil macht. 

Es geht um schülerzentriertes Lernen. Die Lehrkraft greift möglichst wenig ein, sie fungiert als Coach oder Moderator, die Kinder sollen sich und ihren Lernprozess selbst organisieren. Dazu gehört auch, dass sie ihre Ergebnisse selbständig überprüfen. Das Stationenlernen ist eine von vielen Unterrichtsmethoden, die selbstständiges Lernen fördern und den individuellen Lernvoraussetzungen der Kinder gerecht werden sollen.

Durch das schlechte Abschneiden Deutschlands bei den PISA-Tests geriet der lehrerzentrierte Frontalunterricht in den Fokus der Kritik. Man setzte im Zuge von PISA auf schülerzentrierte Methoden.

Zwei Kinder schreiben in einer Schule etwas an die Tafel. (Foto: SWR, SWR -)

Parallel dazu wurde Heterogenität der Schüler zum Problem. Zum einen geht es um Kinder mit Förderbedarf, die nun an Regelschulen unterrichtet werden, zum anderen

um Kinder und Jugendliche mit Fluchterfahrungen. Die Lehrkräfte müssen also Kinder mit sehr unterschiedlichen Lernvoraussetzungen unterrichten. Die Lösung heißt: "individualisierter Unterricht". 

a) Lerninhalte geraten ins Abseits

Noch einmal das Beispiel "Brücken" in der Grundschule: Die Kinder halten zwar ausgefüllte Arbeitsblätter und selbst gebaute Brücken in den Händen, aber die Frage bleibt: Haben sie etwas über Konstruktionsprinzipien von technischen Bauten verstanden? Studien zeigen, dass die starke Fokussierung auf Materialien in schülerzentrierten Lernumgebungen zu einer Entwertung der Inhalte führen kann. Kritiker sprechen von einer "Entfachlichung" des Unterrichts.

b) Der Schüler als Manager seiner selbst

Der selbstständige Schüler kann gar nicht mehr anders als mitzumachen, sich permanent zu evaluieren und an seinem Kompetenzniveau zu arbeiten. Wer sich diesem Optimierungsgebot nicht unterwirft, hat schlechte Karten.

c) Der Lehrer verschwindet

Die neue Lehrerrolle als Coach oder Moderator wird der Verantwortung professioneller Pädagoginnen und Pädagogen nicht gerecht. Unterricht zu planen und durchzuführen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die Sachkompetenz voraussetzt: Die Lehrkraft muss profundes Wissen haben, um die Themen aus dem Bildungsplan inhaltlich auszugestalten und in der Praxis erfolgreich zu vermitteln. Auf diese Weise läuft sie nicht Gefahr, Lernen mit Beschäftigtsein zu verwechseln. 

Das vollständige Manuskript finden Sie hier.

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Susanne Paluch