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„Dem Wald geht es schlecht“ – Warum Förster Martin Janner mit mediterranen Bäumen experimentiert

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Unsere Wälder sind Opfer des Klimawandels: Trockenheit, Borkenkäfer, schwere Stürme, machen ihnen zu schaffen. Das beobachtet Martin Janner seit mehr als 25 Jahren. „Wir haben nicht mehr viel Zeit, wir müssen jetzt handeln.“ In seinem Buch „Der Wald der Zukunft“ beschreibt Janner, der Förster des Jahres, wie man den Wald gegen den Klimawandel rüsten kann.

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Buche und Eiche leiden

Martin Janners Waldrevier liegt auf der Rheinhöhe nahe des Loreley-Felsens in Rheinland-Pfalz. Ein Fünftel der Waldfläche sei seit 2018 durch Trockenheit und Hitze zerstört worden, schreibt der Förster in seinem Buch. Mittlerweile hätten auch Buche und Eiche große Schwierigkeiten mit den klimatischen Bedingungen.

„Meinem Wald geht es nicht besser als anderen Wäldern in Rheinland-Pfalz und auch in Baden-Württemberg. Dem Wald geht es schlecht, das kann man so festhalten“, so Martin Janner in SWR2.

Mediterrane Bäume können helfen

Schon vor Jahren habe man sich von sogenannten Reinbeständen, also reinen Fichten- oder Buchenwälder, verabschiedet. Für die Zukunft setze man auf Mischbestände und kombiniere verschiedene Baumarten miteinander. „Wir wollen möglichst viele Baumarten in den Wäldern etablieren, um zu beobachten, wie die verschiedenen Baumarten mit den klimatischen Veränderungen tatsächlich zurechtkommen“.

Forstwissenschaftliche Untersuchungen hätten zudem ergeben, dass auch nichtheimische, mediterrane Baumarten geeignet seien. Während der letzten Eiszeit waren Buche und Tanne in den Süden emigriert und es sei gut vorstellbar, dass man diese Situation mit Blick auf den galoppierenden Klimawandel imitieren könne.

Der Wald muss für die Zukunft gestaltet werden

Der Wald der Zukunft muss die Angebote, die die Wälder uns heute machen, aufnehmen und gestalten und an der ein oder anderen Stelle mit mediterranen Arten unterstützen. „Wir müssen vor allem schauen, was uns der Wald heute zeigt, was davon allein kommt und wo wir gestaltend tätig werden müssen. Wir müssen den Wald in eine möglichst bunte Richtung entwickeln.“

Den Wald „in Ruhe zu lassen“, davon hält Martin Janner nichts. „Die Wälder wissen nichts.“ Die Wanderungsbewegung von Baumarten dauere hunderttausende von Jahren, also ein ganz anderes Tempo als die innerhalb von Jahren rasant fortschreitenden klimatischen Veränderungen.

Ein Beispiel sei die Fichte, in jungen Jahren sehr konkurrenzfähig und damit eine Gefahr für dem Klima gegenüber robusteren Bäumen, wie Eiche, Kirsche oder Esskastanie. „Das bedeutet, dass wir ganz klar gestaltend tätig werden müssen und die Wälder in eine Richtung lenken, in der wir Ihnen eine bessere Prognose für die Zukunft erstellen können.“

Waldbrandgefahr: Funken schlagen vermeiden

Zum Stichwort „Waldbrandgefahr“, führt Martin Janner aus, dass die Lösung auch hier in der Diversität der Wälder liege. „Je höher der Laubholzanteil ist, umso geringer ist die Waldbrandgefahr“. Eine vollbelaubte Buche brenne nicht so schnell.

Brände seien aber selten natürlich entstanden, oft sei es der Mensch, der unabsichtlich „Funken schlage“, etwa mit einem Mulchgerät.

Peter Wohlleben weckt Interesse am Wald

Dass sich auf einmal breite Teile der Bevölkerung für den Wald interessierten, dafür bedankt sich Martin Janner bei seinem Försterkollegen, dem Bestsellerautor Peter Wohlleben. Die Emotionalisierung oder gar Vermenschlichung der Bäume sei allerdings ein Schritt zu viel für ihn, positioniert sich Martin Janner gegen die These, dass Bäume, ähnlich wie Menschen, soziale Wesen seien.

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„Ich möchte gerne hand- und forstwissenschaftliches Wissen mit dazu bringen.“ Nur was man wisse und verstehe, könne man forstwissenschaftlich beurteilen und schützend bewirtschaften.

Wald muss auch Geld erwirtschaften

Wirtschaften, Bäume fällen, Holz verkaufen, das ist die Aufgabe eines Försters. In Rheinland-Pfalz gehörten die Wälder den Kommunen, die darauf achteten, dass Gewinn gemacht werde. Die Dörfer dürften selbst darüber entscheiden, was mit den gewonnenen Geldern angestellt werde.

„Ich habe auch schon die Renovierung des Dorfgemeinschaftshauses mit meiner Tätigkeit unterstützt. Wir betreuen das Eigentum des Gemeinwesens, wenn man so will.“ Trotzdem müsse man sich nicht zwischen Holzwirtschaft oder Naturschutz entscheiden, betont Martin Janner.

Selbstverständlich würde er einen Baum, der zum Beispiel von Roten Milanen bewohnt sei, nicht fällen. Einen unbewohnten und andere Bäume behindernden Baum hingegen schon.

Zuversicht aus dem Wald

Der schönste Waldmoment ist für Martin Janner das Frühjahr. „Dieses immer wieder neue Ergrünen der Wälder, das ist ja ein Moment, der auch Hoffnung mit sich bringt. Der Zuversicht mit sich bringt. Gerade jetzt, in dieser politisch und kriegerisch angespannten Zeit.“

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