Eine gemeinsame Exkursion in den Schwarzwald hat den 22-jährigen Choreografen Ben Rentz und seine neunköpfige Truppe inspiriert. Themen wie der Klimawandel oder Umweltschutz beeinflussen die Inszenierung. Im Alten Schlachthof in Karlsruhe präsentiert das junge Tanztheater die Choreografie „transition – circuit I“.
„Mensch und Natur“ als tänzerische Aufarbeitung
Eine große alte Halle mit Industrie-Charme: abblätternder Putz, verzierte Metallträger. Ben Rentz gibt den neun jungen Tänzerinnen und Tänzern die letzten Anweisungen, dann verteilen sie sich im Raum.
Langsam bewegen sich die Tänzerinnen und Tänzer aufeinander zu und rücken im Pulk immer näher an die Wand. Die Körper scheinen an ihr hochzuwuchern, klettern aufeinander, verschlingen sich. Das Verhältnis des Menschen zur Natur ist das Thema der neuen Choreografie von Ben Rentz.

„Wir haben eine Distanz, die sich durchzieht, von Körper und Natur. Wir haben aber auch Teile, in denen der Mensch zur Natur wird“, erklärt der Choreograf sein Projekt. Eine Mischung ziehe sich durch: Szenen, in denen eine krasse Imitation im Vordergrund stehe und Szenen, wo der Mensch mit der Sense durchgehe.
Gemeinsames Arbeiten in der Natur
Im Ensemble haben sie viel diskutiert: über Klimawandel, Umweltschutz, Katastrophenszenarien, erzählt der 22 jährige Choreograf. Es gäbe Stimmen, die wirklich pessimistisch in die Zukunft blickten, aber auch auch einige hoffnungsvolle.
Ben Rentz selbst hat viele intensive Erlebnisse in der Natur gehabt, als er als Jugendlicher mit den Pfadfindern unterwegs war, zum Beispiel in Raumünzach im Schwarzwald. Und deswegen hat er auch jetzt mit seinem Ensemble eine Woche lang eine Exkursion dorthin gemacht.
Eine Choreografie am Zahn der Zeit
Auch die Dramaturgin der Produktion, Yoreme Waltz, die viele Jahre mit ihrer berühmten Schwester, der Choreografin Sasha Waltz zusammengearbeitet hat, ist begeistert davon, wie engagiert das junge Team diskutiert hat:
„Viele junge Erwachsene und Jugendliche fragen sich halt: Was kann ich tun? Und ist es relevant, wenn ich künstlerisch arbeite?. Oder ist es nötig, dass ich irgendwie aktivistisch arbeite?“, resümiert Waltz. „Und da irgendwie aber auch so eine Balance zu finden und zu sagen: OK, auch künstlerisch zu arbeiten ist eben gesellschaftlich relevant.“

Diese Diskussion und die gemeinsamen Erfahrungen während der Exkursion in den Schwarzwald habe das Team nochmal enger zusammengebracht, sagt Ben Rentz.
Mehr Körperkontakt und mehr Vertrauen als im ersten Projekt
Die meisten haben schon bei seiner ersten Produktion „ruminate“ im letzten Sommer mitgemacht, auch die Komponistin und Musikerin Ada Helene Brack. Aber gerade für die neuen Tänzerinnen und Tänzer sei diese Exkursion besonders wichtig gewesen, sagt Ben Rentz. In der neuen Choreografie gebe es viel mehr Körperkontakt, da sei Vertrauen enorm wichtig.
Auch Yoreme Waltz ist beeindruckt, wie sehr sich das junge Ensemble weiterentwickelt hat. Sie ist froh, dass sie gleich eine zweite Arbeit mit Ben Rentz und seinem jungen Ensemble realisieren konnte, „Weil die Arbeit so unterschiedlich ist beim zweiten Mal, gerade weil die Gruppe ja so jung ist und so viel gelernt hat in dem Prozess.
„Und das jetzt einfach in der zweiten Runde anwenden zu können“, so Waltz, „da passieren jetzt unheimlich viele Dinge, die nachhaltig sind.“

Ben Rentz hat im Tanz sein Medium gefunden
Schon plant das Team um Ben Rentz eine dritte gemeinsame Produktion. Der junge Choreograf ist sich jetzt sicher, dass er, nach jahrelanger Arbeit am Theater, nun sein künstlerisches Medium im Tanz gefunden hat.
Im Oktober fängt der 22-Jährige an der Universität Hildesheim ein Studium der „Szenischen Künste“ an. Die Arbeit in Karlsruhe mit seinem jungen Ensemble möchte er auf jeden Fall fortführen.
Mehr Tanz-Themen
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