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Der Kopp Verlag in Rottenburg – Hetze, Angst, Verschwörungsmythen

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Judith Brose
Moritz Kluthe
Christian Kretschmer
Thomas Simon

Der schwäbische Verlag bietet Rechtspopulisten eine Plattform und sät Zweifel an Demokratie und Aufklärung. Ein rentables Geschäftsmodell.

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Das Geschäft mit der Meinungsfreiheit

„Lesen Sie hier, was Ihnen die Massenmedien verschweigen.“ Damit bewirbt der schwäbische Kopp Verlag aus Rottenburg seine Bücher, seinen verlagseigenen Informationsdienst oder sein Online-Portal. Doch was er seinen Lesern bietet, sind vor allem Stimmungsmache und Geldmacherei. Nach SWR-Recherchen hat der Verlag auch gesundheitlich bedenkliche "Nahrungsergänzungsmittel" vertrieben.

Kritiker werden bedroht und verfolgt

Nachdem Hermann Steur sich vor vier Jahren gegen den Kopp Verlag stellte, erhält er Drohungen – per Anruf, Mail oder Post. In einem offenen Brief fragte der Rottenburger Gemeinderat den Verlagschef Jochen Kopp damals, wie er zu über seinen Verlag verbreiteten Texten stehe. Eine Antwort von Jochen Kopp erhielt Steur auf den Brief nach eigenen Angaben nie – dafür ab dem nächsten Tag Drohungen. „Die sind eindeutig dem ganz rechten Spektrum zuzuordnen“, sagt der Rottenburger SPD-Fraktionschef heute. „Es geht nur darum, deutlich zu machen: Wenn wir an der Macht sind, dann werdet ihr die Quittung bekommen.“

Kopp Verlag spricht politische Milieus am rechten Rand bewusst an

Der Jenaer Rechtsextremismus-Forscher Matthias Quent ist davon überzeugt, dass der Verlag bewusst politische Milieus am rechten Rand anspricht. „Der Kopp Verlag ist eine Herausforderung für eine offene Demokratie, weil er die Grundsäulen dessen infrage stellt, worauf eine aufgeklärte Gesellschaft beruht. Die Wissenschaft, die Fakten, die Sachorientierung. All das zählt nicht.“

Die Themen des schwäbischen Kopp Verlags sind vielfältig. So bespielt er Themen wie Gesundheit und alternative Medizin, Finanzen oder Politik. Auch für die sogenannte Prepper-Szene hat er einiges zu bieten. Neben Büchern zu Selbstversorgung und Überleben in Krisen-Zeiten verkauft er aktuell zum Beispiel eine Pfefferspray-Pistole „als Abwehrmittel“, einen taktischen Kugelschreiber als „Notwehr-Tool“ oder einen „Lichtbogenanzünder mit Taschenlampe.“

Kopp Verlag in Rottenburg am Neckar (Foto: SWR, Judith Brosel)
Kopp Verlag in Rottenburg am Neckar

Für seine Bücher wirbt der Kopp Verlag zum Beispiel auf dem rechtspopulistischen Online-Portal PI-News. Zudem vertreibt er das Compact Magazin – ein Heft, das auch der bekannteste Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung, Martin Sellner, bewirbt. Auf diese Kooperationen angesprochen, schreibt Jochen Kopp: „Mit unseren Marketingmaßnahmen verfolgen wir stets das Ziel, Verbraucher auf das breite Produktangebot des Kopp Verlags aufmerksam zu machen und neue Kundengruppen zu erschließen, wie es in einer freien Marktwirtschaft üblich ist.“ Außerdem schreibt Kopp dem SWR in seiner Stellungnahme: „Die Publikationen des Kopp Verlags bewegen sich allesamt im Rahmen der demokratischen Grundordnung!“

Werbung in rechtsradikalen und muslimfeindlichen Publikationen

Nach Einschätzung des Rechtsextremismus-Experten Matthias Quent lässt sich aus dieser Form der Zusammenarbeit ein weiterer Rückschluss ziehen: „Wenn der Kopp Verlag in rechtsradikalen Publikationen wie dem Compact Magazin oder bei muslimfeindlichen Seiten wie PI-News Werbung macht, dann zeigt das sehr deutlich, dass es hier Verbindungen gibt, die nicht nur ideologischer Natur sind, sondern auch struktureller Art“.

Aktivitäten in sozialen Netzwerken

Dafür, dass der Kopp Verlag bewusst die Nähe zum rechten Rand sucht, spricht zudem sein Auftritt im sozialen Netzwerk „VK“. „VK“ wird oft als das „russische Facebook“ bezeichnet und ist schon seit längerem als Auffangbecken für rechte Gruppierungen bekannt. Hier verbreitet der Verlag nur Artikel, die bei rechten Fans auf Gegenliebe stoßen. Beispiele für Kommentare unter den Posts:

„Schüsse? Greift da wirklich endlich mal einer durch?“
„Wann bringt die endlich einer um?“
„Am Ende seid ihr alle dran! Wir vergessen keinen.“

Auf diese offensichtlich fehlende Kontrolle angesprochen schreibt Verlagsinhaber Jochen Kopp dem SWR:

„Die Behauptung, der Kopp Verlag unternehme nichts gegen Hasskommentare bzw. rechtswidrige Inhalte in seinen Profilen, die dort von dritter Seite eingestellt werden, trifft nicht zu. Tatsache ist, dass unsere Aktivitäten in sozialen Netzwerken laufend von versierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unseres Hauses betreut werden, die angehalten sind, Nutzerbeiträge, die gegen geltendes Recht verstoßen, unverzüglich zu löschen.“

Bis zur SWR-Berichterstattung standen die genannten Kommentare dort allerdings über Monate.

Vertrieb von bedenklichen "Nahrungsergänzungsmitteln"

Ganz anders präsentiert sich der Kopp Verlag auf Facebook. Hier finden sich vor allem Beiträge zu Nahrungsergänzungsmitteln, Gesundheit oder pflanzlicher Alternativmedizin. Bücher wie „Krebs verstehen und natürlich heilen“ zweifeln die Methoden der Medizin an und werben für alternative Heilmethoden. Im Online-Shop des Verlags gibt es zu den Themen passende Nahrungsergänzungsmittel direkt mit im Angebot.

Präparate und Bücher aus dem Kopp Verlag zum Thema Gesundheit: "Krebs verstehen und natürlich heilen", "Die Impf-Illusion" (Foto: SWR, Judith Brosel)
Präparate und Bücher aus dem Kopp Verlag zum Thema Gesundheit: "Krebs verstehen und natürlich heilen", "Die Impf-Illusion"

Krebs-Schutz-Präparate des Kopp Verlags möglicherweise krebserregend

SWR-Reporter bestellen zwei der verlagseigenen Präparate und lassen sie in einem zertifizierten Labor untersuchen. Ein Algen-Pulver, dessen Rohstoff einem von Kopp verlegten Buch zufolge unter anderem vor Krebs schützen soll, überschreitet in der Untersuchung die Grenzwerte für sogenannte polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe – die stehen in Verdacht, krebserregend zu sein.

Für die Überwachung der von Kopp vertriebenen Präparate zuständig ist die Lebensmittelüberwachungsbehörde Tübingen. Die kam bei einer eigenen Untersuchung vergangene Woche zu einem ähnlichen Ergebnis. Sie hat daher angekündigt, den Verkauf des untersuchten Pulvers zu untersagen und den Fall zur Prüfung an die Staatsanwaltschaft Tübingen weiterzuleiten. Kopp selbst hat den Verkauf des Mittels drei Tage nach der SWR-Anfrage freiwillig gestoppt.

Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Bio-Pulver des Kopp Verlags

Beim zweiten im SWR-Auftrag untersuchten Mittel aus dem verlagseigenen Sortiment finden sich im Labor Rückstände von mehreren Pflanzenschutzmitteln – obwohl das Präparat im Kopp Verlag als Bio-zertifiziert verkauft wurde. Jochen Kopp lässt dem SWR zu den Ergebnissen der Labor-Analyse über einen Anwalt mitteilen:

„Selbstverständlich hat meine Mandantin unverzüglich auch mit ihren Lieferanten und deren Lohnherstellern Kontakt aufgenommen, um den Sachverhalt aufzuklären. Sollte sich herausstellen, dass es zutreffend ist, dass die entsprechenden Präparate bestimmte Grenzwerte überschreiten sollten, wird meine Mandantin selbstverständlich juristische Konsequenzen ziehen.“ In der Stellungnahme weist Kopp darauf hin, dass Laborergebnisse auf einer fehlerhaften Analytik basieren können. Eine einzelne Analyse sei daher nicht repräsentativ – das im Auftrag des SWR untersuchte Bio-Pulver sei bei früheren eigenen Untersuchungen zudem unauffällig gewesen.

Kopp Verlag stoppt Verkauf nach SWR-Anfrage

Den Verkauf der beiden Produkte hat Kopp drei Tage nach der SWR-Anfrage vorläufig gestoppt. Sollte er das bei der SWR-Untersuchung zweite auffällige Mittel, das Bio-Pulver, wieder auf den Markt bringen, hat die Lebensmittelüberwachung Tübingen auch für dieses Mittel eine eigene Untersuchung angekündigt.

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