Karl-Sczuka-Recherchestipendium 2022 in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut

RHO & Γλώσσα (Glossa): CHOLERA – I THOUGHT I SHOULD NEVER SPEAK AGAIN

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RHO und Glossa

Karl-Sczuka-Recherchestipendium in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut

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Wechselspiele von Außen und Innen – von körperlichen, architektonischen und immer auch klanglichen Räumen – prägen das Hörstück CHOLERA – I THOUGHT I SHOULD NEVER SPEAK AGAIN (2021).

Antwortend auf die Kooperationsanfrage des RHO-Kollektivs, deren Licht-Installation im Kasseler Kunstverein mit Stimme zu bespielen, führte die Stimmkünstlerin Elisa Kühnl im Winter 2021 intime 1:1-Aufnahmesessions mit sechs Mitgliedern des von ihr 2020 gegründeten Vokalensembles Γλώσσα (Glossa) im Tonstudio durch.

Die Chor-Mitglieder folgten Handlungsanweisungen von Elisa Kühnl, um dem titelgebenden Thema des cholerischen Temperaments - trocken, heiß, Wut, gelbe Galle - eine stimmliche und körperliche Ausdrucksform zu geben. Diese Aufnahmen wurden daraufhin von beiden Kollektiven zu einer einstündigen Stimm-Komposition zusammengefügt und auf ein Setup aus 33 Scheinwerfern und einem digitalen Steuersystem übertragen.

Die Mehrkanal-Licht/Sound-Installation war vom 15.02.-14.03.2021 im Kasseler Kunstverein zu sehen. Das Publikum konnte die Installation während des Lockdowns nur von außen durch gekippte Fenster wahrnehmen.

Das Hörstück „CHOLERA – I THOUGHT I SHOULD NEVER SPEAK AGAIN“ verschränkt die ursprüngliche Komposition der Installation mit dokumentarischen Aufnahmen aus dem Inneren des Kasseler Kunstvereins und seiner äußeren Umgebung. Es entspinnt ein Narrativ über Räume, Nähe und Distanz. Innen und Außen gibt es hier auf mehreren Ebenen: Da ist das Innen der Räumlichkeiten des Kunstvereins, das von RHO mehrmals mit verschiedenen Mikrofon-Setups (u.a. Kugelmikrofone, Stereofonie, Grenzflächenmikrofone) auf insgesamt 14 Spuren dokumentiert wurde. Hier werden neben der Stimmkomposition und der Raumakustik auch die Schaltgeräusche der Scheinwerfer-Steuerung und das Summen der eingesetzten Rechner hörbar.

Das Außen vor dem Kunstverein wurde mit OKM-Aufnahmen dokumentiert. Je nach Hörposition vermischt sich dabei der Klang der Stimmen mit Verkehr, Reaktionen von Passant*innen auf die Installation, Vogelgeräuschen und Schneeschmelze, oder verschwindet gar dahinter. Der Weg ins Innere führt weiter durch die nackten Aufnahmen aus dem Inneren des Studios, die so trocken in der Installation vor Ort nie klingen konnten. Nicht zuletzt verleiht das Körperinnere – der Mund, die Stimmröhre, die Lunge, der Bauch –, diesen Aufnahmen ihre Wirkung und führt in ein höchst persönliches, physisches Inneres, das ähnlich unzugänglich ist wie der Ausstellungsraum.

Preisträger:innen Karl-Sczuka-Recherchestipendium in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut (Foto: SWR, Ralf Brunner)
v.l.n.r.: Petra Roggel (Goethe-Institut), Sophia Schach, Josephine Stamer, Friedemann Dupelius, Elisa Kühnl.

Installationsdesign und -setup: RHO Score Stimme: Elisa Kühnl
Sänger*innen*: Friedemann Dupelius, Tanja Kodlin, Elisa Kühnl, Ella Posny, Sophia Schach, Marcus Zilz
Komposition: Josephine Stamer*, RHO
Audioaufnahmen: Friedemann Dupelius*, Eeva Ojanperä, RHO, Marcus Zilz*
Schnitt: Wednesday Dupont aka Friedemann Dupelius
Mastering: Marcus Zilz at Mount Wobble
* Γλώσσα (Glossa)

Elisa Kühnl

Elisa Kühnl lebt und arbeitet als Klangkünstlerin und Musikerin in Köln. Sie ist Teil des Musikkollektivs Nasssau, Autorin des Fanzines Grapefruits, Gründerin des Experimentalchors γλώσσα und Soloperformerin mit dem Instrument Stimme.

„Ihre puristischen Stimmperformances werden als expressive Entäußerung erlebt, deren Klang jedoch eher im Sinne einer elektronischen Klangästhetik zu lesen ist, die sich fast gänzlich in Spielweisen der Modulation entfaltet“, so Hubert Steins über Kühnl im Deutschlandfunk.

Sie komponiert Musik für Filme, sowie Hörstücke aus dem Material ihres selbst angelegten Archivs zu geräuschhaften Stimmen. Zusammengearbeitet hat Elisa Kühnl u.a. mit Peter Ablinger, Franziska Windisch, Akiko Ahrendt, dem Shiny Toys und NNOI Festival, Reihe M, der GNMR und dem Theater an der Ruhr Mülheim.

Sie studierte Kulturästhetik Medien an der Hochschule Düsseldorf und schloss mit einer musikethnologischen Arbeit zum griechischen Rebetiko ab; an der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf absolvierte sie den Masterstudiengang Klang und Realität (Schwerpunkt Epistemische Medien), Abschluss hier mit einer Arbeit zu γλώσσα – Die Stimme als Instrument gegebener Umstände.

Γλώσσα (Glossa)

Der aus bis zu 30 Personen bestehende Chor Γλώσσα (Glossa) erforscht klangliche Potentiale individueller Stimmen, arbeitet an der Entwicklung einer eigenen Klangsprache, entwirft und realisiert eigene Scores.

Seit Anfang 2020 entstehen in der gemeinsamen Chorpraxis auf diese Weise immer wieder neue, überraschende und zuweilen befremdliche Momente. Die Fokussierung auf die Stimme beinhaltet dabei ebenso das Interesse zu ergründen, inwiefern die menschliche Stimme trotz alltäglichen Gebrauchs, noch immer schambelastet ist, gewissen Regelwerken gehorcht und Stereotypen unterliegt. Das Projekt Γλώσσα eröffnet den Chorteilnehmer*innen (Laien und Berufsmusiker*innen) einen Raum, ihre individuellen Stimmen experimentell zu entdecken – und dabei selbstverständlich auch schräg, laut, schief und ungewohnt zu sein. Die Stimme fungiert hierbei als ein primäres Versuchsobjekt, jedoch besteht in den sich entfaltenden Freiheitsgraden der gemeinsamen stimmlichen Praxis und Etablierung eines verbindenden Raumes der eigentliche Forschungsschwerpunkt des Projektes. Die Stimme als überaus variables Instrument zur Untersuchung gegebener Umstände und als Auslöser zur Entstehung eines sozialen Konstruktes.

Weitere Informationen: http://elisakuehnl.de/glossa.html

RHO-Kollektiv

RHO formen Räume wie begehbare Skulpturen. Das Denken in Körpern, Bildern, Atmosphären, Licht und Dunkelheit prägt ihre Arbeit seit 2017. Die Beschäftigung mit antiker Philosophie und Naturwissenschaft liefert ihnen Themen und Reibungsflächen für ihre unverwechselbaren, immersiven Rauminstallationen.

Zuletzt war es die Temperamentenlehre, die sie in Räumen aufschlüsselten und mit bildnerischen Mitteln transkribierten. Eine Öffnung in Richtung Klangkunst gelang ihnen durch die Kooperation mit dem Vokalensemble Γλώσσα (Glossa) für die Arbeit „CHOLERA – I THOUGHT I SHOULD NEVER SPEAK AGAIN“, die Anfang 2021 im Kasseler Kunstverein zu sehen war.

Zuletzt kooperierten sie mit dem Kollektiv Studio Beisel und präsentierten die begehbare, immersive Rauminstallation “HOLOBIONT/ГОЛОБІОHТ”, die im Rahmenprogramm der documenta15 zu erleben war. Das Kollektiv bleibt pseudonym, da es für RHO nicht um die spezifische Autor*innenschaft geht, sondern um das einzelne Kunstwerk.

Text: Kajetan Skurski und RHO
Weitere Informationen:
Instagram: https://www.instagram.com/rho_kollektiv/similar_accounts/
Website: https://rhokollektiv.org/

Hörspiel Karl-Sczuka-Preis 2022

Die Programmdirektorin Kultur, Wissen, Junge Formate des SWR Anke Mai verlieh den Karl-Sczuka-Preis für Hörspiel als Radiokunst an Jan Jelinek für sein Hörstück "Überwachung - in drei Episoden" und das Karl-Sczuka-Recherchestipendium in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut an eine Zusammenarbeit des RHO-Kollektivs mit dem Vokalensemble Γλώσσα (Glossa) für ihr Hörstück CHOLERA – I THOUGHT I SHOULD NEVER SPEAK AGAIN.

Donaueschinger Musiktage SWR2

Karl-Sczuka-Förderpreis 2022 Ira Hadžić: Heimatgefühle – Sprachkomposition mit Akzenten

7 Stimmen sprechen denselben Text. Jede hat einen anderen Akzent. Aus den klanglichen Differenzen komponiert Ira Hadžić ein Hörstück über die Grenzen von Sprache und deren Auflösung.

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RHO und Glossa